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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Hamburgs und Bremens Eintritt in die deutsche Zolllinie.

Mit dem Jahre 1854 traten bekanntlich Hannover. Oldenburg und Schaum¬
burg-Lippe, die Länder des frühern Steuervereins, dem Zollvereine bei. Da¬
durch sah sich Bremen rings von Zollschranken umgeben, die im Durchschnitt
beträchtlich höher waren als die bis dahin vorhandenen. Infolge dessen kam
die Frage, ob Bremen nicht besser thue, sich ebenfalls dem Zollverein anzu¬
schließen, im Schoße der dortige" Bevölkerung zu lebhafter und leidenschaftlicher
Erörterung. Die Börse erklärte sich mit vereinzelten Ausnahmen dagegen; große
und kleine Gewerbtreibcude waren größtentheils dafür. Der damalige Redacteur
des Bremer Handelsblatts, Dr. K. Andrae, gab seine Stellung preis, um für
die industriellen Interessen zu kämpfen, während in der Wescrzeitung die un¬
übertreffliche Feder des jetzigen Senator Gildemeister für die Aufrechterhaltung
der handelspolitischen SondersUllung Bremens eintrat. Da die Entschließung
des Hanscstaatcs damals noch einzig und allein von ihm selbst abhing, und in
der ruhigen, ja todten Zeit der ersten fünfziger Jahre die Meinung der Börse
Bremen unumschränkt beherrschte, so war der Ausgang leicht vorherzusehen.
Die Stadt trat dem Zollverein nicht' bei. Wohl aber nahm sie ein Hauptzoll-
cunt des Zollvereine und eine zollfreie Niederlage in ihre Mauern auf, welchen
Einrichtungen dann die Kaufmannschaft den Abschluß gab, indem sie auf ihre
Kosten ein Dcclarativnsburcau ins Leben rief, das dem H.andelsstande das weit-
läufige Geschäft der Verzollung abnahm, der Zollbehörde erhöhte Sicherheit für
den Eingang der Zölle gewährte.

Dieser Compromiß, der Bremen gewissermaßen vertragsmäßig und Völker-
rechtlich, wenn auch nicht gesetzlich zu einem Freihafen des Zollvereins machte,
hat im Wesentlichen alle Interessenten befriedigt. Das geht schon daraus her¬
vor, daß der Vertrag im December 1863 zwischen den beiden Contrahenten,
dem Zollverein und Bremen, fast unverändert auf weitere zwölf Jahre über
den I.Januar 1866 hinaus, d. h. also auf die neue vertragsmäßige Lcbens-
peuvdc des Zollvereins, erneuert worden ist. Noch beredter zeugt für die Zweck¬
mäßigkeit des Abkommens die überraschende Thatsache, daß -- bis heute we¬
nigstens -- die seil vorigem Sommer so gründlich veränderte Lage Deutschlands
nicht benutzt worden ist, um die früher mißglückte Agitation für Anschluß an
den Zollvncin mit besserer Aussicht auf Erfolg wieder aufzunehmen. Im Ge-
folge des großen politischen Umschwungs mußte doch das handelspolitische
Selbstbestimmungsrecht der Hansestädte wegfallen, und die bremer Zollvereins-
vartci durfte sich wohl der Hoffnung hingeben, aus dem so außerordentlich n-


Hamburgs und Bremens Eintritt in die deutsche Zolllinie.

Mit dem Jahre 1854 traten bekanntlich Hannover. Oldenburg und Schaum¬
burg-Lippe, die Länder des frühern Steuervereins, dem Zollvereine bei. Da¬
durch sah sich Bremen rings von Zollschranken umgeben, die im Durchschnitt
beträchtlich höher waren als die bis dahin vorhandenen. Infolge dessen kam
die Frage, ob Bremen nicht besser thue, sich ebenfalls dem Zollverein anzu¬
schließen, im Schoße der dortige» Bevölkerung zu lebhafter und leidenschaftlicher
Erörterung. Die Börse erklärte sich mit vereinzelten Ausnahmen dagegen; große
und kleine Gewerbtreibcude waren größtentheils dafür. Der damalige Redacteur
des Bremer Handelsblatts, Dr. K. Andrae, gab seine Stellung preis, um für
die industriellen Interessen zu kämpfen, während in der Wescrzeitung die un¬
übertreffliche Feder des jetzigen Senator Gildemeister für die Aufrechterhaltung
der handelspolitischen SondersUllung Bremens eintrat. Da die Entschließung
des Hanscstaatcs damals noch einzig und allein von ihm selbst abhing, und in
der ruhigen, ja todten Zeit der ersten fünfziger Jahre die Meinung der Börse
Bremen unumschränkt beherrschte, so war der Ausgang leicht vorherzusehen.
Die Stadt trat dem Zollverein nicht' bei. Wohl aber nahm sie ein Hauptzoll-
cunt des Zollvereine und eine zollfreie Niederlage in ihre Mauern auf, welchen
Einrichtungen dann die Kaufmannschaft den Abschluß gab, indem sie auf ihre
Kosten ein Dcclarativnsburcau ins Leben rief, das dem H.andelsstande das weit-
läufige Geschäft der Verzollung abnahm, der Zollbehörde erhöhte Sicherheit für
den Eingang der Zölle gewährte.

Dieser Compromiß, der Bremen gewissermaßen vertragsmäßig und Völker-
rechtlich, wenn auch nicht gesetzlich zu einem Freihafen des Zollvereins machte,
hat im Wesentlichen alle Interessenten befriedigt. Das geht schon daraus her¬
vor, daß der Vertrag im December 1863 zwischen den beiden Contrahenten,
dem Zollverein und Bremen, fast unverändert auf weitere zwölf Jahre über
den I.Januar 1866 hinaus, d. h. also auf die neue vertragsmäßige Lcbens-
peuvdc des Zollvereins, erneuert worden ist. Noch beredter zeugt für die Zweck¬
mäßigkeit des Abkommens die überraschende Thatsache, daß — bis heute we¬
nigstens — die seil vorigem Sommer so gründlich veränderte Lage Deutschlands
nicht benutzt worden ist, um die früher mißglückte Agitation für Anschluß an
den Zollvncin mit besserer Aussicht auf Erfolg wieder aufzunehmen. Im Ge-
folge des großen politischen Umschwungs mußte doch das handelspolitische
Selbstbestimmungsrecht der Hansestädte wegfallen, und die bremer Zollvereins-
vartci durfte sich wohl der Hoffnung hingeben, aus dem so außerordentlich n-


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[0369] Hamburgs und Bremens Eintritt in die deutsche Zolllinie. Mit dem Jahre 1854 traten bekanntlich Hannover. Oldenburg und Schaum¬ burg-Lippe, die Länder des frühern Steuervereins, dem Zollvereine bei. Da¬ durch sah sich Bremen rings von Zollschranken umgeben, die im Durchschnitt beträchtlich höher waren als die bis dahin vorhandenen. Infolge dessen kam die Frage, ob Bremen nicht besser thue, sich ebenfalls dem Zollverein anzu¬ schließen, im Schoße der dortige» Bevölkerung zu lebhafter und leidenschaftlicher Erörterung. Die Börse erklärte sich mit vereinzelten Ausnahmen dagegen; große und kleine Gewerbtreibcude waren größtentheils dafür. Der damalige Redacteur des Bremer Handelsblatts, Dr. K. Andrae, gab seine Stellung preis, um für die industriellen Interessen zu kämpfen, während in der Wescrzeitung die un¬ übertreffliche Feder des jetzigen Senator Gildemeister für die Aufrechterhaltung der handelspolitischen SondersUllung Bremens eintrat. Da die Entschließung des Hanscstaatcs damals noch einzig und allein von ihm selbst abhing, und in der ruhigen, ja todten Zeit der ersten fünfziger Jahre die Meinung der Börse Bremen unumschränkt beherrschte, so war der Ausgang leicht vorherzusehen. Die Stadt trat dem Zollverein nicht' bei. Wohl aber nahm sie ein Hauptzoll- cunt des Zollvereine und eine zollfreie Niederlage in ihre Mauern auf, welchen Einrichtungen dann die Kaufmannschaft den Abschluß gab, indem sie auf ihre Kosten ein Dcclarativnsburcau ins Leben rief, das dem H.andelsstande das weit- läufige Geschäft der Verzollung abnahm, der Zollbehörde erhöhte Sicherheit für den Eingang der Zölle gewährte. Dieser Compromiß, der Bremen gewissermaßen vertragsmäßig und Völker- rechtlich, wenn auch nicht gesetzlich zu einem Freihafen des Zollvereins machte, hat im Wesentlichen alle Interessenten befriedigt. Das geht schon daraus her¬ vor, daß der Vertrag im December 1863 zwischen den beiden Contrahenten, dem Zollverein und Bremen, fast unverändert auf weitere zwölf Jahre über den I.Januar 1866 hinaus, d. h. also auf die neue vertragsmäßige Lcbens- peuvdc des Zollvereins, erneuert worden ist. Noch beredter zeugt für die Zweck¬ mäßigkeit des Abkommens die überraschende Thatsache, daß — bis heute we¬ nigstens — die seil vorigem Sommer so gründlich veränderte Lage Deutschlands nicht benutzt worden ist, um die früher mißglückte Agitation für Anschluß an den Zollvncin mit besserer Aussicht auf Erfolg wieder aufzunehmen. Im Ge- folge des großen politischen Umschwungs mußte doch das handelspolitische Selbstbestimmungsrecht der Hansestädte wegfallen, und die bremer Zollvereins- vartci durfte sich wohl der Hoffnung hingeben, aus dem so außerordentlich n-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/369>, abgerufen am 26.07.2024.