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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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von einem Gulden oder einem Thaler hält, zu Gunsten des gemeinen Mannes
auf zehn Silbergroschen herabgesetzt haben.

Das bisher kurhessische Spielbad Reinheim ist durch die Verträge Von
1866 an das Großherzogthum Hessen gefallen, und der dessen-darmstädtische
Minister Freiherr Reinhard v. Dalwigk wird nun Gelegenheit haben, alle die
väterlich wohlmeinenden Absichten, welche er für das leider an Preußen ge¬
fallene Homburg hegte, für das von Kurhessen an Hessen-Darmstadt gefallene
Bad Nauheim zu realisiren, wenn ihm nicht etwa Regierung und Parlament
des norddeutschen Bundesstaats einen Strich durch die Rechnung machen.


4. Das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin.

Hier wird im Bade Doberan vom 16. Juni bis Is. October Roulette und
Pharao gespielt. Das Spiel wird auf Rechnung des Großherzogs betrieben.
Derselbe hat fünf Unternehmer "in Gnaden zu Groupiers ernannt". Diese
erhalten Vom Reingewinn vierzig Procent. Die übrigen sechzig Procent fließen
in die grvßherzogliche Kasse. Wer sich näher unterrichten will, dem empfehlen
wir das treffliche Buch von Moritz Wiggers über die mecklenburgischen Finanzen,
welches ein in die moderne Zeit hineinragendes corrumpirtes Stück Mittelalter
beleuchtet. Die mecklenburger Junker betrachten das Spiel als "eine berechtigte
Eigenthümlichkeit" der Nation der Obotriten und Wenden; und wenn auf dem
Landtag Anträge auftauchen, das Spiel aufzuheben, dann werden solche mit
großer Majorität abgelehnt oder gelangen auch gar nicht zur Verhandlung.


5. Das Herzogthum Nassau.

Die frühere Regierung des Landes zeichnete sich aus durch ihre gastfreund¬
liche Zuvorkommenheit gegen die Fremden, für welche sie Spielbanken gründete,
Während sie ihren eigenen Unterthanen das Spiel an den vom Staate concessionirten
und privilegirten Instituten durch das Gesetz vom 21. November 1827 verbot, unter
Androhung von Geld- und Freiheitsstrafen, welche letztere im Falle wiederholter
Contravention bis zu einem Vierteljahre Arbeitshaus steigen. Eine am 17. No¬
vember 1866 durch den Herzog Adolf concessionirte und privilegirte Actien-
gesellschaft, deren Actien sich vielfach in den Händen der Günstlinge des Hoff,
der Hofdienerschaft und der Staatsbeamten befinden, betreibt das Roulette- und
das treuet-et-<MÄrg,lies-Spiel in Wiesbaden und in Ems. so daß die wunder¬
vollen Heilkräfte dieser berühmten Bäder und Quellen vollständig in den Hinter¬
grund gedrängt sind durch den Glückstisch und die ganze Unsittlichkeit, die an
ihm tafelt und von seinen Brocken lebt. Unter diesen Anhängseln machen sich
am geräuschvollsten und widerwärtigsten bemerkbar die mobilen Colonnen in
Paris abgängig gewordener äsmi-wonäe. Sie werden durch die Spielbank
requirirt, um ihr als Lockvögel zu dienen. Auch zahlt ihnen die Spielbank


Grenzboten I. 18K7, 4

von einem Gulden oder einem Thaler hält, zu Gunsten des gemeinen Mannes
auf zehn Silbergroschen herabgesetzt haben.

Das bisher kurhessische Spielbad Reinheim ist durch die Verträge Von
1866 an das Großherzogthum Hessen gefallen, und der dessen-darmstädtische
Minister Freiherr Reinhard v. Dalwigk wird nun Gelegenheit haben, alle die
väterlich wohlmeinenden Absichten, welche er für das leider an Preußen ge¬
fallene Homburg hegte, für das von Kurhessen an Hessen-Darmstadt gefallene
Bad Nauheim zu realisiren, wenn ihm nicht etwa Regierung und Parlament
des norddeutschen Bundesstaats einen Strich durch die Rechnung machen.


4. Das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin.

Hier wird im Bade Doberan vom 16. Juni bis Is. October Roulette und
Pharao gespielt. Das Spiel wird auf Rechnung des Großherzogs betrieben.
Derselbe hat fünf Unternehmer „in Gnaden zu Groupiers ernannt". Diese
erhalten Vom Reingewinn vierzig Procent. Die übrigen sechzig Procent fließen
in die grvßherzogliche Kasse. Wer sich näher unterrichten will, dem empfehlen
wir das treffliche Buch von Moritz Wiggers über die mecklenburgischen Finanzen,
welches ein in die moderne Zeit hineinragendes corrumpirtes Stück Mittelalter
beleuchtet. Die mecklenburger Junker betrachten das Spiel als „eine berechtigte
Eigenthümlichkeit" der Nation der Obotriten und Wenden; und wenn auf dem
Landtag Anträge auftauchen, das Spiel aufzuheben, dann werden solche mit
großer Majorität abgelehnt oder gelangen auch gar nicht zur Verhandlung.


5. Das Herzogthum Nassau.

Die frühere Regierung des Landes zeichnete sich aus durch ihre gastfreund¬
liche Zuvorkommenheit gegen die Fremden, für welche sie Spielbanken gründete,
Während sie ihren eigenen Unterthanen das Spiel an den vom Staate concessionirten
und privilegirten Instituten durch das Gesetz vom 21. November 1827 verbot, unter
Androhung von Geld- und Freiheitsstrafen, welche letztere im Falle wiederholter
Contravention bis zu einem Vierteljahre Arbeitshaus steigen. Eine am 17. No¬
vember 1866 durch den Herzog Adolf concessionirte und privilegirte Actien-
gesellschaft, deren Actien sich vielfach in den Händen der Günstlinge des Hoff,
der Hofdienerschaft und der Staatsbeamten befinden, betreibt das Roulette- und
das treuet-et-<MÄrg,lies-Spiel in Wiesbaden und in Ems. so daß die wunder¬
vollen Heilkräfte dieser berühmten Bäder und Quellen vollständig in den Hinter¬
grund gedrängt sind durch den Glückstisch und die ganze Unsittlichkeit, die an
ihm tafelt und von seinen Brocken lebt. Unter diesen Anhängseln machen sich
am geräuschvollsten und widerwärtigsten bemerkbar die mobilen Colonnen in
Paris abgängig gewordener äsmi-wonäe. Sie werden durch die Spielbank
requirirt, um ihr als Lockvögel zu dienen. Auch zahlt ihnen die Spielbank


Grenzboten I. 18K7, 4
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/35>, abgerufen am 25.08.2024.