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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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gjngen auf alle diese Anträge ein. nur die auch zu Gunsten Wälschtirols vor¬
geschlagene Beschickung d.er pa.iher Ausstellung wollte ihnen nicht behagen, da
es doch gar zu abnorm schien, der besseren Ausbildung im Lande Bahn zu
brechen. Das Siebenercvmit6 konnte zu feinem Beschlusse kommen, weil
dessen Obmann, der f. k. Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwanter, wegen des pro-
jectirten Belagerungszustandes in Wälscktirol vorerst in Wien ansrug. Die
Antwort lautete ablehnend, die Machthaber hielten auch schon den Vorschlag
von derlei Maßregeln für einen Eingriff in die Executive. Im Grunde ver¬
schlug es wenig, wenn auch das hochnothpeinliche Rüstzeug versagt war. Die
wcilschtirolische Frage galt ja nur als Vorwand, um wieder die Herzenswünsche
der Alttiroler auszugießen, jenes Glujhverlangen nach der Glaubenseinhcit und
die Sehnsucht nach der Zwingburg des Feudalismus. Die Mittel zur Wahrung
der Einheit und Eigenthümlichkeit des Landes blieben nach wie vor die Haupt¬
sache. Der tirolische Großinquisitor Giovanelli ließ sich daher von seinen.
Geistesverwandten im Ausschusse die Abfassung einer Adresse an den Kaiser
auftragen und gönnte dem Freiherrn v. Cresseri den harmlosen Wahn, jene ge-
fürchteten Gewaltmaßregeln durch die Drohung vereitelt zu haben, daß bei
ihrer Anregung der hochwürdigste Fürstbischof von Trient an der Spitze aller
Wälschtiroler aus dem Landtage scheiden würde.

Erst nach Zusage günstiger Aufnahme der allerunterthänigster Bitten des
treuen tiroler Landtags wurde das geistlose Machwerk der Adresse am 17. De¬
cember mit eingebracht und an die Abgeordneten vertheilt; zwei Tage nachher
stand die Verhandlung darüber schon auf der Tagesordnung. Außer einigen servilen
Phrasen enthielt es zunächst das demüthige Ansuchen, der Kaiser wolle peisön-
lich erklären: "daß die gefürstete Grafschaft Tirol in ihrem gegenwärtigen Be¬
stände in ihrer vollen Integrität für immer ""getheilt erhalten bleibe." Daran
reihte sich die fernere um Wahrung der "Eigenthümlichkeiten" des Landes, wozu
in erster Reihe "der fromme Glaube, die reine Sitte der Väter und die Wehr¬
kraft des Volkes" gehörten. Auf diesen beruhe "wesentlich der alttiroiische
Geist". In diesem Stile ging es weiter. Sämmtliche Mitglieder der Linken,
mit alleiniger Ausnahme des Freiherr" v. Cresseri, waren empört über diesen
jesuitischen Fallstrick, der sie der Glaubenseinheit und Sistirungspolitik über¬
liefern sollte. Siebzehn davon erklärten vor der Abstimmung den Saal zu ver¬
lassen und eher ihr Mandat niederzulegen als zur Beschlußfassung, die bei dem
numerischen Uebergewickt der Ultramontanen keinem Zweifel unterlag, mit¬
zuwirken. Nach dem Gesetze stand ihnen frei, sich der Abstimmung zu ent¬
ziehen, und da zum giltigen Beschlusse nach § 38 der Landesordnung die An¬
wesenheit von wenigstens 3ö Abgeordneten nothwendig und nur deren 52
zugegen waren, war durch den Abgang der 17 der thatsächliche Beweis her¬
gestellt, daß der Rest nicht, wie die Ultramontanen prahlten, die Mehrheit ver-


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gjngen auf alle diese Anträge ein. nur die auch zu Gunsten Wälschtirols vor¬
geschlagene Beschickung d.er pa.iher Ausstellung wollte ihnen nicht behagen, da
es doch gar zu abnorm schien, der besseren Ausbildung im Lande Bahn zu
brechen. Das Siebenercvmit6 konnte zu feinem Beschlusse kommen, weil
dessen Obmann, der f. k. Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwanter, wegen des pro-
jectirten Belagerungszustandes in Wälscktirol vorerst in Wien ansrug. Die
Antwort lautete ablehnend, die Machthaber hielten auch schon den Vorschlag
von derlei Maßregeln für einen Eingriff in die Executive. Im Grunde ver¬
schlug es wenig, wenn auch das hochnothpeinliche Rüstzeug versagt war. Die
wcilschtirolische Frage galt ja nur als Vorwand, um wieder die Herzenswünsche
der Alttiroler auszugießen, jenes Glujhverlangen nach der Glaubenseinhcit und
die Sehnsucht nach der Zwingburg des Feudalismus. Die Mittel zur Wahrung
der Einheit und Eigenthümlichkeit des Landes blieben nach wie vor die Haupt¬
sache. Der tirolische Großinquisitor Giovanelli ließ sich daher von seinen.
Geistesverwandten im Ausschusse die Abfassung einer Adresse an den Kaiser
auftragen und gönnte dem Freiherrn v. Cresseri den harmlosen Wahn, jene ge-
fürchteten Gewaltmaßregeln durch die Drohung vereitelt zu haben, daß bei
ihrer Anregung der hochwürdigste Fürstbischof von Trient an der Spitze aller
Wälschtiroler aus dem Landtage scheiden würde.

Erst nach Zusage günstiger Aufnahme der allerunterthänigster Bitten des
treuen tiroler Landtags wurde das geistlose Machwerk der Adresse am 17. De¬
cember mit eingebracht und an die Abgeordneten vertheilt; zwei Tage nachher
stand die Verhandlung darüber schon auf der Tagesordnung. Außer einigen servilen
Phrasen enthielt es zunächst das demüthige Ansuchen, der Kaiser wolle peisön-
lich erklären: „daß die gefürstete Grafschaft Tirol in ihrem gegenwärtigen Be¬
stände in ihrer vollen Integrität für immer »»getheilt erhalten bleibe." Daran
reihte sich die fernere um Wahrung der „Eigenthümlichkeiten" des Landes, wozu
in erster Reihe „der fromme Glaube, die reine Sitte der Väter und die Wehr¬
kraft des Volkes" gehörten. Auf diesen beruhe „wesentlich der alttiroiische
Geist". In diesem Stile ging es weiter. Sämmtliche Mitglieder der Linken,
mit alleiniger Ausnahme des Freiherr« v. Cresseri, waren empört über diesen
jesuitischen Fallstrick, der sie der Glaubenseinheit und Sistirungspolitik über¬
liefern sollte. Siebzehn davon erklärten vor der Abstimmung den Saal zu ver¬
lassen und eher ihr Mandat niederzulegen als zur Beschlußfassung, die bei dem
numerischen Uebergewickt der Ultramontanen keinem Zweifel unterlag, mit¬
zuwirken. Nach dem Gesetze stand ihnen frei, sich der Abstimmung zu ent¬
ziehen, und da zum giltigen Beschlusse nach § 38 der Landesordnung die An¬
wesenheit von wenigstens 3ö Abgeordneten nothwendig und nur deren 52
zugegen waren, war durch den Abgang der 17 der thatsächliche Beweis her¬
gestellt, daß der Rest nicht, wie die Ultramontanen prahlten, die Mehrheit ver-


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[0349] gjngen auf alle diese Anträge ein. nur die auch zu Gunsten Wälschtirols vor¬ geschlagene Beschickung d.er pa.iher Ausstellung wollte ihnen nicht behagen, da es doch gar zu abnorm schien, der besseren Ausbildung im Lande Bahn zu brechen. Das Siebenercvmit6 konnte zu feinem Beschlusse kommen, weil dessen Obmann, der f. k. Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwanter, wegen des pro- jectirten Belagerungszustandes in Wälscktirol vorerst in Wien ansrug. Die Antwort lautete ablehnend, die Machthaber hielten auch schon den Vorschlag von derlei Maßregeln für einen Eingriff in die Executive. Im Grunde ver¬ schlug es wenig, wenn auch das hochnothpeinliche Rüstzeug versagt war. Die wcilschtirolische Frage galt ja nur als Vorwand, um wieder die Herzenswünsche der Alttiroler auszugießen, jenes Glujhverlangen nach der Glaubenseinhcit und die Sehnsucht nach der Zwingburg des Feudalismus. Die Mittel zur Wahrung der Einheit und Eigenthümlichkeit des Landes blieben nach wie vor die Haupt¬ sache. Der tirolische Großinquisitor Giovanelli ließ sich daher von seinen. Geistesverwandten im Ausschusse die Abfassung einer Adresse an den Kaiser auftragen und gönnte dem Freiherrn v. Cresseri den harmlosen Wahn, jene ge- fürchteten Gewaltmaßregeln durch die Drohung vereitelt zu haben, daß bei ihrer Anregung der hochwürdigste Fürstbischof von Trient an der Spitze aller Wälschtiroler aus dem Landtage scheiden würde. Erst nach Zusage günstiger Aufnahme der allerunterthänigster Bitten des treuen tiroler Landtags wurde das geistlose Machwerk der Adresse am 17. De¬ cember mit eingebracht und an die Abgeordneten vertheilt; zwei Tage nachher stand die Verhandlung darüber schon auf der Tagesordnung. Außer einigen servilen Phrasen enthielt es zunächst das demüthige Ansuchen, der Kaiser wolle peisön- lich erklären: „daß die gefürstete Grafschaft Tirol in ihrem gegenwärtigen Be¬ stände in ihrer vollen Integrität für immer »»getheilt erhalten bleibe." Daran reihte sich die fernere um Wahrung der „Eigenthümlichkeiten" des Landes, wozu in erster Reihe „der fromme Glaube, die reine Sitte der Väter und die Wehr¬ kraft des Volkes" gehörten. Auf diesen beruhe „wesentlich der alttiroiische Geist". In diesem Stile ging es weiter. Sämmtliche Mitglieder der Linken, mit alleiniger Ausnahme des Freiherr« v. Cresseri, waren empört über diesen jesuitischen Fallstrick, der sie der Glaubenseinheit und Sistirungspolitik über¬ liefern sollte. Siebzehn davon erklärten vor der Abstimmung den Saal zu ver¬ lassen und eher ihr Mandat niederzulegen als zur Beschlußfassung, die bei dem numerischen Uebergewickt der Ultramontanen keinem Zweifel unterlag, mit¬ zuwirken. Nach dem Gesetze stand ihnen frei, sich der Abstimmung zu ent¬ ziehen, und da zum giltigen Beschlusse nach § 38 der Landesordnung die An¬ wesenheit von wenigstens 3ö Abgeordneten nothwendig und nur deren 52 zugegen waren, war durch den Abgang der 17 der thatsächliche Beweis her¬ gestellt, daß der Rest nicht, wie die Ultramontanen prahlten, die Mehrheit ver- 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/349>, abgerufen am 03.10.2024.