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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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um seinen Naturtrieb zu entfesseln, halte es ihm eins^Noveredo zugesandt. Zit.
lernt Vor Fiebergluth forderte er in der Sitzung vom 26. November gleich nach
Verlesung des Einlaufe das Wort zur Einbringung eines Dringlichkeitsantrags,
und als ihm dieser vorerst schriftlich vom Landeshauptmann abgehcischt wurde,
Körte er gar nicht darauf, sondern versuchte sofort zu sprechen. Erst auf die
Unterbrechung durch den Vorsitzenden überreichte er seinen Antrag, welcher Nieder¬
setzung eines Comites verlangte, das opportune Mittel zum Schutz der Einheit
und Eigenthümlichkeit des Landes berathen solle. , Er meinte damit nichts
Geringeres als die Verhängung des Belagerungszustandes. Die Motive kamen
auf eine Herausforderung der Geistlichkeit hinaus, die durch den Aufruf besudelt
sei, und auf eine Mahnung an die Negierungsorgane, die "für die Kraft des
Kaiserhauses einzustehen haben". Offenbar waren diese dem Staatsklugen Frei-
herrn in der Reaction noch immer nicht weit genug gegangen, denn er ließ ihnen
von den Herren des Nationalcomit<Zs "Schwäche, Halbheit. Feigheit, Charakter¬
losigkeit. Gesinnungslosigkeit" vonversen, während sie sich vielmehr über die
"schreckliche Geißel der Fremdherrschaft" und "die schlechten Künste einer verkehr¬
ten jesuitischen Secte" beschwerten. Diesen Kunstgriff wiederholte er auch in der
nächsten Sitzung, denn seinen Angaben nach war die Negierung selbst bei den
Gutgesinnten in Südtirol Ziel des Spottes, weil "sie das nicht wisse, was
auf den Dächern erzählt und".

An der Debatte, die am 26, November über den giovanelllschen Antrag
statthatte, beiheiligten sich nur Wälschtiroler. Alles galt ihnen nur als toller
Spuk einer kleinen Partei, der Kern, ja die große Masse der Bevölkerung sei
blos nicht für die "strenge Union mit Innsbruck", gleichwohl aber entschieden
schwarzgelb gesinnt. Selbstverständlich kehrten sich die Hartköpfe auf der Rechten
weniger um die politische Rechenkunst als ihre Parole, die Aufstellung des con-
servativen Wohlfahrtsausschusses wurde von der Mehrheit angenommen und
ausgeführt.

Von liberaler Seite wurden nun verschiedene Anträge eingebracht, die im
Gegensatze zu den Verehrern des östreichischen Coiporalstocks die Hebung des
materiellen Wohlstands in Wälschtirol und die Verbindung seiner Interessen
mit denen der deutschen Lander bezweckten. Man drang auf die Herstellung
einer Eisenbahn von Vliland nach Buxen, die auch sogleich vom k. k. Handels¬
ministerium zugesichert wurde, und einer ferneren von Innsbruck über den Arl-
berg nach Bregenz, da beide den Transit der Güter aus dem Orient nach dem
Westen durch Tirol vermitteln sollten, auf die Einleitung von Zvllerleichterungen
für Ausfuhr von Getreide und anderen Objecten des täglichen Bedarfs aus
Italien und Einfuhr lebendes Viehes dahin, endlich Heiabminderung des Ein¬
suhrzolles für den Wein in die Staaten des deutschen Zollvereins, die auch
grade jetzt mit Preußen in Wien berathen werden sollten. Die Ultramontanen


um seinen Naturtrieb zu entfesseln, halte es ihm eins^Noveredo zugesandt. Zit.
lernt Vor Fiebergluth forderte er in der Sitzung vom 26. November gleich nach
Verlesung des Einlaufe das Wort zur Einbringung eines Dringlichkeitsantrags,
und als ihm dieser vorerst schriftlich vom Landeshauptmann abgehcischt wurde,
Körte er gar nicht darauf, sondern versuchte sofort zu sprechen. Erst auf die
Unterbrechung durch den Vorsitzenden überreichte er seinen Antrag, welcher Nieder¬
setzung eines Comites verlangte, das opportune Mittel zum Schutz der Einheit
und Eigenthümlichkeit des Landes berathen solle. , Er meinte damit nichts
Geringeres als die Verhängung des Belagerungszustandes. Die Motive kamen
auf eine Herausforderung der Geistlichkeit hinaus, die durch den Aufruf besudelt
sei, und auf eine Mahnung an die Negierungsorgane, die „für die Kraft des
Kaiserhauses einzustehen haben". Offenbar waren diese dem Staatsklugen Frei-
herrn in der Reaction noch immer nicht weit genug gegangen, denn er ließ ihnen
von den Herren des Nationalcomit<Zs „Schwäche, Halbheit. Feigheit, Charakter¬
losigkeit. Gesinnungslosigkeit" vonversen, während sie sich vielmehr über die
„schreckliche Geißel der Fremdherrschaft" und „die schlechten Künste einer verkehr¬
ten jesuitischen Secte" beschwerten. Diesen Kunstgriff wiederholte er auch in der
nächsten Sitzung, denn seinen Angaben nach war die Negierung selbst bei den
Gutgesinnten in Südtirol Ziel des Spottes, weil „sie das nicht wisse, was
auf den Dächern erzählt und".

An der Debatte, die am 26, November über den giovanelllschen Antrag
statthatte, beiheiligten sich nur Wälschtiroler. Alles galt ihnen nur als toller
Spuk einer kleinen Partei, der Kern, ja die große Masse der Bevölkerung sei
blos nicht für die „strenge Union mit Innsbruck", gleichwohl aber entschieden
schwarzgelb gesinnt. Selbstverständlich kehrten sich die Hartköpfe auf der Rechten
weniger um die politische Rechenkunst als ihre Parole, die Aufstellung des con-
servativen Wohlfahrtsausschusses wurde von der Mehrheit angenommen und
ausgeführt.

Von liberaler Seite wurden nun verschiedene Anträge eingebracht, die im
Gegensatze zu den Verehrern des östreichischen Coiporalstocks die Hebung des
materiellen Wohlstands in Wälschtirol und die Verbindung seiner Interessen
mit denen der deutschen Lander bezweckten. Man drang auf die Herstellung
einer Eisenbahn von Vliland nach Buxen, die auch sogleich vom k. k. Handels¬
ministerium zugesichert wurde, und einer ferneren von Innsbruck über den Arl-
berg nach Bregenz, da beide den Transit der Güter aus dem Orient nach dem
Westen durch Tirol vermitteln sollten, auf die Einleitung von Zvllerleichterungen
für Ausfuhr von Getreide und anderen Objecten des täglichen Bedarfs aus
Italien und Einfuhr lebendes Viehes dahin, endlich Heiabminderung des Ein¬
suhrzolles für den Wein in die Staaten des deutschen Zollvereins, die auch
grade jetzt mit Preußen in Wien berathen werden sollten. Die Ultramontanen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/348>, abgerufen am 03.10.2024.