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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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sein Vorleben erinnerte. Der ErzPriester Strosio von Roveredo. der dritte nach
links, bewährte sich in seinen vorigen Landtagssermonen wenigstens als guter
Kanzelredner, verharrte aber diesmal hartnäckig beim Schweigen. Die übrigen
Geistlichen zur Rechten ließen ebenfalls wenig von sich hören.

Hinter der "Prälatenbank" theilt sich auch der tiroler Landtag mit Verzicht
auf seine historischen Erinnerungen und Privilegien in Rechts und Links. Die
Rechte zählte in der letzten Session mit Inbegriff der Geistlichen 32 Mitglieder,
wovon der stumme Schweif mit unerschütterlicher Glaubenstreue zur schwarzen
Fahne schwur. Am öftesten sprach ihr Chorführer Joseph Greuter, Abgeord¬
neter der Landgemeinden Landeck, Ried und Nauders, auch Religionslehrer am
innsbrucker Gymnasium und Redacteur der obscurer "Tiroler Stimmen-, denen
von den Liberalen Innsbrucks eine unverdiente Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Er erhebt sich nie über den Standpunkt eines redseligen, polternden und schalen
Kapuziners, was ihm den Scheltnamen "Phrasensepp" zuzog. Finster und
grollend blickt er in die Welt hinein, und was er Witz nennt, erntet nur den
Beifall der Bierhalle. Durch gewählteren Umgang geschult, spricht einer der
beiden Vertreter des Zillerthals. Dr. Andreas v. Gredler, der ehemalige wiener
Advocat. nun Verwaltungsrath der privilegirten östreichischen Creditanstalt für
Handel und Gewerbe. Seine Jugenderinnerungen und noch mehr die jetzigen
Verbindungen, überdies die Stellung seines Sohnes als Iägcrhauptmann be¬
herrschen seine politische Haltung. An seiner Seite thront der gewichtige f. k.
Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwanter. Eine stattliche Figur, dickleibig und stämmig,
mit einem vollen Gesichte, wie weiland der Vater der Landsknechte Georg von
Frundsberg. Durch das tiefgefühlte Bewußtsein der Inspiration von oben und
des Schutzes der in Tirol Allvermögenden gehoben, gerirt er sich als Obmann
der Rechten. Sein Wort gilt als das letzte und entscheidende, wenn auch der
fahle, lendenlahme und langgestreckte Freiherr Ignaz v. Giovanelli ihm oft
genug den Vorrang im Stocktirolerthum streitig macht. Dieser ist nach außen
und innen ein Jesuit vom Wirbel bis zur Zehe. Ultramontan, feudal, abso-
lutistisch, ein echter Sohn seines Vaters, der die "katholischen Zillerthaler ver¬
treiben und die Loyvliten berufen half, ist er päpstlicher als der Papst und kai¬
serlicher als der Kaiser. Obwohl unermüdet im Schimpf über das "halbgebildete
/ Schreibergesindel. das aus den Zeitungen politische Weisheit schöpft", holt er
die seine doch nur aus dem Leibjournal der czcchischcn Makler, dem "Vater¬
land" und reicht trotz allen Dünkels mit seiner Kenntniß nicht eine Hand hoch
über den Criminalcodex.

Leider stehen auch einige Herren auf der Linken solchen Anschauungen nicht
allzufern, namentlich die Wälschtiroler. Da begegnen wir gleich hinter den
Geistlichen dem k. k. Kleisgerichtspräsidenten von Trient Mathias Freiherrn
v. Cresseri, einem Manne, der früher in der Glaubensfrage mit den Ketzer-


sein Vorleben erinnerte. Der ErzPriester Strosio von Roveredo. der dritte nach
links, bewährte sich in seinen vorigen Landtagssermonen wenigstens als guter
Kanzelredner, verharrte aber diesmal hartnäckig beim Schweigen. Die übrigen
Geistlichen zur Rechten ließen ebenfalls wenig von sich hören.

Hinter der „Prälatenbank" theilt sich auch der tiroler Landtag mit Verzicht
auf seine historischen Erinnerungen und Privilegien in Rechts und Links. Die
Rechte zählte in der letzten Session mit Inbegriff der Geistlichen 32 Mitglieder,
wovon der stumme Schweif mit unerschütterlicher Glaubenstreue zur schwarzen
Fahne schwur. Am öftesten sprach ihr Chorführer Joseph Greuter, Abgeord¬
neter der Landgemeinden Landeck, Ried und Nauders, auch Religionslehrer am
innsbrucker Gymnasium und Redacteur der obscurer „Tiroler Stimmen-, denen
von den Liberalen Innsbrucks eine unverdiente Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Er erhebt sich nie über den Standpunkt eines redseligen, polternden und schalen
Kapuziners, was ihm den Scheltnamen „Phrasensepp" zuzog. Finster und
grollend blickt er in die Welt hinein, und was er Witz nennt, erntet nur den
Beifall der Bierhalle. Durch gewählteren Umgang geschult, spricht einer der
beiden Vertreter des Zillerthals. Dr. Andreas v. Gredler, der ehemalige wiener
Advocat. nun Verwaltungsrath der privilegirten östreichischen Creditanstalt für
Handel und Gewerbe. Seine Jugenderinnerungen und noch mehr die jetzigen
Verbindungen, überdies die Stellung seines Sohnes als Iägcrhauptmann be¬
herrschen seine politische Haltung. An seiner Seite thront der gewichtige f. k.
Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwanter. Eine stattliche Figur, dickleibig und stämmig,
mit einem vollen Gesichte, wie weiland der Vater der Landsknechte Georg von
Frundsberg. Durch das tiefgefühlte Bewußtsein der Inspiration von oben und
des Schutzes der in Tirol Allvermögenden gehoben, gerirt er sich als Obmann
der Rechten. Sein Wort gilt als das letzte und entscheidende, wenn auch der
fahle, lendenlahme und langgestreckte Freiherr Ignaz v. Giovanelli ihm oft
genug den Vorrang im Stocktirolerthum streitig macht. Dieser ist nach außen
und innen ein Jesuit vom Wirbel bis zur Zehe. Ultramontan, feudal, abso-
lutistisch, ein echter Sohn seines Vaters, der die «katholischen Zillerthaler ver¬
treiben und die Loyvliten berufen half, ist er päpstlicher als der Papst und kai¬
serlicher als der Kaiser. Obwohl unermüdet im Schimpf über das „halbgebildete
/ Schreibergesindel. das aus den Zeitungen politische Weisheit schöpft", holt er
die seine doch nur aus dem Leibjournal der czcchischcn Makler, dem „Vater¬
land" und reicht trotz allen Dünkels mit seiner Kenntniß nicht eine Hand hoch
über den Criminalcodex.

Leider stehen auch einige Herren auf der Linken solchen Anschauungen nicht
allzufern, namentlich die Wälschtiroler. Da begegnen wir gleich hinter den
Geistlichen dem k. k. Kleisgerichtspräsidenten von Trient Mathias Freiherrn
v. Cresseri, einem Manne, der früher in der Glaubensfrage mit den Ketzer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/344>, abgerufen am 03.10.2024.