Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die allgemeine Wehrpflicht und die Kaufleute.

Die Handelskammern von Hamburg und Bremen haben im Interesse des
deutschen Welthandels eine Einschränkung der allgemeinen Wehrpflicht empfohlen,
dahingehend, daß Kaufleute, weiche in transatlantischen Plätzen, d, h. außerhalb
Europas, feste Anstellungen gefunden oder eigene Geschäfte gegründet haben,
sowohl von den Uebungen der Reserve und der Landwehr als von der Ein¬
stellung bei Mobilmachungen befreit bleiben möchten. Die Stettiner Handels¬
kammer hat schon im Jahre 1861 eine ähnliche Forderung geltend gemacht,
damals natürlich für Preußen allein; die Aeltesten der danziger Kaufmannschaft
sind gegenwärtig dem Verlangen der Hansestädte beigetreten. Wir haben es
hier also -wohl ohne Zweifel mit einem Wunsche des gesammten deutschen Gro߬
handelsstandes zu thun.

Dieser Wunsch darf nicht verwechselt werden mit einer sehr unzeitigen
Agitation, welche vor einigen Jahren in rheinpreußischen Jndustrieplätzen zu
Tage trat, gerichtet auf Einführung der Stellvertretung im preußischen Heere.
Die Begründung war allerdings auch damals der besonderen Lage des Kauf¬
mannsstandes entnommen, welche für ihn die allgemeine Wehrpflicht, die
andere Stände vergleichsweise wenig drücke oder wohl gar überwiegend fordere,
zü einer außerordentlichen Last macht. Sie entreiße den jungen Geschäftsmann
der eben begonnenen Carriöre oder nöthige ihn, dieselbe später einzuschlagen,
nicht ohne ihn dadurch innerhalb derselben empfindlich zu beeinträchtigen. Weder
von dem Landwirth, noch von dem Handwerker, noch vollends von dem Fabrik¬
arbeiter oder Tagelöhner könne dasselbe gesagt werden; und was endlich die Stu-
direnden betreffe, so seien dieselben im Staude, ihre Studien neben der Ablcistnng
des Freiwilligenjahres fast ohne alle Verkürzung fortzusetzen. Die Gründe waren
an sich nicht unrichtig, allein sie reichten bei weitem nicht hin, die Nothwendig¬
keit oder auch nur die Zuläsffgkcit einer Exemtion von der allgemeinen Wehr¬
pflicht, diesem Grundpfeiler des Staats, geschweige denn ihrer Ersetzung durch


Grenzboten I. 1867.
Die allgemeine Wehrpflicht und die Kaufleute.

Die Handelskammern von Hamburg und Bremen haben im Interesse des
deutschen Welthandels eine Einschränkung der allgemeinen Wehrpflicht empfohlen,
dahingehend, daß Kaufleute, weiche in transatlantischen Plätzen, d, h. außerhalb
Europas, feste Anstellungen gefunden oder eigene Geschäfte gegründet haben,
sowohl von den Uebungen der Reserve und der Landwehr als von der Ein¬
stellung bei Mobilmachungen befreit bleiben möchten. Die Stettiner Handels¬
kammer hat schon im Jahre 1861 eine ähnliche Forderung geltend gemacht,
damals natürlich für Preußen allein; die Aeltesten der danziger Kaufmannschaft
sind gegenwärtig dem Verlangen der Hansestädte beigetreten. Wir haben es
hier also -wohl ohne Zweifel mit einem Wunsche des gesammten deutschen Gro߬
handelsstandes zu thun.

Dieser Wunsch darf nicht verwechselt werden mit einer sehr unzeitigen
Agitation, welche vor einigen Jahren in rheinpreußischen Jndustrieplätzen zu
Tage trat, gerichtet auf Einführung der Stellvertretung im preußischen Heere.
Die Begründung war allerdings auch damals der besonderen Lage des Kauf¬
mannsstandes entnommen, welche für ihn die allgemeine Wehrpflicht, die
andere Stände vergleichsweise wenig drücke oder wohl gar überwiegend fordere,
zü einer außerordentlichen Last macht. Sie entreiße den jungen Geschäftsmann
der eben begonnenen Carriöre oder nöthige ihn, dieselbe später einzuschlagen,
nicht ohne ihn dadurch innerhalb derselben empfindlich zu beeinträchtigen. Weder
von dem Landwirth, noch von dem Handwerker, noch vollends von dem Fabrik¬
arbeiter oder Tagelöhner könne dasselbe gesagt werden; und was endlich die Stu-
direnden betreffe, so seien dieselben im Staude, ihre Studien neben der Ablcistnng
des Freiwilligenjahres fast ohne alle Verkürzung fortzusetzen. Die Gründe waren
an sich nicht unrichtig, allein sie reichten bei weitem nicht hin, die Nothwendig¬
keit oder auch nur die Zuläsffgkcit einer Exemtion von der allgemeinen Wehr¬
pflicht, diesem Grundpfeiler des Staats, geschweige denn ihrer Ersetzung durch


Grenzboten I. 1867.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190450"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die allgemeine Wehrpflicht und die Kaufleute.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1012"> Die Handelskammern von Hamburg und Bremen haben im Interesse des<lb/>
deutschen Welthandels eine Einschränkung der allgemeinen Wehrpflicht empfohlen,<lb/>
dahingehend, daß Kaufleute, weiche in transatlantischen Plätzen, d, h. außerhalb<lb/>
Europas, feste Anstellungen gefunden oder eigene Geschäfte gegründet haben,<lb/>
sowohl von den Uebungen der Reserve und der Landwehr als von der Ein¬<lb/>
stellung bei Mobilmachungen befreit bleiben möchten. Die Stettiner Handels¬<lb/>
kammer hat schon im Jahre 1861 eine ähnliche Forderung geltend gemacht,<lb/>
damals natürlich für Preußen allein; die Aeltesten der danziger Kaufmannschaft<lb/>
sind gegenwärtig dem Verlangen der Hansestädte beigetreten. Wir haben es<lb/>
hier also -wohl ohne Zweifel mit einem Wunsche des gesammten deutschen Gro߬<lb/>
handelsstandes zu thun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1013" next="#ID_1014"> Dieser Wunsch darf nicht verwechselt werden mit einer sehr unzeitigen<lb/>
Agitation, welche vor einigen Jahren in rheinpreußischen Jndustrieplätzen zu<lb/>
Tage trat, gerichtet auf Einführung der Stellvertretung im preußischen Heere.<lb/>
Die Begründung war allerdings auch damals der besonderen Lage des Kauf¬<lb/>
mannsstandes entnommen, welche für ihn die allgemeine Wehrpflicht, die<lb/>
andere Stände vergleichsweise wenig drücke oder wohl gar überwiegend fordere,<lb/>
zü einer außerordentlichen Last macht. Sie entreiße den jungen Geschäftsmann<lb/>
der eben begonnenen Carriöre oder nöthige ihn, dieselbe später einzuschlagen,<lb/>
nicht ohne ihn dadurch innerhalb derselben empfindlich zu beeinträchtigen. Weder<lb/>
von dem Landwirth, noch von dem Handwerker, noch vollends von dem Fabrik¬<lb/>
arbeiter oder Tagelöhner könne dasselbe gesagt werden; und was endlich die Stu-<lb/>
direnden betreffe, so seien dieselben im Staude, ihre Studien neben der Ablcistnng<lb/>
des Freiwilligenjahres fast ohne alle Verkürzung fortzusetzen. Die Gründe waren<lb/>
an sich nicht unrichtig, allein sie reichten bei weitem nicht hin, die Nothwendig¬<lb/>
keit oder auch nur die Zuläsffgkcit einer Exemtion von der allgemeinen Wehr¬<lb/>
pflicht, diesem Grundpfeiler des Staats, geschweige denn ihrer Ersetzung durch</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1867.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] Die allgemeine Wehrpflicht und die Kaufleute. Die Handelskammern von Hamburg und Bremen haben im Interesse des deutschen Welthandels eine Einschränkung der allgemeinen Wehrpflicht empfohlen, dahingehend, daß Kaufleute, weiche in transatlantischen Plätzen, d, h. außerhalb Europas, feste Anstellungen gefunden oder eigene Geschäfte gegründet haben, sowohl von den Uebungen der Reserve und der Landwehr als von der Ein¬ stellung bei Mobilmachungen befreit bleiben möchten. Die Stettiner Handels¬ kammer hat schon im Jahre 1861 eine ähnliche Forderung geltend gemacht, damals natürlich für Preußen allein; die Aeltesten der danziger Kaufmannschaft sind gegenwärtig dem Verlangen der Hansestädte beigetreten. Wir haben es hier also -wohl ohne Zweifel mit einem Wunsche des gesammten deutschen Gro߬ handelsstandes zu thun. Dieser Wunsch darf nicht verwechselt werden mit einer sehr unzeitigen Agitation, welche vor einigen Jahren in rheinpreußischen Jndustrieplätzen zu Tage trat, gerichtet auf Einführung der Stellvertretung im preußischen Heere. Die Begründung war allerdings auch damals der besonderen Lage des Kauf¬ mannsstandes entnommen, welche für ihn die allgemeine Wehrpflicht, die andere Stände vergleichsweise wenig drücke oder wohl gar überwiegend fordere, zü einer außerordentlichen Last macht. Sie entreiße den jungen Geschäftsmann der eben begonnenen Carriöre oder nöthige ihn, dieselbe später einzuschlagen, nicht ohne ihn dadurch innerhalb derselben empfindlich zu beeinträchtigen. Weder von dem Landwirth, noch von dem Handwerker, noch vollends von dem Fabrik¬ arbeiter oder Tagelöhner könne dasselbe gesagt werden; und was endlich die Stu- direnden betreffe, so seien dieselben im Staude, ihre Studien neben der Ablcistnng des Freiwilligenjahres fast ohne alle Verkürzung fortzusetzen. Die Gründe waren an sich nicht unrichtig, allein sie reichten bei weitem nicht hin, die Nothwendig¬ keit oder auch nur die Zuläsffgkcit einer Exemtion von der allgemeinen Wehr¬ pflicht, diesem Grundpfeiler des Staats, geschweige denn ihrer Ersetzung durch Grenzboten I. 1867.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/291>, abgerufen am 23.12.2024.