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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Von Lyrik nenne ich nur A. Miihls "Lyrische Versuche" und "Aus der
Jugendzeit". Gedichte von E. v. Destouches. ---

Wir werden dieses Jahr Frieden behalten. Dies hofft nicht nur Napoleon
wegen der pariser Ausstellung und der gewöhnliche Mensch, beiß er sich in
Friede" des Sommers erfreue, sondern auch der Buchhändler, daß er Reisekarlen
verkaufe und Reisebücher. Ja, er denkt schon weiter hinaus. Den" das Jahr
1867 wird in der späteren Geschichte auch deshalb von Wichtigkeit sein, weil
es zuerst das ewige Autorrecht praktisch über den Haufen wirft. Selten sind
wohl sie Literaturgeschichten und Convcrsationslexika so eifrig nach deutschen
Klassikern und solchen, die es sein könnten, durchsucht worden, um die zu finden,
die vor dem 9. November 1837 gestorben sind. Ihre Werke werden vogelfrei
und jedes Jahr wird neue dazu bringen. Es wäre interessant, zu wisse", wie
viel Papier daraufhin mehr verdruck! wird als sonst. Denn daß die Lebenden
nun vorerst zu Gunsten der Todten auss Gedrucktwerden verzichteten, wäre eine
unbillige Zumuthung.

Ob auch in demselben Maße sortgekauft wird? Wohl kaum! Dann kommt
vielleicht die Zeit, wo Lichtenbergs witzige Antwort auf die Frage, was man
brennen soll, wenn wir unsere Wälder alle abgeholzt, praktisch wird: "O, wenn
die Wälder ausgehauen sind, könne" wir sicherlich so lange Bücher brennen,
bis neuer Vorrath angewachsen ist."




Die Stuttgarter Conferenz.

In denselben Tagen, in welchen voraussichtlich die definitive Grundlegung
der norddeutschen Bu"desverfassu"g erfolgt, treten die süddeutschen Staaten
aus ihrer verdrießlichen Thatlosigleit, und zeichnet sich ihr Verhältniß unter sich,
wie ihr Verhältniß zum Nvrdbund in schärferen Zügen. Der provisorische Zu¬
stand des neuen Deutschlands nimmt nach allen Seiten bestimmtere Gestalt an,
ohne deshalb von seinem provisorischen Charakter zu verlieren.

Das Ministerium Hohenlohe ist im Süden als die Erlösung von einem
auf die Dauer unerträglichen Zustand der Nathlvsigkeir und stumpfen Geschehen-
lassens begrüßt worden. In Laden war der beste Wille vorhanden, aber der
erste Anlauf, in den norddeutschen Bund aufgenommen zu werden, oder auch


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Von Lyrik nenne ich nur A. Miihls „Lyrische Versuche" und „Aus der
Jugendzeit". Gedichte von E. v. Destouches. —-

Wir werden dieses Jahr Frieden behalten. Dies hofft nicht nur Napoleon
wegen der pariser Ausstellung und der gewöhnliche Mensch, beiß er sich in
Friede» des Sommers erfreue, sondern auch der Buchhändler, daß er Reisekarlen
verkaufe und Reisebücher. Ja, er denkt schon weiter hinaus. Den» das Jahr
1867 wird in der späteren Geschichte auch deshalb von Wichtigkeit sein, weil
es zuerst das ewige Autorrecht praktisch über den Haufen wirft. Selten sind
wohl sie Literaturgeschichten und Convcrsationslexika so eifrig nach deutschen
Klassikern und solchen, die es sein könnten, durchsucht worden, um die zu finden,
die vor dem 9. November 1837 gestorben sind. Ihre Werke werden vogelfrei
und jedes Jahr wird neue dazu bringen. Es wäre interessant, zu wisse», wie
viel Papier daraufhin mehr verdruck! wird als sonst. Denn daß die Lebenden
nun vorerst zu Gunsten der Todten auss Gedrucktwerden verzichteten, wäre eine
unbillige Zumuthung.

Ob auch in demselben Maße sortgekauft wird? Wohl kaum! Dann kommt
vielleicht die Zeit, wo Lichtenbergs witzige Antwort auf die Frage, was man
brennen soll, wenn wir unsere Wälder alle abgeholzt, praktisch wird: „O, wenn
die Wälder ausgehauen sind, könne» wir sicherlich so lange Bücher brennen,
bis neuer Vorrath angewachsen ist."




Die Stuttgarter Conferenz.

In denselben Tagen, in welchen voraussichtlich die definitive Grundlegung
der norddeutschen Bu»desverfassu»g erfolgt, treten die süddeutschen Staaten
aus ihrer verdrießlichen Thatlosigleit, und zeichnet sich ihr Verhältniß unter sich,
wie ihr Verhältniß zum Nvrdbund in schärferen Zügen. Der provisorische Zu¬
stand des neuen Deutschlands nimmt nach allen Seiten bestimmtere Gestalt an,
ohne deshalb von seinem provisorischen Charakter zu verlieren.

Das Ministerium Hohenlohe ist im Süden als die Erlösung von einem
auf die Dauer unerträglichen Zustand der Nathlvsigkeir und stumpfen Geschehen-
lassens begrüßt worden. In Laden war der beste Wille vorhanden, aber der
erste Anlauf, in den norddeutschen Bund aufgenommen zu werden, oder auch


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[0285] Von Lyrik nenne ich nur A. Miihls „Lyrische Versuche" und „Aus der Jugendzeit". Gedichte von E. v. Destouches. —- Wir werden dieses Jahr Frieden behalten. Dies hofft nicht nur Napoleon wegen der pariser Ausstellung und der gewöhnliche Mensch, beiß er sich in Friede» des Sommers erfreue, sondern auch der Buchhändler, daß er Reisekarlen verkaufe und Reisebücher. Ja, er denkt schon weiter hinaus. Den» das Jahr 1867 wird in der späteren Geschichte auch deshalb von Wichtigkeit sein, weil es zuerst das ewige Autorrecht praktisch über den Haufen wirft. Selten sind wohl sie Literaturgeschichten und Convcrsationslexika so eifrig nach deutschen Klassikern und solchen, die es sein könnten, durchsucht worden, um die zu finden, die vor dem 9. November 1837 gestorben sind. Ihre Werke werden vogelfrei und jedes Jahr wird neue dazu bringen. Es wäre interessant, zu wisse», wie viel Papier daraufhin mehr verdruck! wird als sonst. Denn daß die Lebenden nun vorerst zu Gunsten der Todten auss Gedrucktwerden verzichteten, wäre eine unbillige Zumuthung. Ob auch in demselben Maße sortgekauft wird? Wohl kaum! Dann kommt vielleicht die Zeit, wo Lichtenbergs witzige Antwort auf die Frage, was man brennen soll, wenn wir unsere Wälder alle abgeholzt, praktisch wird: „O, wenn die Wälder ausgehauen sind, könne» wir sicherlich so lange Bücher brennen, bis neuer Vorrath angewachsen ist." Die Stuttgarter Conferenz. In denselben Tagen, in welchen voraussichtlich die definitive Grundlegung der norddeutschen Bu»desverfassu»g erfolgt, treten die süddeutschen Staaten aus ihrer verdrießlichen Thatlosigleit, und zeichnet sich ihr Verhältniß unter sich, wie ihr Verhältniß zum Nvrdbund in schärferen Zügen. Der provisorische Zu¬ stand des neuen Deutschlands nimmt nach allen Seiten bestimmtere Gestalt an, ohne deshalb von seinem provisorischen Charakter zu verlieren. Das Ministerium Hohenlohe ist im Süden als die Erlösung von einem auf die Dauer unerträglichen Zustand der Nathlvsigkeir und stumpfen Geschehen- lassens begrüßt worden. In Laden war der beste Wille vorhanden, aber der erste Anlauf, in den norddeutschen Bund aufgenommen zu werden, oder auch .35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/285>, abgerufen am 22.12.2024.