Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.antlitz unter dem stattlichen Turban, mit den regelmäßig schönen Zügen, mit Schön und ausdrucksvoll ist schon des Türken Gruß; mit welchem Anstand Mit der Geradheit und Noblesse des Charakters hängt des Türken Bieder¬ Mit jenen Charakterzügen hängt eng zusammen der Sinn für das Decorum, antlitz unter dem stattlichen Turban, mit den regelmäßig schönen Zügen, mit Schön und ausdrucksvoll ist schon des Türken Gruß; mit welchem Anstand Mit der Geradheit und Noblesse des Charakters hängt des Türken Bieder¬ Mit jenen Charakterzügen hängt eng zusammen der Sinn für das Decorum, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190427"/> <p xml:id="ID_922" prev="#ID_921"> antlitz unter dem stattlichen Turban, mit den regelmäßig schönen Zügen, mit<lb/> den klaren, klugen Angen, mit dem hinabfließenden Silberhaar des wohlgepflegten<lb/> Bartes. Man findet solcher Köpfe auf allen Gassen, in jedem Cas6; wer aber<lb/> einmal den Scheit ni Islam, das Haupt der muhamedanischen Geistlichkeit oder<lb/> den Scheit der Derwische gesehen hat, vergißt diese ehrwürdigen Gestalten voll<lb/> natürlich feierlichen Ernstes sein Lebe» hindurch nicht wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_923"> Schön und ausdrucksvoll ist schon des Türken Gruß; mit welchem Anstand<lb/> neigt er sich zur Erde, tief, daß er nut der geöffneten Hand den Staub fast<lb/> berührt; und wenn er dann sich aufrichtend die Hand an Brust und Lippen<lb/> und Stirn führt, thut er es mit solchem Ernst, daß man sieht, er bleibt sich<lb/> stets der Bedeutung der Geberde bewußt, welche sagt: ich nehme diesen Staub<lb/> von der Erde zum Zeichen der Ehrfurcht, führe ihn an die Brust zum Zeichen<lb/> meiner Treue, küsse ihn zum Zeichen meiner Liebe, und lege ihn auf mein Haupt<lb/> zum Zeichen, daß ich über dein Wohl wache; das alles aber zum Zeichen, daß<lb/> ich mit Herz und Gedanken und Rede dir angehöre.</p><lb/> <p xml:id="ID_924"> Mit der Geradheit und Noblesse des Charakters hängt des Türken Bieder¬<lb/> keit und Ehrlichkeit zusammen, die sprichwörtlich geworden ist gegenüber grie¬<lb/> chischer und armenischer Falschheit. „Ein türkischer Händler, so geht die Rede,<lb/> schiebt das Geld zurück, wenn du ihm zu wenig bietest; denn er betrügt nicht<lb/> und will auch nicht betrogen sein; ein Grieche nimmt es und lamentire, giebt<lb/> sich aber schließlich doch zufrieden; denn weil er betrügt, findet er es natürlich, daß<lb/> er wieder betrogen wird. Durch ganz Stambul kannst du >n finsterer Nacht mit<lb/> einem Geldsack auf dem Rücken ungefährdet gehen; in Per« und Galata (den<lb/> fränkischen Quartieren) wird dir bei Hellem Tage der Beutel aus der Tasche<lb/> gezogen." Und so ist es in der That; Betrug und Uebervvrtheilung im Handel<lb/> und Wandel gehört zu den großen Seltenheiten. Einem Türken kann der<lb/> Fremde die unbekannten Münzsorten getrost hinreichen, daß er sich das ihm<lb/> Zukommende heraussuche; einem Griechen gegenüber wäre solches Bertrauen<lb/> sehr übel angebracht.</p><lb/> <p xml:id="ID_925" next="#ID_926"> Mit jenen Charakterzügen hängt eng zusammen der Sinn für das Decorum,<lb/> für äußern Anstand und Sitte, der in dem ganzen Volke lebt. Nie wird man<lb/> Scenen der Roheit und Gemeinheit wahrnehmen, wie wir sie in unserem civi-<lb/> lisirten Europa täglich mit ansehen. Selbst bei Gelegenheiten, wo Ausgelassen¬<lb/> heit und zügelloses Wesen selbstverständlich erscheinen, wie z. B. bei Volksfesten,<lb/> ist die Haltung der Menge stets anständig. Der Wein ist ihnen vom Koran<lb/> untersagt, und die Masse des Volkes respectirt das Verbot; aber sie greisen<lb/> auch nicht nach Surrogaten; wir wüßten nicht, je einem trunkenen Türken be¬<lb/> gegnet zu sein; der Opiumrausch gehört jetzt wenigstens in das Reich der<lb/> vielen der Türkei angedichteten Märchen. In einigen Kaffeehäusern an der<lb/> herrlichen Moschee Sulimcms des Prächtigen soll noch zuweilen vor nicht langer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
antlitz unter dem stattlichen Turban, mit den regelmäßig schönen Zügen, mit
den klaren, klugen Angen, mit dem hinabfließenden Silberhaar des wohlgepflegten
Bartes. Man findet solcher Köpfe auf allen Gassen, in jedem Cas6; wer aber
einmal den Scheit ni Islam, das Haupt der muhamedanischen Geistlichkeit oder
den Scheit der Derwische gesehen hat, vergißt diese ehrwürdigen Gestalten voll
natürlich feierlichen Ernstes sein Lebe» hindurch nicht wieder.
Schön und ausdrucksvoll ist schon des Türken Gruß; mit welchem Anstand
neigt er sich zur Erde, tief, daß er nut der geöffneten Hand den Staub fast
berührt; und wenn er dann sich aufrichtend die Hand an Brust und Lippen
und Stirn führt, thut er es mit solchem Ernst, daß man sieht, er bleibt sich
stets der Bedeutung der Geberde bewußt, welche sagt: ich nehme diesen Staub
von der Erde zum Zeichen der Ehrfurcht, führe ihn an die Brust zum Zeichen
meiner Treue, küsse ihn zum Zeichen meiner Liebe, und lege ihn auf mein Haupt
zum Zeichen, daß ich über dein Wohl wache; das alles aber zum Zeichen, daß
ich mit Herz und Gedanken und Rede dir angehöre.
Mit der Geradheit und Noblesse des Charakters hängt des Türken Bieder¬
keit und Ehrlichkeit zusammen, die sprichwörtlich geworden ist gegenüber grie¬
chischer und armenischer Falschheit. „Ein türkischer Händler, so geht die Rede,
schiebt das Geld zurück, wenn du ihm zu wenig bietest; denn er betrügt nicht
und will auch nicht betrogen sein; ein Grieche nimmt es und lamentire, giebt
sich aber schließlich doch zufrieden; denn weil er betrügt, findet er es natürlich, daß
er wieder betrogen wird. Durch ganz Stambul kannst du >n finsterer Nacht mit
einem Geldsack auf dem Rücken ungefährdet gehen; in Per« und Galata (den
fränkischen Quartieren) wird dir bei Hellem Tage der Beutel aus der Tasche
gezogen." Und so ist es in der That; Betrug und Uebervvrtheilung im Handel
und Wandel gehört zu den großen Seltenheiten. Einem Türken kann der
Fremde die unbekannten Münzsorten getrost hinreichen, daß er sich das ihm
Zukommende heraussuche; einem Griechen gegenüber wäre solches Bertrauen
sehr übel angebracht.
Mit jenen Charakterzügen hängt eng zusammen der Sinn für das Decorum,
für äußern Anstand und Sitte, der in dem ganzen Volke lebt. Nie wird man
Scenen der Roheit und Gemeinheit wahrnehmen, wie wir sie in unserem civi-
lisirten Europa täglich mit ansehen. Selbst bei Gelegenheiten, wo Ausgelassen¬
heit und zügelloses Wesen selbstverständlich erscheinen, wie z. B. bei Volksfesten,
ist die Haltung der Menge stets anständig. Der Wein ist ihnen vom Koran
untersagt, und die Masse des Volkes respectirt das Verbot; aber sie greisen
auch nicht nach Surrogaten; wir wüßten nicht, je einem trunkenen Türken be¬
gegnet zu sein; der Opiumrausch gehört jetzt wenigstens in das Reich der
vielen der Türkei angedichteten Märchen. In einigen Kaffeehäusern an der
herrlichen Moschee Sulimcms des Prächtigen soll noch zuweilen vor nicht langer
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