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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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wurde ihm aber auch vom Dichter in glücklicherer Weise vorgearbeitet. Mit
dem Texte des Don Juan hat es eine eigene Bewandtnis;. Die Sage von
einem Helden dieses Namens reicht in das vierzehnte Jahrhundert zurück. Don
Juan Tenorio von Sevilla, ein Genosse des Königs Pedro des Grausamen
(regierte von 1330 -- 1369). soll in seinem Uebermuthe die Statue eines von
ihm im Zweikampfe erschlagenen Cointhnrs Ulloa zur Tafel geladen haben.
Vergeblich von dem sich pünktlich einstellenden Gespenste zur Buße ernährt,
verfiel er endlich zur Strafe für seine Thorheiten und Sünden der Hölle. Schon
frühe war diese Sage von einem sonst wenig bekannten Dichter Juan de la Cueva
dramatisch bearbeitet und lange Zeit in den Klöster" unter dem Titel: it! ^tvistu
t'ulmimuw beifällig vorgestellt worden, bis endlich Gabriel Tellez, ein Zeit¬
genosse des Lope de Vega, Prior eines Klosters der barmherzigen Brüder in
Madrid, unter dem Namen Tirso de Molina als einer der ausgezeichnetsten
und fruchtbarsten dramatischen Dichter Spaniens bekannt, sich des Stoffes be¬
mächtigte und daraus seinen "Iwi'Iaäor et; Levit!" conviclaelo av Meil-a,"
schuf. Dieses nach Anlage und Ausführung etwas flüchtige Werk, das aber
trojzdcm zahlreiche Partien bietet, wie sie nur ein Dichter hohen Ranges zu
geben im Stande ist, enthält bereits die Grundzüge der ganzen Handlung der
späteren Oper. Das Stück kann als ein vortreffliches Sittengemälde gelten,
das vielfach mit jener Freiheit, Feinheit und Eleganz ausgeführt erscheint, welche
als charakteristische Mnkmale nur den Bühncnwerken der spanischen Dichter
eigen sind. Der Don Juan des Molina rief selbst in Spanien bemerkens-
werthe Nachahmungen hervor. 1725 bearbeitete Antonio de Zamora, Kammer¬
herr Philipp des Fünften, unter dem Titel: "Rom Ira-z? cleuäs, Al" von so lag'ne
Z5- eonvicliielo all piuärn," den gleichen Stoff und ein anderes höchst bedeutendes
Werk, der "Don Juan Tenorio", religiös-phantastisches Drama in zwei Ab¬
theilungen des Don Josv Zorrilla. entstand noch in unserem Jahrhundert.

Bon Spanien aus kam Mvlinas Drama bald (schon 1620) nach Italien.
Umgearbeitet von Onofrio Giliberti ward es 1652 in Neapel wiederum auf¬
geführt. Unter dem gleichen Titel ließen Giacinto Andrea Cicognini 1670 und
Andrea Perncci 1678 ihre Überarbeitungen folgen. Der Gegenstand erhielt
sich so ungeschwächt in der Gunst des Publikums, daß die italienischen Schau¬
spieler scherzweise sagten: der Urheber des Stückes müsse selbst sich dem Teufel
ergeben haben, sonst würde es nicht so unausgesetzt die Menge anziehen können.
Eine würdige Gestalt erhielt in Italien der Don Inca jedoch erst durch
Goldoni. der, wie er selbst sa^te, nur mit Entsetzen die muuvuiM pioeo
WMg'noto ansehen konnte. Sein Don KioviMlri Ivirorio ossiu. it vissoluw
wurde 1736 zuerst in Venedig dargestellt.

Seit den Zeiten der Königin Maria von Medici gehörten die Vorstellungen
italienischer Schausvielertruppen. zu denen sich bald auch die spanischen Komödian-
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wurde ihm aber auch vom Dichter in glücklicherer Weise vorgearbeitet. Mit
dem Texte des Don Juan hat es eine eigene Bewandtnis;. Die Sage von
einem Helden dieses Namens reicht in das vierzehnte Jahrhundert zurück. Don
Juan Tenorio von Sevilla, ein Genosse des Königs Pedro des Grausamen
(regierte von 1330 — 1369). soll in seinem Uebermuthe die Statue eines von
ihm im Zweikampfe erschlagenen Cointhnrs Ulloa zur Tafel geladen haben.
Vergeblich von dem sich pünktlich einstellenden Gespenste zur Buße ernährt,
verfiel er endlich zur Strafe für seine Thorheiten und Sünden der Hölle. Schon
frühe war diese Sage von einem sonst wenig bekannten Dichter Juan de la Cueva
dramatisch bearbeitet und lange Zeit in den Klöster» unter dem Titel: it! ^tvistu
t'ulmimuw beifällig vorgestellt worden, bis endlich Gabriel Tellez, ein Zeit¬
genosse des Lope de Vega, Prior eines Klosters der barmherzigen Brüder in
Madrid, unter dem Namen Tirso de Molina als einer der ausgezeichnetsten
und fruchtbarsten dramatischen Dichter Spaniens bekannt, sich des Stoffes be¬
mächtigte und daraus seinen „Iwi'Iaäor et; Levit!» conviclaelo av Meil-a,"
schuf. Dieses nach Anlage und Ausführung etwas flüchtige Werk, das aber
trojzdcm zahlreiche Partien bietet, wie sie nur ein Dichter hohen Ranges zu
geben im Stande ist, enthält bereits die Grundzüge der ganzen Handlung der
späteren Oper. Das Stück kann als ein vortreffliches Sittengemälde gelten,
das vielfach mit jener Freiheit, Feinheit und Eleganz ausgeführt erscheint, welche
als charakteristische Mnkmale nur den Bühncnwerken der spanischen Dichter
eigen sind. Der Don Juan des Molina rief selbst in Spanien bemerkens-
werthe Nachahmungen hervor. 1725 bearbeitete Antonio de Zamora, Kammer¬
herr Philipp des Fünften, unter dem Titel: „Rom Ira-z? cleuäs, Al« von so lag'ne
Z5- eonvicliielo all piuärn," den gleichen Stoff und ein anderes höchst bedeutendes
Werk, der „Don Juan Tenorio", religiös-phantastisches Drama in zwei Ab¬
theilungen des Don Josv Zorrilla. entstand noch in unserem Jahrhundert.

Bon Spanien aus kam Mvlinas Drama bald (schon 1620) nach Italien.
Umgearbeitet von Onofrio Giliberti ward es 1652 in Neapel wiederum auf¬
geführt. Unter dem gleichen Titel ließen Giacinto Andrea Cicognini 1670 und
Andrea Perncci 1678 ihre Überarbeitungen folgen. Der Gegenstand erhielt
sich so ungeschwächt in der Gunst des Publikums, daß die italienischen Schau¬
spieler scherzweise sagten: der Urheber des Stückes müsse selbst sich dem Teufel
ergeben haben, sonst würde es nicht so unausgesetzt die Menge anziehen können.
Eine würdige Gestalt erhielt in Italien der Don Inca jedoch erst durch
Goldoni. der, wie er selbst sa^te, nur mit Entsetzen die muuvuiM pioeo
WMg'noto ansehen konnte. Sein Don KioviMlri Ivirorio ossiu. it vissoluw
wurde 1736 zuerst in Venedig dargestellt.

Seit den Zeiten der Königin Maria von Medici gehörten die Vorstellungen
italienischer Schausvielertruppen. zu denen sich bald auch die spanischen Komödian-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/189>, abgerufen am 23.07.2024.