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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Italien zu bleiben; und das war, was unsere Selbstsucht zuerst von ihr ver¬
langte. Das, sie geeignet ist. innerhalb ihres Landes sehr wohlthätig zu wirken,
ist aber nicht minder unzweifelhaft.




Aus Prag.

Unter allen Deutschen in Oestreich sind wir in Böhmen diejenigen, welche
bei aller Bewunderung für die glänzende Manifestation deutscher Volkskraft, die
der vorjährige Krieg offenbarte, die Kehrseite seiner Erfolge am bittersten em¬
pfinden müssen. Denn nirgends trat die Rückwirkung derselben auf die nationalen
Verhältnisse so energisch hervor wie bei uns. Der Kampf der Czechen gegen
die Deutschen nimmt seitdem täglich größere Dimensionen an.

Der alte Bund, dem die andere kollincr Schlacht den Garaus machte, hat
wahrhaftig wenig Hervorragendes für Deutschland gethan; aber für uns hatte
er das Gute, daß er die Continuität deutschen Gebietes repräsentirte. Keinen
größeren Verdruß konnte man den mit nationalen Ungestüm anstürmenden
Czechen bereiten, als wenn man ihnen die Landkarte entgegenhielt: Böhmen ist
deutsches Bundesgebiet. So hatte seltsamerweise dieses klägliche Institut für
uns den Werth einer idealen Instanz. Jetzt wird aller Jammer und alles Elend,
welche der letzte Krieg über das Land brachte, den Czechen durch die Befrie-
digung aufgewogen, daß sie nun nicht mehr zum "deutschen Bunde" gehören.
Böhmen hat keinen deutschen Rechtstitel mehr, das ist die Errungenschaft des
Jahres 1866, welche laut und öffentlich von czechischcr Seite als das größte
Glück bezeichnet wird. Ist schon dieses Moment für Hebung des czechischcn
Selbstbewußtseins von Werth, so pochen andrerseits die Czechen auch darauf,
daß sie es gewesen seien, welche Preußen die Lust, Böhmen zu annectiren, ver¬
leidet hätten und vollständig wie vor achtzehn Jahren geberden sie sich wieder
als Retter des Reiches und der Dynastie. Seitdem der preußische Commissarius
während der Occupation Böhmens es für gut befunden hatte, in einem Auf¬
rufe "an die Bewohner des glorreichen Königreichs" den nationalen einige
Complimente zu machen, ist den Czechen ihre nun auch mit preußischem Piivi-
legio versehene Gloire zu Kopfe gestiegen und sie bilden sich ein, im Völker-


Italien zu bleiben; und das war, was unsere Selbstsucht zuerst von ihr ver¬
langte. Das, sie geeignet ist. innerhalb ihres Landes sehr wohlthätig zu wirken,
ist aber nicht minder unzweifelhaft.




Aus Prag.

Unter allen Deutschen in Oestreich sind wir in Böhmen diejenigen, welche
bei aller Bewunderung für die glänzende Manifestation deutscher Volkskraft, die
der vorjährige Krieg offenbarte, die Kehrseite seiner Erfolge am bittersten em¬
pfinden müssen. Denn nirgends trat die Rückwirkung derselben auf die nationalen
Verhältnisse so energisch hervor wie bei uns. Der Kampf der Czechen gegen
die Deutschen nimmt seitdem täglich größere Dimensionen an.

Der alte Bund, dem die andere kollincr Schlacht den Garaus machte, hat
wahrhaftig wenig Hervorragendes für Deutschland gethan; aber für uns hatte
er das Gute, daß er die Continuität deutschen Gebietes repräsentirte. Keinen
größeren Verdruß konnte man den mit nationalen Ungestüm anstürmenden
Czechen bereiten, als wenn man ihnen die Landkarte entgegenhielt: Böhmen ist
deutsches Bundesgebiet. So hatte seltsamerweise dieses klägliche Institut für
uns den Werth einer idealen Instanz. Jetzt wird aller Jammer und alles Elend,
welche der letzte Krieg über das Land brachte, den Czechen durch die Befrie-
digung aufgewogen, daß sie nun nicht mehr zum „deutschen Bunde" gehören.
Böhmen hat keinen deutschen Rechtstitel mehr, das ist die Errungenschaft des
Jahres 1866, welche laut und öffentlich von czechischcr Seite als das größte
Glück bezeichnet wird. Ist schon dieses Moment für Hebung des czechischcn
Selbstbewußtseins von Werth, so pochen andrerseits die Czechen auch darauf,
daß sie es gewesen seien, welche Preußen die Lust, Böhmen zu annectiren, ver¬
leidet hätten und vollständig wie vor achtzehn Jahren geberden sie sich wieder
als Retter des Reiches und der Dynastie. Seitdem der preußische Commissarius
während der Occupation Böhmens es für gut befunden hatte, in einem Auf¬
rufe „an die Bewohner des glorreichen Königreichs" den nationalen einige
Complimente zu machen, ist den Czechen ihre nun auch mit preußischem Piivi-
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[0161] Italien zu bleiben; und das war, was unsere Selbstsucht zuerst von ihr ver¬ langte. Das, sie geeignet ist. innerhalb ihres Landes sehr wohlthätig zu wirken, ist aber nicht minder unzweifelhaft. Aus Prag. Unter allen Deutschen in Oestreich sind wir in Böhmen diejenigen, welche bei aller Bewunderung für die glänzende Manifestation deutscher Volkskraft, die der vorjährige Krieg offenbarte, die Kehrseite seiner Erfolge am bittersten em¬ pfinden müssen. Denn nirgends trat die Rückwirkung derselben auf die nationalen Verhältnisse so energisch hervor wie bei uns. Der Kampf der Czechen gegen die Deutschen nimmt seitdem täglich größere Dimensionen an. Der alte Bund, dem die andere kollincr Schlacht den Garaus machte, hat wahrhaftig wenig Hervorragendes für Deutschland gethan; aber für uns hatte er das Gute, daß er die Continuität deutschen Gebietes repräsentirte. Keinen größeren Verdruß konnte man den mit nationalen Ungestüm anstürmenden Czechen bereiten, als wenn man ihnen die Landkarte entgegenhielt: Böhmen ist deutsches Bundesgebiet. So hatte seltsamerweise dieses klägliche Institut für uns den Werth einer idealen Instanz. Jetzt wird aller Jammer und alles Elend, welche der letzte Krieg über das Land brachte, den Czechen durch die Befrie- digung aufgewogen, daß sie nun nicht mehr zum „deutschen Bunde" gehören. Böhmen hat keinen deutschen Rechtstitel mehr, das ist die Errungenschaft des Jahres 1866, welche laut und öffentlich von czechischcr Seite als das größte Glück bezeichnet wird. Ist schon dieses Moment für Hebung des czechischcn Selbstbewußtseins von Werth, so pochen andrerseits die Czechen auch darauf, daß sie es gewesen seien, welche Preußen die Lust, Böhmen zu annectiren, ver¬ leidet hätten und vollständig wie vor achtzehn Jahren geberden sie sich wieder als Retter des Reiches und der Dynastie. Seitdem der preußische Commissarius während der Occupation Böhmens es für gut befunden hatte, in einem Auf¬ rufe „an die Bewohner des glorreichen Königreichs" den nationalen einige Complimente zu machen, ist den Czechen ihre nun auch mit preußischem Piivi- legio versehene Gloire zu Kopfe gestiegen und sie bilden sich ein, im Völker-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/161>, abgerufen am 22.12.2024.