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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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leistet, aber doch etwas, von dem jeder Leser anschauliche Belehrung mitgenommen
haben würde, während er so am besten thut, jedesmal 2--300 Seiten einfach
zu überschlagen. Denn die Bodcnplastik allein würde noch nicht ausreichen, um
die Einflüsse des Landes auf das Volk zu erklären: es gehört dazu alles, was
man die natürliche Ausstattung des Bodens nach allen Seiten hin nennen
würde, das Klima und die Erzeugnisse seines Innern wie seiner Oberfläche.

Doch flüchten wir uns auf das erquicklichere Feld der Volkskunde. Ihre
Schematisirung ist durch alle Bände, d. h. also für alle Theile des bayerischen
Volkes so ziemlich dieselbe, zunächst zwei Hauptabtheilungen, die eine die eigent¬
liche Volkskunde, die andere ein Abriß der Ortsgcschichte. Wir halten uns an
die erstere, die in folgende Anders theilungen zerfällt ist: 1) Geschichts- und
Kunstdenkmale, also die kunstgeschichtliche Entwickelung der verschiedenen Theile
Bayerns von kulturgeschichtlichem Standpunkt aus. Diese Rubrik ist von Sighart
in Freising, dem bekannten Verfasser der bayerischen Kunstgeschichte, sür alle
Theile des Werks bearbeitet. 2) Haus und Wohnung, wobei verschiedene Ver¬
fasser je nach den verschiedenen Landschaften thätig waren. 3) Volkssagen.
4) Die Mundarten des Volks. 5) Volkssittte. 6) Volkstracht. 7) Nahrung.
8) Volkekrankheitcn und Volksmedicin. 9) Betriebsamkeit. 10) Volksbildung
und Unterricht. Für alle diese Rubriken gilt dasselbe wie für die zweite; ver¬
schiedene Augen und Hände haben daran mitgeholfen, obwohl die Trennung
nicht immer scharf nach der Kreiseintheilung vollzogen ist, welche sonst das be¬
stimmende Princip für die einzelnen Bände ist. Bemerkenswerth erscheint, daß
sich der Redacteur selbst nirgends betheiligt hat, obgleich grade ihm diese Sphäre
so recht naturgemäß sein mußte. Er ist immer hinter den Coulissen geblieben,
denn was er selbst für das Zusammenarbeiten der clisjeetg. msmbra gethan hat,
verschweigt er bescheiden. Ja sollen wir seiner eigenen Angabe trauen, so hat
er für gut befunden, dafür nicht viel zu thun. Er betont in dem Vorwort
ausdrücklich, daß die einheitliche Redaction so bescheiden als möglich ihre Hand
über das Ganze gehalten habe.

Ueberblicken wir die aufgestellten Rubriken, so umfassen sie alle Kategorien,
welche nach dem heutigen Stande der Volkskunde in Betracht kommen können.
Höchstens eine einzige, die in anderen Arbeiten ähnlicher Tendenz nicht fehlt,
könnte man auch hier vermissen. Es ist zwar eine etwas heikele, aber doch
interessante, ja eigentlich unentbehrliche. W>r meinen die öffentliche Sittlichkeit
oder die sittlichen Zustände des Volks. Unter den Capiteln Volkssitte. Volks-
aberglauben, Vvlksmedicin begegnet zwar manches hierher Gehörige, aber
nur beiläufig und nicht aus einem Augenpunkt gesehen. Und doch böten grade
diese Zustände des bayerischen Volkes an sich und noch mehr, wenn man die
selbstverständlichen Parallelen mit den verwandten Erscheinungen anderer Aus¬
schnitte Deutschlands ziehen wollte, Stoff zu tiefen Einblicken in sein innerstes


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leistet, aber doch etwas, von dem jeder Leser anschauliche Belehrung mitgenommen
haben würde, während er so am besten thut, jedesmal 2—300 Seiten einfach
zu überschlagen. Denn die Bodcnplastik allein würde noch nicht ausreichen, um
die Einflüsse des Landes auf das Volk zu erklären: es gehört dazu alles, was
man die natürliche Ausstattung des Bodens nach allen Seiten hin nennen
würde, das Klima und die Erzeugnisse seines Innern wie seiner Oberfläche.

Doch flüchten wir uns auf das erquicklichere Feld der Volkskunde. Ihre
Schematisirung ist durch alle Bände, d. h. also für alle Theile des bayerischen
Volkes so ziemlich dieselbe, zunächst zwei Hauptabtheilungen, die eine die eigent¬
liche Volkskunde, die andere ein Abriß der Ortsgcschichte. Wir halten uns an
die erstere, die in folgende Anders theilungen zerfällt ist: 1) Geschichts- und
Kunstdenkmale, also die kunstgeschichtliche Entwickelung der verschiedenen Theile
Bayerns von kulturgeschichtlichem Standpunkt aus. Diese Rubrik ist von Sighart
in Freising, dem bekannten Verfasser der bayerischen Kunstgeschichte, sür alle
Theile des Werks bearbeitet. 2) Haus und Wohnung, wobei verschiedene Ver¬
fasser je nach den verschiedenen Landschaften thätig waren. 3) Volkssagen.
4) Die Mundarten des Volks. 5) Volkssittte. 6) Volkstracht. 7) Nahrung.
8) Volkekrankheitcn und Volksmedicin. 9) Betriebsamkeit. 10) Volksbildung
und Unterricht. Für alle diese Rubriken gilt dasselbe wie für die zweite; ver¬
schiedene Augen und Hände haben daran mitgeholfen, obwohl die Trennung
nicht immer scharf nach der Kreiseintheilung vollzogen ist, welche sonst das be¬
stimmende Princip für die einzelnen Bände ist. Bemerkenswerth erscheint, daß
sich der Redacteur selbst nirgends betheiligt hat, obgleich grade ihm diese Sphäre
so recht naturgemäß sein mußte. Er ist immer hinter den Coulissen geblieben,
denn was er selbst für das Zusammenarbeiten der clisjeetg. msmbra gethan hat,
verschweigt er bescheiden. Ja sollen wir seiner eigenen Angabe trauen, so hat
er für gut befunden, dafür nicht viel zu thun. Er betont in dem Vorwort
ausdrücklich, daß die einheitliche Redaction so bescheiden als möglich ihre Hand
über das Ganze gehalten habe.

Ueberblicken wir die aufgestellten Rubriken, so umfassen sie alle Kategorien,
welche nach dem heutigen Stande der Volkskunde in Betracht kommen können.
Höchstens eine einzige, die in anderen Arbeiten ähnlicher Tendenz nicht fehlt,
könnte man auch hier vermissen. Es ist zwar eine etwas heikele, aber doch
interessante, ja eigentlich unentbehrliche. W>r meinen die öffentliche Sittlichkeit
oder die sittlichen Zustände des Volks. Unter den Capiteln Volkssitte. Volks-
aberglauben, Vvlksmedicin begegnet zwar manches hierher Gehörige, aber
nur beiläufig und nicht aus einem Augenpunkt gesehen. Und doch böten grade
diese Zustände des bayerischen Volkes an sich und noch mehr, wenn man die
selbstverständlichen Parallelen mit den verwandten Erscheinungen anderer Aus¬
schnitte Deutschlands ziehen wollte, Stoff zu tiefen Einblicken in sein innerstes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/149>, abgerufen am 22.12.2024.