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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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immer ehrenwerth genug für den königlichen Mäcenaten. daß er sich ernstlich
und angelegentlich um derartige ideale Interessen kümmerte und wenn auch
nicht selbst Bücher schrieb, doch die Veranlassung war. daß solche geschrieben
wurden. Vielleicht noch mehr Anerkennung verdient es, daß er aus seiner gei¬
stigen Autorschaft und materiellen Unterstützung keine das Gedeihen des Unter¬
nehmens beengende oder gefährdende Ansprüche ableitete. Nachdem die all-
gemeinen Grundzüge festgestellt und approbirt waren, behielt der Herausgeber
völlig freie Hand und dürfte sich mit seinen bayerischen Gelehrten abfinden, wie
er mochte und konnte. Wer einige Erfahrung aus dem häklichen Gebiete fürst¬
licher Patronisirung der Kunst und Wissenschaft hat. wird diese bescheidene Ent-
sagung Max des Zweiten nach Gebühr würdigen und sie ihm zu höherem Ver¬
dienst anrechnen als vieles andere, weshalb er in und außer Bayern bei
Lebzeiten und nach dem Tode apotheosirt zu werden pflegte. Denn "Gott und
mein Volk" ist ein schöner Wahlspruch für einen König, und seine Paraphrase
aus demselben Munde "ich will mit meinem Volke Frieden haben" klingt noch
schöner. Doch will es uns bedünken, als wäre jenes "Gott und mein Volk"
keine ganz glückliche Parodie des echten "Gott und mein Recht", das in seiner
schlichten Naivetät und seinem unkirchlichen Selbstvertrauen das wahre Wort
eines Fürsten ist, während das andere im Grunde dasselbe meint, aber es aus
Schicklichkeitsgründen nicht sagt. Auch kommt es immer noch darauf an, wie
beschaffe" das Volk ist, mit dem man Frieden haben will und haben kann,
wenn man als Fürst "Gott und mein Recht" im Herzensgrunde zur Devise
des Lebens und Empfindens gemacht hat. Für Max den Zweiten war es nicht
so schwer, mit seinem Volke, d. h. was er und andere als sein Volk gelten
ließen, Frieden zu halten: andere Fürsten würden und einem anderen Volke
andere Erfahrungen gemacht haben und er selbst gewiß nicht minder, hätte ihn
nicht die Gunst des Geschickes aus den Thron der Wittelsbacher oder der Bayern
dieser Tage geführt. --

Aber so wenig gegen die Basis der Schematisirung in der Bavaria ein¬
gewendet werden kann, so viel Bedenken muß ihre Durchführung hervorrufen.
Es ist die Eintheilung getroffen, daß jeder einzelne Band oder je zwei Halb¬
bände je eine der größeren landschaftlichen und volkstümlichen Gruppen um¬
fassen sollen, in die das bayerische Reich zerfällt. Demnach ist das eigentliche
Bayern oder wie es im Lande selbst heißt, Altbayern, mit einem Bande bedacht,
aber gleich mit diesem Anfang stockt auch die Durchführung der Regel. Der
zweite Band mußte, um dem ersten äußerlich gleich zu werden, nicht blos die
Oberpfalz, sondern auch das bayerische Schwaben umfassen, und für den dritten
ist wieder ganz Franken zu viel, darum bringt der vierte den Nest davon,
sammt der NheinpfaU. Da die Eintheilung in vier Bände eigentlich nur
nominell und offenbar irgendeiner fixen Idee historischer Romantik zu Liebe ge-


immer ehrenwerth genug für den königlichen Mäcenaten. daß er sich ernstlich
und angelegentlich um derartige ideale Interessen kümmerte und wenn auch
nicht selbst Bücher schrieb, doch die Veranlassung war. daß solche geschrieben
wurden. Vielleicht noch mehr Anerkennung verdient es, daß er aus seiner gei¬
stigen Autorschaft und materiellen Unterstützung keine das Gedeihen des Unter¬
nehmens beengende oder gefährdende Ansprüche ableitete. Nachdem die all-
gemeinen Grundzüge festgestellt und approbirt waren, behielt der Herausgeber
völlig freie Hand und dürfte sich mit seinen bayerischen Gelehrten abfinden, wie
er mochte und konnte. Wer einige Erfahrung aus dem häklichen Gebiete fürst¬
licher Patronisirung der Kunst und Wissenschaft hat. wird diese bescheidene Ent-
sagung Max des Zweiten nach Gebühr würdigen und sie ihm zu höherem Ver¬
dienst anrechnen als vieles andere, weshalb er in und außer Bayern bei
Lebzeiten und nach dem Tode apotheosirt zu werden pflegte. Denn „Gott und
mein Volk" ist ein schöner Wahlspruch für einen König, und seine Paraphrase
aus demselben Munde „ich will mit meinem Volke Frieden haben" klingt noch
schöner. Doch will es uns bedünken, als wäre jenes „Gott und mein Volk"
keine ganz glückliche Parodie des echten „Gott und mein Recht", das in seiner
schlichten Naivetät und seinem unkirchlichen Selbstvertrauen das wahre Wort
eines Fürsten ist, während das andere im Grunde dasselbe meint, aber es aus
Schicklichkeitsgründen nicht sagt. Auch kommt es immer noch darauf an, wie
beschaffe» das Volk ist, mit dem man Frieden haben will und haben kann,
wenn man als Fürst „Gott und mein Recht" im Herzensgrunde zur Devise
des Lebens und Empfindens gemacht hat. Für Max den Zweiten war es nicht
so schwer, mit seinem Volke, d. h. was er und andere als sein Volk gelten
ließen, Frieden zu halten: andere Fürsten würden und einem anderen Volke
andere Erfahrungen gemacht haben und er selbst gewiß nicht minder, hätte ihn
nicht die Gunst des Geschickes aus den Thron der Wittelsbacher oder der Bayern
dieser Tage geführt. —

Aber so wenig gegen die Basis der Schematisirung in der Bavaria ein¬
gewendet werden kann, so viel Bedenken muß ihre Durchführung hervorrufen.
Es ist die Eintheilung getroffen, daß jeder einzelne Band oder je zwei Halb¬
bände je eine der größeren landschaftlichen und volkstümlichen Gruppen um¬
fassen sollen, in die das bayerische Reich zerfällt. Demnach ist das eigentliche
Bayern oder wie es im Lande selbst heißt, Altbayern, mit einem Bande bedacht,
aber gleich mit diesem Anfang stockt auch die Durchführung der Regel. Der
zweite Band mußte, um dem ersten äußerlich gleich zu werden, nicht blos die
Oberpfalz, sondern auch das bayerische Schwaben umfassen, und für den dritten
ist wieder ganz Franken zu viel, darum bringt der vierte den Nest davon,
sammt der NheinpfaU. Da die Eintheilung in vier Bände eigentlich nur
nominell und offenbar irgendeiner fixen Idee historischer Romantik zu Liebe ge-


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[0144] immer ehrenwerth genug für den königlichen Mäcenaten. daß er sich ernstlich und angelegentlich um derartige ideale Interessen kümmerte und wenn auch nicht selbst Bücher schrieb, doch die Veranlassung war. daß solche geschrieben wurden. Vielleicht noch mehr Anerkennung verdient es, daß er aus seiner gei¬ stigen Autorschaft und materiellen Unterstützung keine das Gedeihen des Unter¬ nehmens beengende oder gefährdende Ansprüche ableitete. Nachdem die all- gemeinen Grundzüge festgestellt und approbirt waren, behielt der Herausgeber völlig freie Hand und dürfte sich mit seinen bayerischen Gelehrten abfinden, wie er mochte und konnte. Wer einige Erfahrung aus dem häklichen Gebiete fürst¬ licher Patronisirung der Kunst und Wissenschaft hat. wird diese bescheidene Ent- sagung Max des Zweiten nach Gebühr würdigen und sie ihm zu höherem Ver¬ dienst anrechnen als vieles andere, weshalb er in und außer Bayern bei Lebzeiten und nach dem Tode apotheosirt zu werden pflegte. Denn „Gott und mein Volk" ist ein schöner Wahlspruch für einen König, und seine Paraphrase aus demselben Munde „ich will mit meinem Volke Frieden haben" klingt noch schöner. Doch will es uns bedünken, als wäre jenes „Gott und mein Volk" keine ganz glückliche Parodie des echten „Gott und mein Recht", das in seiner schlichten Naivetät und seinem unkirchlichen Selbstvertrauen das wahre Wort eines Fürsten ist, während das andere im Grunde dasselbe meint, aber es aus Schicklichkeitsgründen nicht sagt. Auch kommt es immer noch darauf an, wie beschaffe» das Volk ist, mit dem man Frieden haben will und haben kann, wenn man als Fürst „Gott und mein Recht" im Herzensgrunde zur Devise des Lebens und Empfindens gemacht hat. Für Max den Zweiten war es nicht so schwer, mit seinem Volke, d. h. was er und andere als sein Volk gelten ließen, Frieden zu halten: andere Fürsten würden und einem anderen Volke andere Erfahrungen gemacht haben und er selbst gewiß nicht minder, hätte ihn nicht die Gunst des Geschickes aus den Thron der Wittelsbacher oder der Bayern dieser Tage geführt. — Aber so wenig gegen die Basis der Schematisirung in der Bavaria ein¬ gewendet werden kann, so viel Bedenken muß ihre Durchführung hervorrufen. Es ist die Eintheilung getroffen, daß jeder einzelne Band oder je zwei Halb¬ bände je eine der größeren landschaftlichen und volkstümlichen Gruppen um¬ fassen sollen, in die das bayerische Reich zerfällt. Demnach ist das eigentliche Bayern oder wie es im Lande selbst heißt, Altbayern, mit einem Bande bedacht, aber gleich mit diesem Anfang stockt auch die Durchführung der Regel. Der zweite Band mußte, um dem ersten äußerlich gleich zu werden, nicht blos die Oberpfalz, sondern auch das bayerische Schwaben umfassen, und für den dritten ist wieder ganz Franken zu viel, darum bringt der vierte den Nest davon, sammt der NheinpfaU. Da die Eintheilung in vier Bände eigentlich nur nominell und offenbar irgendeiner fixen Idee historischer Romantik zu Liebe ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/144>, abgerufen am 22.12.2024.