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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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kleinere Grenzausschnitte Bayerns darzustellen haben, nur diese und nichts
weiter von der Umgebung darstellen. Die kleinen und kleinsten Stücke bayerischen
Landes mit ihren Bergen, Flüssen, Wäldern und Ortschaften schwimmen so
gleichsam in dem leeren Nichts. Ob es mit Absicht geschehen ist oder nicht,
es erinnert den Beschauer daran, daß vor dem officiell königlich bayerischen
Auge nichts weiter in der Welt, als das gesegnete Bayerland selbst ex>feire.
Wer will, mag darin auch eine Art von Erklärung für die eigenthümliche Be¬
schränkung der geographischen Kenntnisse in der königlich bayerischen Armee
während ihrer jüngsten Kriegsfahrten finden. Man war bekanntlich grade nur
so weit onentirt, wie hier diese Karte reicht. Man ahnte nicht einmal auf eine
halbe Stunde von der Grenze das Dasein ganz bedeutender Städte, Berge und
Flüsse. -

Der Plan einer solchen Arbeit wie die Bavaria ist in seinen Hauptzügen
von selbst gegeben. Wenn Land und Leute Bayerns in ihrem gegenseitigen
Verhältniß und ihrer Bedingtheit durch die Einflüsse der geschichtlichen Ent¬
wickelung geschildert werden sollen, muß mau mit dem Land anfangen und
dann die Leute folgen lassen. So ist das allgemeine Schema leicht gefunden.
Hier, wo ein in solchen Dingen recht eigentlich heimischer Redacteur die Zügel
in die Hand nehmen durfte, ließ sich um so eher erwarten, daß ein wobl-
gegliedcrter Schematismus nicht blos aufgestellt, sondern auch wirklich eingehalten
werde. Denn freilich ein Kreis von "Gelehrten", bayerischen oder anderen,
mag, wenn es sich darum handelt, die eigene Unfehlbarkeit einer fremden unter¬
zuordnen, nicht so leicht zu einem stricten Einhalten des einmal vorgezeichneten
Formulars zu bringen sein. Ohne eine möglichst weitgehende Theilung der
Arbeit wäre aber gar nichts auszurichten gewesen: geistreiche Apercus über Land
und Leute kann wohl ein Einzelner geben, wo es sich aber darum handelt, Specia¬
litäten als solche methodisch zu behandeln, müssen viele zusammenhelsen. still¬
schweigend setz! man dabei voraus, daß jedesmal die von selbst dazu berufenen
auch an dem ihnen gebührenden Platz erscheinen: da Bayern doch ziemlich groß
ist, so ließ sich erwarten, daß daran kein Mangel sein werde, besonders da die
äußeren Anreize zu einer Betheiligung an einem mit so rückhaltloser Liberalität
begonnenen und durchgeführten Unternehmen stark genug wirken mußten. Ist
ja doch der Plau, wie uns der Herausgeber sagt, in dem Geiste des königlichen
Beschützers der Wissenschaft selbst entstanden. Die bekannte Devise seines
Privatwappens, das so viele großartige literarische Publicationen der letzten
Jahre ziert, "Gott und mein Volk", steht darum hier mit vorzugsweiser Be¬
rechtigung gleiet'sam als Motto oder als Schlüssel seiner Tendenz. Wir und
mancher andere wissen sehr wohl, daß unter dem Volke nur das bayerische ge-
meint ist, dem wir in dem Sinne, wie es gemeint ist, das Recht nicht zuerken¬
nen, ein Boll genannt zu werden. Doch sehen wir davon ab, so bleibt es


kleinere Grenzausschnitte Bayerns darzustellen haben, nur diese und nichts
weiter von der Umgebung darstellen. Die kleinen und kleinsten Stücke bayerischen
Landes mit ihren Bergen, Flüssen, Wäldern und Ortschaften schwimmen so
gleichsam in dem leeren Nichts. Ob es mit Absicht geschehen ist oder nicht,
es erinnert den Beschauer daran, daß vor dem officiell königlich bayerischen
Auge nichts weiter in der Welt, als das gesegnete Bayerland selbst ex>feire.
Wer will, mag darin auch eine Art von Erklärung für die eigenthümliche Be¬
schränkung der geographischen Kenntnisse in der königlich bayerischen Armee
während ihrer jüngsten Kriegsfahrten finden. Man war bekanntlich grade nur
so weit onentirt, wie hier diese Karte reicht. Man ahnte nicht einmal auf eine
halbe Stunde von der Grenze das Dasein ganz bedeutender Städte, Berge und
Flüsse. -

Der Plan einer solchen Arbeit wie die Bavaria ist in seinen Hauptzügen
von selbst gegeben. Wenn Land und Leute Bayerns in ihrem gegenseitigen
Verhältniß und ihrer Bedingtheit durch die Einflüsse der geschichtlichen Ent¬
wickelung geschildert werden sollen, muß mau mit dem Land anfangen und
dann die Leute folgen lassen. So ist das allgemeine Schema leicht gefunden.
Hier, wo ein in solchen Dingen recht eigentlich heimischer Redacteur die Zügel
in die Hand nehmen durfte, ließ sich um so eher erwarten, daß ein wobl-
gegliedcrter Schematismus nicht blos aufgestellt, sondern auch wirklich eingehalten
werde. Denn freilich ein Kreis von „Gelehrten", bayerischen oder anderen,
mag, wenn es sich darum handelt, die eigene Unfehlbarkeit einer fremden unter¬
zuordnen, nicht so leicht zu einem stricten Einhalten des einmal vorgezeichneten
Formulars zu bringen sein. Ohne eine möglichst weitgehende Theilung der
Arbeit wäre aber gar nichts auszurichten gewesen: geistreiche Apercus über Land
und Leute kann wohl ein Einzelner geben, wo es sich aber darum handelt, Specia¬
litäten als solche methodisch zu behandeln, müssen viele zusammenhelsen. still¬
schweigend setz! man dabei voraus, daß jedesmal die von selbst dazu berufenen
auch an dem ihnen gebührenden Platz erscheinen: da Bayern doch ziemlich groß
ist, so ließ sich erwarten, daß daran kein Mangel sein werde, besonders da die
äußeren Anreize zu einer Betheiligung an einem mit so rückhaltloser Liberalität
begonnenen und durchgeführten Unternehmen stark genug wirken mußten. Ist
ja doch der Plau, wie uns der Herausgeber sagt, in dem Geiste des königlichen
Beschützers der Wissenschaft selbst entstanden. Die bekannte Devise seines
Privatwappens, das so viele großartige literarische Publicationen der letzten
Jahre ziert, „Gott und mein Volk", steht darum hier mit vorzugsweiser Be¬
rechtigung gleiet'sam als Motto oder als Schlüssel seiner Tendenz. Wir und
mancher andere wissen sehr wohl, daß unter dem Volke nur das bayerische ge-
meint ist, dem wir in dem Sinne, wie es gemeint ist, das Recht nicht zuerken¬
nen, ein Boll genannt zu werden. Doch sehen wir davon ab, so bleibt es


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[0143] kleinere Grenzausschnitte Bayerns darzustellen haben, nur diese und nichts weiter von der Umgebung darstellen. Die kleinen und kleinsten Stücke bayerischen Landes mit ihren Bergen, Flüssen, Wäldern und Ortschaften schwimmen so gleichsam in dem leeren Nichts. Ob es mit Absicht geschehen ist oder nicht, es erinnert den Beschauer daran, daß vor dem officiell königlich bayerischen Auge nichts weiter in der Welt, als das gesegnete Bayerland selbst ex>feire. Wer will, mag darin auch eine Art von Erklärung für die eigenthümliche Be¬ schränkung der geographischen Kenntnisse in der königlich bayerischen Armee während ihrer jüngsten Kriegsfahrten finden. Man war bekanntlich grade nur so weit onentirt, wie hier diese Karte reicht. Man ahnte nicht einmal auf eine halbe Stunde von der Grenze das Dasein ganz bedeutender Städte, Berge und Flüsse. - Der Plan einer solchen Arbeit wie die Bavaria ist in seinen Hauptzügen von selbst gegeben. Wenn Land und Leute Bayerns in ihrem gegenseitigen Verhältniß und ihrer Bedingtheit durch die Einflüsse der geschichtlichen Ent¬ wickelung geschildert werden sollen, muß mau mit dem Land anfangen und dann die Leute folgen lassen. So ist das allgemeine Schema leicht gefunden. Hier, wo ein in solchen Dingen recht eigentlich heimischer Redacteur die Zügel in die Hand nehmen durfte, ließ sich um so eher erwarten, daß ein wobl- gegliedcrter Schematismus nicht blos aufgestellt, sondern auch wirklich eingehalten werde. Denn freilich ein Kreis von „Gelehrten", bayerischen oder anderen, mag, wenn es sich darum handelt, die eigene Unfehlbarkeit einer fremden unter¬ zuordnen, nicht so leicht zu einem stricten Einhalten des einmal vorgezeichneten Formulars zu bringen sein. Ohne eine möglichst weitgehende Theilung der Arbeit wäre aber gar nichts auszurichten gewesen: geistreiche Apercus über Land und Leute kann wohl ein Einzelner geben, wo es sich aber darum handelt, Specia¬ litäten als solche methodisch zu behandeln, müssen viele zusammenhelsen. still¬ schweigend setz! man dabei voraus, daß jedesmal die von selbst dazu berufenen auch an dem ihnen gebührenden Platz erscheinen: da Bayern doch ziemlich groß ist, so ließ sich erwarten, daß daran kein Mangel sein werde, besonders da die äußeren Anreize zu einer Betheiligung an einem mit so rückhaltloser Liberalität begonnenen und durchgeführten Unternehmen stark genug wirken mußten. Ist ja doch der Plau, wie uns der Herausgeber sagt, in dem Geiste des königlichen Beschützers der Wissenschaft selbst entstanden. Die bekannte Devise seines Privatwappens, das so viele großartige literarische Publicationen der letzten Jahre ziert, „Gott und mein Volk", steht darum hier mit vorzugsweiser Be¬ rechtigung gleiet'sam als Motto oder als Schlüssel seiner Tendenz. Wir und mancher andere wissen sehr wohl, daß unter dem Volke nur das bayerische ge- meint ist, dem wir in dem Sinne, wie es gemeint ist, das Recht nicht zuerken¬ nen, ein Boll genannt zu werden. Doch sehen wir davon ab, so bleibt es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/143>, abgerufen am 22.12.2024.