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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Friedenskleide mit dem Oelzweige in der Hand, nicht ähnlich? finden, wird
dieser selbst begreifen. Hätte er in Ischl und dann in Prag dem östreichischen
Hof keinen andern Rath zu ertheilen gewußt, als: Liebet euch, Kindlein, und
küsset die Hand, die euch züchtigt, so wäre ihm gewiß in höflicher aber ent¬
schiedener Weise die Thüre gewiesen worden. Herrn v. Beusts Rechtstitel war
sein persönlicher Haß auf Bismarck, seine Ansprüche auf das höchste östreichische
Staatsamt gründeten sich auf seine Lust und seine Fälligkeit, an Preußen Rache
zu üben. Er hat wohl nicht in einen rothen Mantel gehüllt, bei fahlem Fackel¬
scheine mit gezücktem Dolche eine Rachearie gesungen, er hat aber nichts gethan,
um die von ihm gehegten Erwartungen zu zerstören, wenn man seine ^Ten¬
denzen falsch auffaßt, die Irrthümer zu zerstreuen. Die Stimmung am Hofe
ließ sich doch nicht mißverstehen. Man denkt daselbst etwa so. wie Haupt-
mann Vivenot sich die ganze Sachlage vorstellte. Nachdem Hauptmann Vivenot
den preußischen Staat in seinem berüchtigten Buche über den Herzog von
Sachsen-Teschen mit der Feder vernichtet hatte, wollte er ihm auch mit dem
Schwerte Garaus machen. Er sammelte einzelne Versprengte und Marodeurs
der östreichischen Armee, zog noch mehre Bauern an sich und führte an der
Spille dieser Bande, Landsturm genannt, in den böhmisch-schlesischen Grenz-
districten Krieg mit den Telegraphendrähten und Prvviantfuhrcn. Auch Pro-
clamationen streute er mit freigebiger Hand aus, in welchen er den unerhörten
Frevel Preußens enthüllte. "Der Kurfürst von Brandenburg" wagt den
Kaiser mit Fehde zu überziehen. Ob die böhmischen Bauern Vivenots Ent¬
setzen theilten, wissen wir nicht, das aber ist uns genau bekannt, daß in den
höchsten Kreisen das Wagniß Preußens gleichfalls als ein unerhörtes galt, als
eine Auflehnung gegen die höhere Autorität angesehen wurde und daher der
glorreiche Erfolg der Rebellion auf das tiefste verletzte. Oestreichs Niederlage
erscheint nicht als ein Unglück, sondern als eine Schande, die um jeden Preis
gelöscht werden müsse. Und bei en>>r solchen Stimmung soll die Mahnung, zu
vergeben und zu vergessen, Eindruck gemacht haben? Die Freunde des neuen
östreichischen Ministers können höchstens behaupten, daß auch noch andere Eigen¬
schaften desselben zu seiner Berufung führten. Er kam mit den leitenden wiener
Kreisen zu einer Zeit in Berührung, in welcher sich dieselben in ohnmächtigem
Grimm verzehrten, was zu thun und zu lassen sei, platterdings nicht wußten.
Sie erwarteten, den Herrn V. Beust noch rathloser und niedergeschlagener zu
finden. Wie erstaunten sie, als sie in ihm nicht allein die Zuversicht zu sich
selbst, den Glauben an seinen Stern ungebrochen entdeckten, sondern von ihm
auch erfuhren, daß noch eine ganze Apotheke voll von untrüglichen Heilmitteln
für Oestreich existire. Oestreich fehle nur der Muth, wieder groß und mächtig
zu werden. Es müsse nicht alle Fragen und Gefahren wie bisher an sich kommen
lassen, sondern ihnen herausfordernd die Stirne bieten, es müsse die Initiative


Friedenskleide mit dem Oelzweige in der Hand, nicht ähnlich? finden, wird
dieser selbst begreifen. Hätte er in Ischl und dann in Prag dem östreichischen
Hof keinen andern Rath zu ertheilen gewußt, als: Liebet euch, Kindlein, und
küsset die Hand, die euch züchtigt, so wäre ihm gewiß in höflicher aber ent¬
schiedener Weise die Thüre gewiesen worden. Herrn v. Beusts Rechtstitel war
sein persönlicher Haß auf Bismarck, seine Ansprüche auf das höchste östreichische
Staatsamt gründeten sich auf seine Lust und seine Fälligkeit, an Preußen Rache
zu üben. Er hat wohl nicht in einen rothen Mantel gehüllt, bei fahlem Fackel¬
scheine mit gezücktem Dolche eine Rachearie gesungen, er hat aber nichts gethan,
um die von ihm gehegten Erwartungen zu zerstören, wenn man seine ^Ten¬
denzen falsch auffaßt, die Irrthümer zu zerstreuen. Die Stimmung am Hofe
ließ sich doch nicht mißverstehen. Man denkt daselbst etwa so. wie Haupt-
mann Vivenot sich die ganze Sachlage vorstellte. Nachdem Hauptmann Vivenot
den preußischen Staat in seinem berüchtigten Buche über den Herzog von
Sachsen-Teschen mit der Feder vernichtet hatte, wollte er ihm auch mit dem
Schwerte Garaus machen. Er sammelte einzelne Versprengte und Marodeurs
der östreichischen Armee, zog noch mehre Bauern an sich und führte an der
Spille dieser Bande, Landsturm genannt, in den böhmisch-schlesischen Grenz-
districten Krieg mit den Telegraphendrähten und Prvviantfuhrcn. Auch Pro-
clamationen streute er mit freigebiger Hand aus, in welchen er den unerhörten
Frevel Preußens enthüllte. „Der Kurfürst von Brandenburg" wagt den
Kaiser mit Fehde zu überziehen. Ob die böhmischen Bauern Vivenots Ent¬
setzen theilten, wissen wir nicht, das aber ist uns genau bekannt, daß in den
höchsten Kreisen das Wagniß Preußens gleichfalls als ein unerhörtes galt, als
eine Auflehnung gegen die höhere Autorität angesehen wurde und daher der
glorreiche Erfolg der Rebellion auf das tiefste verletzte. Oestreichs Niederlage
erscheint nicht als ein Unglück, sondern als eine Schande, die um jeden Preis
gelöscht werden müsse. Und bei en>>r solchen Stimmung soll die Mahnung, zu
vergeben und zu vergessen, Eindruck gemacht haben? Die Freunde des neuen
östreichischen Ministers können höchstens behaupten, daß auch noch andere Eigen¬
schaften desselben zu seiner Berufung führten. Er kam mit den leitenden wiener
Kreisen zu einer Zeit in Berührung, in welcher sich dieselben in ohnmächtigem
Grimm verzehrten, was zu thun und zu lassen sei, platterdings nicht wußten.
Sie erwarteten, den Herrn V. Beust noch rathloser und niedergeschlagener zu
finden. Wie erstaunten sie, als sie in ihm nicht allein die Zuversicht zu sich
selbst, den Glauben an seinen Stern ungebrochen entdeckten, sondern von ihm
auch erfuhren, daß noch eine ganze Apotheke voll von untrüglichen Heilmitteln
für Oestreich existire. Oestreich fehle nur der Muth, wieder groß und mächtig
zu werden. Es müsse nicht alle Fragen und Gefahren wie bisher an sich kommen
lassen, sondern ihnen herausfordernd die Stirne bieten, es müsse die Initiative


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/124>, abgerufen am 28.09.2024.