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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Stufe einnahm! Der Sold betrug also wohl höchstens das Doppelte des ge¬
wöhnliche", d. h. damals etwa 100 Thaler und Orbilius legte deshalb bald
seine Auszeichnung, einen mit zwei Hörnchen verzierten Helm ab, um -- zur
Cavalcrie überzutreten, zu der er vielleicht eine besondere Passion verspürte, bei
der ihm wenigstens die dreifache Löhnung winkte. Die Zeit, wo die Blüthe
der aristokratischen Jugend sich zum Reiterdienst stellte, war damals längst vor¬
über. Die römischen Ritter wurden Wohl noch vom Censor gemustert und
hielten jährlich einmal einen glänzenden Paradcaufzug durch die Stadt; aber
die Reiterei im Felde bestand lediglich aus Nichtrömern. besonders Kelten und
Germanen, nebenbei auch aus italienischen Freiwilligen. Es war also eine
sehr bunt gemischte Truppengattung und Orbilius mag sich in solcher Umgebung
vereinsamter als je gefühlt haben und oft genug in trübe, bittere Stimmung
gerathen sein. Seine Dienstzeit hätte eigentlich zwanzig Jahre gedauert. Es
scheint aber doch, als ob sie auf irgendeine Weise verkürzt worden sei. Es
heißt nämlich bei Sueton: "Nachdem er den Kiegsdienst überstanden, kehrte er
zu den Studien zurück, mit denen er sich schon von den Knabenjahren an eifrig
befaßt hatte (es läßt sich voraussehen, daß er auch als Soldat an seiner Weiter¬
bildung arbeitete!) und war lange öffentlicher Lehrer in seiner Baterstadt, bis
er endlich im funfzigsten Jahre nach Rom zog." Bet vollständigem Ausdienen
der üblichen Jahre wäre schwerlich eine "lange" Zeit für sein Lehramt in
Benevent übrig geblieben.

Ais Orbilius nach Rom kam, hatte sich der Unterricht schon in verschiedene
Stufen gespalten, wenn auch die Lchrziele der einzelnen Schulanstalten noch
keineswegs fest standen. Auf den Elementarlehrer folgte der sogenannte Gram¬
matiker und von diesem gingen die jungen Leute zum Professor der Rhetorik
über. Orbilius ist lange mit Unrecht in jeder Weise herabgesetzt worden; er
lehrte keineswegs die ersten Elemente des Lesens, Schreibens und Rechnens,
sondern muß den wissenschaftlich gebildeten Grammatikern als Mittcllehrern zuge-
rechnet werden. Dennoch wird die Einrichtung seiner Schule ebenso einfach
und den Gewohnheiten des Südens angemessen gewesen sein, wie die der nie¬
drigeren Lehranstalten, d.h. er miethete sich außer seinem Logis eines jener
luftigen Locale, die außerdem auch zum Ausstellen von Bildern benutzt zu wer¬
den pflegten und aus vcrandaähnlichen Borbauen parterre oder auf dem stachen
Dache bestanden, welche nach der Straße zu ganz offen waren. Bon hier aus
erschallten nun schon in der frühesten Morgenstunde zum Aerger der unerbitt-
lich dadurch den Armen des Schlafes entrissenen Nachbarn die Stimmen der bei
Lampenschein in buntem Chöre rccitirenden Schüler, unterbrochen von dem
"Donnern" des "laut schreienden" Lehrers. Die Schule des Orbilius erwarb
sich bald einen guten Ruf. Fünf Jahre nach ihrer Eröffnung ward der junge
Horaz nach Rom gebracht. Sein Bater war rü Erziehung desselben so gewissen-


Stufe einnahm! Der Sold betrug also wohl höchstens das Doppelte des ge¬
wöhnliche», d. h. damals etwa 100 Thaler und Orbilius legte deshalb bald
seine Auszeichnung, einen mit zwei Hörnchen verzierten Helm ab, um — zur
Cavalcrie überzutreten, zu der er vielleicht eine besondere Passion verspürte, bei
der ihm wenigstens die dreifache Löhnung winkte. Die Zeit, wo die Blüthe
der aristokratischen Jugend sich zum Reiterdienst stellte, war damals längst vor¬
über. Die römischen Ritter wurden Wohl noch vom Censor gemustert und
hielten jährlich einmal einen glänzenden Paradcaufzug durch die Stadt; aber
die Reiterei im Felde bestand lediglich aus Nichtrömern. besonders Kelten und
Germanen, nebenbei auch aus italienischen Freiwilligen. Es war also eine
sehr bunt gemischte Truppengattung und Orbilius mag sich in solcher Umgebung
vereinsamter als je gefühlt haben und oft genug in trübe, bittere Stimmung
gerathen sein. Seine Dienstzeit hätte eigentlich zwanzig Jahre gedauert. Es
scheint aber doch, als ob sie auf irgendeine Weise verkürzt worden sei. Es
heißt nämlich bei Sueton: „Nachdem er den Kiegsdienst überstanden, kehrte er
zu den Studien zurück, mit denen er sich schon von den Knabenjahren an eifrig
befaßt hatte (es läßt sich voraussehen, daß er auch als Soldat an seiner Weiter¬
bildung arbeitete!) und war lange öffentlicher Lehrer in seiner Baterstadt, bis
er endlich im funfzigsten Jahre nach Rom zog." Bet vollständigem Ausdienen
der üblichen Jahre wäre schwerlich eine „lange" Zeit für sein Lehramt in
Benevent übrig geblieben.

Ais Orbilius nach Rom kam, hatte sich der Unterricht schon in verschiedene
Stufen gespalten, wenn auch die Lchrziele der einzelnen Schulanstalten noch
keineswegs fest standen. Auf den Elementarlehrer folgte der sogenannte Gram¬
matiker und von diesem gingen die jungen Leute zum Professor der Rhetorik
über. Orbilius ist lange mit Unrecht in jeder Weise herabgesetzt worden; er
lehrte keineswegs die ersten Elemente des Lesens, Schreibens und Rechnens,
sondern muß den wissenschaftlich gebildeten Grammatikern als Mittcllehrern zuge-
rechnet werden. Dennoch wird die Einrichtung seiner Schule ebenso einfach
und den Gewohnheiten des Südens angemessen gewesen sein, wie die der nie¬
drigeren Lehranstalten, d.h. er miethete sich außer seinem Logis eines jener
luftigen Locale, die außerdem auch zum Ausstellen von Bildern benutzt zu wer¬
den pflegten und aus vcrandaähnlichen Borbauen parterre oder auf dem stachen
Dache bestanden, welche nach der Straße zu ganz offen waren. Bon hier aus
erschallten nun schon in der frühesten Morgenstunde zum Aerger der unerbitt-
lich dadurch den Armen des Schlafes entrissenen Nachbarn die Stimmen der bei
Lampenschein in buntem Chöre rccitirenden Schüler, unterbrochen von dem
„Donnern" des „laut schreienden" Lehrers. Die Schule des Orbilius erwarb
sich bald einen guten Ruf. Fünf Jahre nach ihrer Eröffnung ward der junge
Horaz nach Rom gebracht. Sein Bater war rü Erziehung desselben so gewissen-


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[0109] Stufe einnahm! Der Sold betrug also wohl höchstens das Doppelte des ge¬ wöhnliche», d. h. damals etwa 100 Thaler und Orbilius legte deshalb bald seine Auszeichnung, einen mit zwei Hörnchen verzierten Helm ab, um — zur Cavalcrie überzutreten, zu der er vielleicht eine besondere Passion verspürte, bei der ihm wenigstens die dreifache Löhnung winkte. Die Zeit, wo die Blüthe der aristokratischen Jugend sich zum Reiterdienst stellte, war damals längst vor¬ über. Die römischen Ritter wurden Wohl noch vom Censor gemustert und hielten jährlich einmal einen glänzenden Paradcaufzug durch die Stadt; aber die Reiterei im Felde bestand lediglich aus Nichtrömern. besonders Kelten und Germanen, nebenbei auch aus italienischen Freiwilligen. Es war also eine sehr bunt gemischte Truppengattung und Orbilius mag sich in solcher Umgebung vereinsamter als je gefühlt haben und oft genug in trübe, bittere Stimmung gerathen sein. Seine Dienstzeit hätte eigentlich zwanzig Jahre gedauert. Es scheint aber doch, als ob sie auf irgendeine Weise verkürzt worden sei. Es heißt nämlich bei Sueton: „Nachdem er den Kiegsdienst überstanden, kehrte er zu den Studien zurück, mit denen er sich schon von den Knabenjahren an eifrig befaßt hatte (es läßt sich voraussehen, daß er auch als Soldat an seiner Weiter¬ bildung arbeitete!) und war lange öffentlicher Lehrer in seiner Baterstadt, bis er endlich im funfzigsten Jahre nach Rom zog." Bet vollständigem Ausdienen der üblichen Jahre wäre schwerlich eine „lange" Zeit für sein Lehramt in Benevent übrig geblieben. Ais Orbilius nach Rom kam, hatte sich der Unterricht schon in verschiedene Stufen gespalten, wenn auch die Lchrziele der einzelnen Schulanstalten noch keineswegs fest standen. Auf den Elementarlehrer folgte der sogenannte Gram¬ matiker und von diesem gingen die jungen Leute zum Professor der Rhetorik über. Orbilius ist lange mit Unrecht in jeder Weise herabgesetzt worden; er lehrte keineswegs die ersten Elemente des Lesens, Schreibens und Rechnens, sondern muß den wissenschaftlich gebildeten Grammatikern als Mittcllehrern zuge- rechnet werden. Dennoch wird die Einrichtung seiner Schule ebenso einfach und den Gewohnheiten des Südens angemessen gewesen sein, wie die der nie¬ drigeren Lehranstalten, d.h. er miethete sich außer seinem Logis eines jener luftigen Locale, die außerdem auch zum Ausstellen von Bildern benutzt zu wer¬ den pflegten und aus vcrandaähnlichen Borbauen parterre oder auf dem stachen Dache bestanden, welche nach der Straße zu ganz offen waren. Bon hier aus erschallten nun schon in der frühesten Morgenstunde zum Aerger der unerbitt- lich dadurch den Armen des Schlafes entrissenen Nachbarn die Stimmen der bei Lampenschein in buntem Chöre rccitirenden Schüler, unterbrochen von dem „Donnern" des „laut schreienden" Lehrers. Die Schule des Orbilius erwarb sich bald einen guten Ruf. Fünf Jahre nach ihrer Eröffnung ward der junge Horaz nach Rom gebracht. Sein Bater war rü Erziehung desselben so gewissen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/109>, abgerufen am 22.12.2024.