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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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kräftigen Herrn angemessene Gelegenheit geben, sich in dem neuen Staat zum
Nutzen für das Ganze geltend zu machen, und würde die Schwierigkeiten, welche
die Existenz zahlreicher Staatsoberhäupter darbietet, dadurch überwinden, daß
sie dieselben nicht herabdrückte, sondern heraufhöbe.

Drei Bedenken stehen der Realisirung dieses Projectes zunächst entgegen:

Erstens die Geneigtheit der Mehrzahl unserer Souveräne ist zur Zeit unbe¬
kannt, der gute Wille mehrer thüringischer Fürsten ist sicher. Doch ein entschie¬
dener Wille Preußens könnte hierin viel durchsetzen, denn in Wahrheit stehen
die Fürsten jetzt in der Gefahr, durch ihre eigenen Beamten und Stände all-
mälig mediatisirt, d. h. zunächst zu politischer Bedeutungslosigkeit herabgedrückt
zu werden.

Schwieriger ist der Umstand, daß diese Vertretung von vornherein sehr
ungleichmäßig auf die deutschen Länder sich vertheilt, und daß grade Preußen
dabei sehr ungenügende Stimmenzahl erhält. Die Versammlung wird selten in
Gefahr kommen, sich in ihrer Majorität für das Interesse einzelner Landestheile
zum Schaden des Ganzen zu entscheiden, häufiger in die Gefahr, ein dynastisches
oder Familieninteresse gegenüber den Forderungen der Centralgewalt und dem
Reichstage der Abgeordneten zu vertreten. Es ist deshalb ihre Competenz aus
die Punkte zu dirigiren, bei denen die Centralgewalt eine Vereinbarung mit
den einzelnen Bundesregierungen nöthig hat. Für diese Fälle aber würde
mündliche Verhandlung und persönlicher Austausch der Ansichten sich weit för¬
derlicher beweisen, als der schriftliche Verkehr der Ministerien.

Es ist endlich unmöglich, die hohe Versammlung regierender Herren während
der voraussichtlich langen Sitzungen des deutschen Reichstages fungiren zu lassen,
und daher entsteht die Frage, ob man ihr vor dem Reichstag die Vorlagen zur
Genehmigung unterbreiten und nach dem Reichstag die Bestätigung derselben
xer einholen will, oder ob man derselben das Bestätigungs-, resp. Ver¬
werfungsrecht der von dem Reichstage angenommenen Gesetzentwürfe und An¬
träge zutheilen will, welche der Competenz des höchsten Hauses unterliegen sollen.
Im erster" Falle würde der Fürstentag vor und nach dem Reichstag, im zweiten
Fall nur nach dem Reichstag zusammentreten.

Diese Andeutungen haben nur den Zweck, einzelne Bedenken und die ent¬
sprechenden Vortheile eines Fürstencollegiums in dem neuen Bundesstaat her¬
vorzuheben. Denjenigen, welche im Princip gegen das ganze Institut sind,
weil sie darin eine Erschwerung einheitlicher Organisation erblicken, diene zur
Antwort, daß hier erwogen werden sollte, was auf Grund der neuen mit Preußen
geschlossenen Verträge dem neuen Bundesstaat heilsamer sei, ob ein Fürstentag.
ob ein Kollegium von Gesandten, die in der Weise des alten Bundesstaats an
Instruktionen gebunden sind.

Da nach unserm Ermessen in der neuen Bundesverfassung die Frage nach


kräftigen Herrn angemessene Gelegenheit geben, sich in dem neuen Staat zum
Nutzen für das Ganze geltend zu machen, und würde die Schwierigkeiten, welche
die Existenz zahlreicher Staatsoberhäupter darbietet, dadurch überwinden, daß
sie dieselben nicht herabdrückte, sondern heraufhöbe.

Drei Bedenken stehen der Realisirung dieses Projectes zunächst entgegen:

Erstens die Geneigtheit der Mehrzahl unserer Souveräne ist zur Zeit unbe¬
kannt, der gute Wille mehrer thüringischer Fürsten ist sicher. Doch ein entschie¬
dener Wille Preußens könnte hierin viel durchsetzen, denn in Wahrheit stehen
die Fürsten jetzt in der Gefahr, durch ihre eigenen Beamten und Stände all-
mälig mediatisirt, d. h. zunächst zu politischer Bedeutungslosigkeit herabgedrückt
zu werden.

Schwieriger ist der Umstand, daß diese Vertretung von vornherein sehr
ungleichmäßig auf die deutschen Länder sich vertheilt, und daß grade Preußen
dabei sehr ungenügende Stimmenzahl erhält. Die Versammlung wird selten in
Gefahr kommen, sich in ihrer Majorität für das Interesse einzelner Landestheile
zum Schaden des Ganzen zu entscheiden, häufiger in die Gefahr, ein dynastisches
oder Familieninteresse gegenüber den Forderungen der Centralgewalt und dem
Reichstage der Abgeordneten zu vertreten. Es ist deshalb ihre Competenz aus
die Punkte zu dirigiren, bei denen die Centralgewalt eine Vereinbarung mit
den einzelnen Bundesregierungen nöthig hat. Für diese Fälle aber würde
mündliche Verhandlung und persönlicher Austausch der Ansichten sich weit för¬
derlicher beweisen, als der schriftliche Verkehr der Ministerien.

Es ist endlich unmöglich, die hohe Versammlung regierender Herren während
der voraussichtlich langen Sitzungen des deutschen Reichstages fungiren zu lassen,
und daher entsteht die Frage, ob man ihr vor dem Reichstag die Vorlagen zur
Genehmigung unterbreiten und nach dem Reichstag die Bestätigung derselben
xer einholen will, oder ob man derselben das Bestätigungs-, resp. Ver¬
werfungsrecht der von dem Reichstage angenommenen Gesetzentwürfe und An¬
träge zutheilen will, welche der Competenz des höchsten Hauses unterliegen sollen.
Im erster» Falle würde der Fürstentag vor und nach dem Reichstag, im zweiten
Fall nur nach dem Reichstag zusammentreten.

Diese Andeutungen haben nur den Zweck, einzelne Bedenken und die ent¬
sprechenden Vortheile eines Fürstencollegiums in dem neuen Bundesstaat her¬
vorzuheben. Denjenigen, welche im Princip gegen das ganze Institut sind,
weil sie darin eine Erschwerung einheitlicher Organisation erblicken, diene zur
Antwort, daß hier erwogen werden sollte, was auf Grund der neuen mit Preußen
geschlossenen Verträge dem neuen Bundesstaat heilsamer sei, ob ein Fürstentag.
ob ein Kollegium von Gesandten, die in der Weise des alten Bundesstaats an
Instruktionen gebunden sind.

Da nach unserm Ermessen in der neuen Bundesverfassung die Frage nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/550>, abgerufen am 04.07.2024.