Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auf sein eignes Ziel gerichtet zu bleiben. Er fühlte sich außer Stande zu zeichnen,
und verlieh Böhmen nach den ersten Gefechten. Die anderen hielten länger
aus, bis Pardubitz und Prag, unter Entbehrungen und Fährlichkeiten oft genug
tragikomischer, oft auch ganz ernstlicher Art. Bei Königsgrätz wurden sie von
einer durch einschlagende Granaten erschreckten Traincolonne in den Wirbel ihrer
kurzen Flucht mit hineingerissen, und die Bistritz verschlang bei dieser Gelegenheit
Bleibtreus Skizzenbuch mit allen bisher nach Todten und Lebenden gezeichneten
Studien. Aber sie hatten doch den Krieg gesehen, wie seine Leidenschaft und
Gewalt die Lebendigen bewegt und hinreißt und die Gefallenen auf blutgetränkter
Erde hinbettet, halten die tausendfach wechselnden Scenen der Märsche, der
Lager, des stürmenden Angriffs, der ausdauernden Vertheidigung, der Verband¬
plätze, der Gefangenentransporte, in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit, hatten
den todesfreudigen Mannesmuth, den Schmerz der Wunden und des Sterbens,
die Begeisterung, den trunkenen Jubel des Sieges, und dazu jene Höhen, Wälder,
Schluchten, Dörfer, jene Schauplätze der gewaltigsten Thaten und Entscheidungen
mit eigenen Augen gesehn, und somit Eindrücke in sich aufgenommen, welche
sich der Phantasie wohl tief und unverlöschlich einprägen müssen, auch wo ihr
nicht das sichtbare äußerlich fixirte Erinnerungszeichen zu Hilfe kommt. Aber
L. Burger hat dafür gesorgt, daß es auch an diesem nicht fehle. Er ist für die
Aufgabe, welche ihm hier zufiel, berufen und auserwählt wie kaum ein zweiter
unter den Lebenden. Der unbedingten Sicherheit des Auges und der zeich¬
nenden Hand kommt bei ihm die kaltblütige Ruhe gleich, welche ihn unter den
unbequemste" wie unter den grauenvollsten, ja persönlich gefährlichsten Umständen
nicht verläßt. Jene Sicherheit der Zeichnung ist bei ihm nicht blos Folge eines
freilich außerordentlichen Talents, sondern ebenso der großen Uebung und der
Menge des positiven ganz genauen Wissens von der Natur und besonders von
allem militärischen Wesen. Ich zweifle selbst, ob Menzel das moderne preußische
Heer so völlig künstlerisch " auswendig " weiß, wie Burger. Er mag seine
Soldatengestalten, Pferde, Gcschützwagen ze. noch so frei und lebendig bewegen
-- nie wird ihm der strengste militärische Kamaschcnpcdaiit einen falsch sitzenden
Knopf, Litze, Schnalle, Riemen, ein unverstandenes oder falsches Gewehrschloß,
Porte6p6, ja selbst -- Ordenszeichen auch im kleinsten Bildchen nachzuweisen
vermögen. Für eine genaue künstlerische Chronik der Thaten eines Heeres ist
eine so gründliche absolute Kenntniß seiner Erscheinung immer wichtig. Die¬
selbe, ich möchte sagen, photographische Präcision ist Burgers Tcrrainzeichnungen,
den größeren Totalansichten wie den Detailbildern bestimmter Oertlichkeiten
eigen. Die flüchtigst im drängenden Moment hingeworfene Skizze zeichnet bei
ihm dergleichen Dinge doch immer ganz genau, klar, zuverlässig, überzeugend
und, das Seltsamste, immer elegant und sauber. Diese unverlierbaren Eigen¬
schaften seiner Zeichnung überraschen in seinen Studien vom Kriege doppelt,


auf sein eignes Ziel gerichtet zu bleiben. Er fühlte sich außer Stande zu zeichnen,
und verlieh Böhmen nach den ersten Gefechten. Die anderen hielten länger
aus, bis Pardubitz und Prag, unter Entbehrungen und Fährlichkeiten oft genug
tragikomischer, oft auch ganz ernstlicher Art. Bei Königsgrätz wurden sie von
einer durch einschlagende Granaten erschreckten Traincolonne in den Wirbel ihrer
kurzen Flucht mit hineingerissen, und die Bistritz verschlang bei dieser Gelegenheit
Bleibtreus Skizzenbuch mit allen bisher nach Todten und Lebenden gezeichneten
Studien. Aber sie hatten doch den Krieg gesehen, wie seine Leidenschaft und
Gewalt die Lebendigen bewegt und hinreißt und die Gefallenen auf blutgetränkter
Erde hinbettet, halten die tausendfach wechselnden Scenen der Märsche, der
Lager, des stürmenden Angriffs, der ausdauernden Vertheidigung, der Verband¬
plätze, der Gefangenentransporte, in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit, hatten
den todesfreudigen Mannesmuth, den Schmerz der Wunden und des Sterbens,
die Begeisterung, den trunkenen Jubel des Sieges, und dazu jene Höhen, Wälder,
Schluchten, Dörfer, jene Schauplätze der gewaltigsten Thaten und Entscheidungen
mit eigenen Augen gesehn, und somit Eindrücke in sich aufgenommen, welche
sich der Phantasie wohl tief und unverlöschlich einprägen müssen, auch wo ihr
nicht das sichtbare äußerlich fixirte Erinnerungszeichen zu Hilfe kommt. Aber
L. Burger hat dafür gesorgt, daß es auch an diesem nicht fehle. Er ist für die
Aufgabe, welche ihm hier zufiel, berufen und auserwählt wie kaum ein zweiter
unter den Lebenden. Der unbedingten Sicherheit des Auges und der zeich¬
nenden Hand kommt bei ihm die kaltblütige Ruhe gleich, welche ihn unter den
unbequemste» wie unter den grauenvollsten, ja persönlich gefährlichsten Umständen
nicht verläßt. Jene Sicherheit der Zeichnung ist bei ihm nicht blos Folge eines
freilich außerordentlichen Talents, sondern ebenso der großen Uebung und der
Menge des positiven ganz genauen Wissens von der Natur und besonders von
allem militärischen Wesen. Ich zweifle selbst, ob Menzel das moderne preußische
Heer so völlig künstlerisch „ auswendig " weiß, wie Burger. Er mag seine
Soldatengestalten, Pferde, Gcschützwagen ze. noch so frei und lebendig bewegen
— nie wird ihm der strengste militärische Kamaschcnpcdaiit einen falsch sitzenden
Knopf, Litze, Schnalle, Riemen, ein unverstandenes oder falsches Gewehrschloß,
Porte6p6, ja selbst — Ordenszeichen auch im kleinsten Bildchen nachzuweisen
vermögen. Für eine genaue künstlerische Chronik der Thaten eines Heeres ist
eine so gründliche absolute Kenntniß seiner Erscheinung immer wichtig. Die¬
selbe, ich möchte sagen, photographische Präcision ist Burgers Tcrrainzeichnungen,
den größeren Totalansichten wie den Detailbildern bestimmter Oertlichkeiten
eigen. Die flüchtigst im drängenden Moment hingeworfene Skizze zeichnet bei
ihm dergleichen Dinge doch immer ganz genau, klar, zuverlässig, überzeugend
und, das Seltsamste, immer elegant und sauber. Diese unverlierbaren Eigen¬
schaften seiner Zeichnung überraschen in seinen Studien vom Kriege doppelt,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286676"/>
          <p xml:id="ID_1557" prev="#ID_1556" next="#ID_1558"> auf sein eignes Ziel gerichtet zu bleiben. Er fühlte sich außer Stande zu zeichnen,<lb/>
und verlieh Böhmen nach den ersten Gefechten. Die anderen hielten länger<lb/>
aus, bis Pardubitz und Prag, unter Entbehrungen und Fährlichkeiten oft genug<lb/>
tragikomischer, oft auch ganz ernstlicher Art.  Bei Königsgrätz wurden sie von<lb/>
einer durch einschlagende Granaten erschreckten Traincolonne in den Wirbel ihrer<lb/>
kurzen Flucht mit hineingerissen, und die Bistritz verschlang bei dieser Gelegenheit<lb/>
Bleibtreus Skizzenbuch mit allen bisher nach Todten und Lebenden gezeichneten<lb/>
Studien.  Aber sie hatten doch den Krieg gesehen, wie seine Leidenschaft und<lb/>
Gewalt die Lebendigen bewegt und hinreißt und die Gefallenen auf blutgetränkter<lb/>
Erde hinbettet, halten die tausendfach wechselnden Scenen der Märsche, der<lb/>
Lager, des stürmenden Angriffs, der ausdauernden Vertheidigung, der Verband¬<lb/>
plätze, der Gefangenentransporte, in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit, hatten<lb/>
den todesfreudigen Mannesmuth, den Schmerz der Wunden und des Sterbens,<lb/>
die Begeisterung, den trunkenen Jubel des Sieges, und dazu jene Höhen, Wälder,<lb/>
Schluchten, Dörfer, jene Schauplätze der gewaltigsten Thaten und Entscheidungen<lb/>
mit eigenen Augen gesehn, und somit Eindrücke in sich aufgenommen, welche<lb/>
sich der Phantasie wohl tief und unverlöschlich einprägen müssen, auch wo ihr<lb/>
nicht das sichtbare äußerlich fixirte Erinnerungszeichen zu Hilfe kommt. Aber<lb/>
L. Burger hat dafür gesorgt, daß es auch an diesem nicht fehle. Er ist für die<lb/>
Aufgabe, welche ihm hier zufiel, berufen und auserwählt wie kaum ein zweiter<lb/>
unter den Lebenden. Der unbedingten Sicherheit des Auges und der zeich¬<lb/>
nenden Hand kommt bei ihm die kaltblütige Ruhe gleich, welche ihn unter den<lb/>
unbequemste» wie unter den grauenvollsten, ja persönlich gefährlichsten Umständen<lb/>
nicht verläßt. Jene Sicherheit der Zeichnung ist bei ihm nicht blos Folge eines<lb/>
freilich außerordentlichen Talents, sondern ebenso der großen Uebung und der<lb/>
Menge des positiven ganz genauen Wissens von der Natur und besonders von<lb/>
allem militärischen Wesen. Ich zweifle selbst, ob Menzel das moderne preußische<lb/>
Heer so völlig künstlerisch &#x201E; auswendig " weiß, wie Burger.  Er mag seine<lb/>
Soldatengestalten, Pferde, Gcschützwagen ze. noch so frei und lebendig bewegen<lb/>
&#x2014; nie wird ihm der strengste militärische Kamaschcnpcdaiit einen falsch sitzenden<lb/>
Knopf, Litze, Schnalle, Riemen, ein unverstandenes oder falsches Gewehrschloß,<lb/>
Porte6p6, ja selbst &#x2014; Ordenszeichen auch im kleinsten Bildchen nachzuweisen<lb/>
vermögen. Für eine genaue künstlerische Chronik der Thaten eines Heeres ist<lb/>
eine so gründliche absolute Kenntniß seiner Erscheinung immer wichtig. Die¬<lb/>
selbe, ich möchte sagen, photographische Präcision ist Burgers Tcrrainzeichnungen,<lb/>
den größeren Totalansichten wie den Detailbildern bestimmter Oertlichkeiten<lb/>
eigen.  Die flüchtigst im drängenden Moment hingeworfene Skizze zeichnet bei<lb/>
ihm dergleichen Dinge doch immer ganz genau, klar, zuverlässig, überzeugend<lb/>
und, das Seltsamste, immer elegant und sauber.  Diese unverlierbaren Eigen¬<lb/>
schaften seiner Zeichnung überraschen in seinen Studien vom Kriege doppelt,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0528] auf sein eignes Ziel gerichtet zu bleiben. Er fühlte sich außer Stande zu zeichnen, und verlieh Böhmen nach den ersten Gefechten. Die anderen hielten länger aus, bis Pardubitz und Prag, unter Entbehrungen und Fährlichkeiten oft genug tragikomischer, oft auch ganz ernstlicher Art. Bei Königsgrätz wurden sie von einer durch einschlagende Granaten erschreckten Traincolonne in den Wirbel ihrer kurzen Flucht mit hineingerissen, und die Bistritz verschlang bei dieser Gelegenheit Bleibtreus Skizzenbuch mit allen bisher nach Todten und Lebenden gezeichneten Studien. Aber sie hatten doch den Krieg gesehen, wie seine Leidenschaft und Gewalt die Lebendigen bewegt und hinreißt und die Gefallenen auf blutgetränkter Erde hinbettet, halten die tausendfach wechselnden Scenen der Märsche, der Lager, des stürmenden Angriffs, der ausdauernden Vertheidigung, der Verband¬ plätze, der Gefangenentransporte, in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit, hatten den todesfreudigen Mannesmuth, den Schmerz der Wunden und des Sterbens, die Begeisterung, den trunkenen Jubel des Sieges, und dazu jene Höhen, Wälder, Schluchten, Dörfer, jene Schauplätze der gewaltigsten Thaten und Entscheidungen mit eigenen Augen gesehn, und somit Eindrücke in sich aufgenommen, welche sich der Phantasie wohl tief und unverlöschlich einprägen müssen, auch wo ihr nicht das sichtbare äußerlich fixirte Erinnerungszeichen zu Hilfe kommt. Aber L. Burger hat dafür gesorgt, daß es auch an diesem nicht fehle. Er ist für die Aufgabe, welche ihm hier zufiel, berufen und auserwählt wie kaum ein zweiter unter den Lebenden. Der unbedingten Sicherheit des Auges und der zeich¬ nenden Hand kommt bei ihm die kaltblütige Ruhe gleich, welche ihn unter den unbequemste» wie unter den grauenvollsten, ja persönlich gefährlichsten Umständen nicht verläßt. Jene Sicherheit der Zeichnung ist bei ihm nicht blos Folge eines freilich außerordentlichen Talents, sondern ebenso der großen Uebung und der Menge des positiven ganz genauen Wissens von der Natur und besonders von allem militärischen Wesen. Ich zweifle selbst, ob Menzel das moderne preußische Heer so völlig künstlerisch „ auswendig " weiß, wie Burger. Er mag seine Soldatengestalten, Pferde, Gcschützwagen ze. noch so frei und lebendig bewegen — nie wird ihm der strengste militärische Kamaschcnpcdaiit einen falsch sitzenden Knopf, Litze, Schnalle, Riemen, ein unverstandenes oder falsches Gewehrschloß, Porte6p6, ja selbst — Ordenszeichen auch im kleinsten Bildchen nachzuweisen vermögen. Für eine genaue künstlerische Chronik der Thaten eines Heeres ist eine so gründliche absolute Kenntniß seiner Erscheinung immer wichtig. Die¬ selbe, ich möchte sagen, photographische Präcision ist Burgers Tcrrainzeichnungen, den größeren Totalansichten wie den Detailbildern bestimmter Oertlichkeiten eigen. Die flüchtigst im drängenden Moment hingeworfene Skizze zeichnet bei ihm dergleichen Dinge doch immer ganz genau, klar, zuverlässig, überzeugend und, das Seltsamste, immer elegant und sauber. Diese unverlierbaren Eigen¬ schaften seiner Zeichnung überraschen in seinen Studien vom Kriege doppelt,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/528
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/528>, abgerufen am 04.07.2024.