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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Vaterlandes, doch allen gleichmäßig zu Gute kommen? Dies muß der leitende
Gesichtspunkt jeder Untersuchung sein, welche Ausgleichung zwischen den Finanz¬
verhältnissen der neuen und der alten preußischen Landestheile zum Gegenstande
hat. Mit ihm gelangt man nicht zu so ungeheuerlichen Forderungen, wie sie
Herr Erxleben stellt, der einen Staat im Staate begründen möchte; aber die
rechtmäßigen und wohlverstandenen Interessen Hannovers zu wahren schneidet
auch er keineswegs ab. wie wir gleich darthun wollen.

Zu diesen Interessen gehört es nicht, daß die Gerichtsgebühren in eine zu
Hannover aufgestellte Kasse fließen, statt in die berliner Centralkasse, sondern
lediglich, daß die bewährten Formen der Rechtspflege erhalten werden; und
dagegen hat niemand in Berlin etwas einzuwenden, selbst der jetzige Justiz¬
minister nicht. Zu den rechtmäßigen und wohlverstandenen Interessen Hanno¬
vers gehört ferner nicht ein Provinzialbudget von so unerhörtem Umfang, wie
die Eifersucht des vormaligen Finanzministers es vorschlägt. Es gehört auch
nicht dazu, daß die Ausgaben zur Beförderung der Landwirthschaft und Vieh¬
zucht genau so fortgezahlt werden wie bisher, denn in Hannover selbst sind die
Sachverständigen z. B. höchlich zweifelhaft, ob die 40--45,000 Thlr., welche
auf das Landgestüt in Celle verwendet werden, der einheimischen Pferdezucht
nachgrade nicht mehr Fluch als Segen bringen. Herr Erxleben ist in dieser
Beziehung aufsälligerweise ebenso naiv-gläubig, wie sein Gesinnungsgenosse und
Vorgänger Stüve an die Wunderkraft von Staatsausgaben zur Beförderung
des Handels glaubt. Dagegen gehört es auch unserer Meinung nach zu den
berechtigten Wünschen der Provinz Hannover, daß ihr Steuerwesen nicht ohne
weiteres gegen das nur wenig bessere preußische ausgetauscht werde. Vielmehr
müßte einer solchen Verschmelzung die Reform des preußischen Steuerwesens
jedenfalls vorausgehen, und diese nimmt man füglich erst vor -- wird auch
früher gar keine Zeit dafür haben --, wenn die Vertreter Hannovers im preu¬
ßischen Landtag sitzen, und wenn der Reichstag mit den Regierungen die Finanz¬
verfassung des Bundes festgestellt hat. Der danach dann eintretenden Mehr¬
besteuerung der Hannoveraner im Ganzen oder im Einzelnen aber wird die
preußische Negierung nicht besser den Stachel ausziehen können, als wenn sie
sich gewisse Pläne zur Hebung der materiellen Interessen aneignet, die zur Zeit
des erxlebenschen Ministeriums zwischen diesem und den.ständischen Führern,
R. v. Bennigsen, Miquöl, Grumvrecht u. s. w., festgestellt oder vorbereitet
wurden, insbesondere einen Plan zur Beschleunigung der Ablösung aller noch
übrigen feudalen Dienste, und den Plan, binnen zehn Jahre." das Landstraßen¬
netz der Provinz durch fast 300 Meilen neuer Kunststraßen auf den höchsten
Punkt verkehrentbindender Dichtigkeit zu bringen. Wir wollten, Herr Erxleben
hätte in die Uebertragung dieser wahrhaft werthvollen, wenn auch zunächst zu
Leistungen verpflichtenden Erbschaft auf Preußen, den Schwerpunkt seiner


Vaterlandes, doch allen gleichmäßig zu Gute kommen? Dies muß der leitende
Gesichtspunkt jeder Untersuchung sein, welche Ausgleichung zwischen den Finanz¬
verhältnissen der neuen und der alten preußischen Landestheile zum Gegenstande
hat. Mit ihm gelangt man nicht zu so ungeheuerlichen Forderungen, wie sie
Herr Erxleben stellt, der einen Staat im Staate begründen möchte; aber die
rechtmäßigen und wohlverstandenen Interessen Hannovers zu wahren schneidet
auch er keineswegs ab. wie wir gleich darthun wollen.

Zu diesen Interessen gehört es nicht, daß die Gerichtsgebühren in eine zu
Hannover aufgestellte Kasse fließen, statt in die berliner Centralkasse, sondern
lediglich, daß die bewährten Formen der Rechtspflege erhalten werden; und
dagegen hat niemand in Berlin etwas einzuwenden, selbst der jetzige Justiz¬
minister nicht. Zu den rechtmäßigen und wohlverstandenen Interessen Hanno¬
vers gehört ferner nicht ein Provinzialbudget von so unerhörtem Umfang, wie
die Eifersucht des vormaligen Finanzministers es vorschlägt. Es gehört auch
nicht dazu, daß die Ausgaben zur Beförderung der Landwirthschaft und Vieh¬
zucht genau so fortgezahlt werden wie bisher, denn in Hannover selbst sind die
Sachverständigen z. B. höchlich zweifelhaft, ob die 40—45,000 Thlr., welche
auf das Landgestüt in Celle verwendet werden, der einheimischen Pferdezucht
nachgrade nicht mehr Fluch als Segen bringen. Herr Erxleben ist in dieser
Beziehung aufsälligerweise ebenso naiv-gläubig, wie sein Gesinnungsgenosse und
Vorgänger Stüve an die Wunderkraft von Staatsausgaben zur Beförderung
des Handels glaubt. Dagegen gehört es auch unserer Meinung nach zu den
berechtigten Wünschen der Provinz Hannover, daß ihr Steuerwesen nicht ohne
weiteres gegen das nur wenig bessere preußische ausgetauscht werde. Vielmehr
müßte einer solchen Verschmelzung die Reform des preußischen Steuerwesens
jedenfalls vorausgehen, und diese nimmt man füglich erst vor — wird auch
früher gar keine Zeit dafür haben —, wenn die Vertreter Hannovers im preu¬
ßischen Landtag sitzen, und wenn der Reichstag mit den Regierungen die Finanz¬
verfassung des Bundes festgestellt hat. Der danach dann eintretenden Mehr¬
besteuerung der Hannoveraner im Ganzen oder im Einzelnen aber wird die
preußische Negierung nicht besser den Stachel ausziehen können, als wenn sie
sich gewisse Pläne zur Hebung der materiellen Interessen aneignet, die zur Zeit
des erxlebenschen Ministeriums zwischen diesem und den.ständischen Führern,
R. v. Bennigsen, Miquöl, Grumvrecht u. s. w., festgestellt oder vorbereitet
wurden, insbesondere einen Plan zur Beschleunigung der Ablösung aller noch
übrigen feudalen Dienste, und den Plan, binnen zehn Jahre.» das Landstraßen¬
netz der Provinz durch fast 300 Meilen neuer Kunststraßen auf den höchsten
Punkt verkehrentbindender Dichtigkeit zu bringen. Wir wollten, Herr Erxleben
hätte in die Uebertragung dieser wahrhaft werthvollen, wenn auch zunächst zu
Leistungen verpflichtenden Erbschaft auf Preußen, den Schwerpunkt seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/498>, abgerufen am 04.07.2024.