Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.unvermeidlichen Anschluß an Preußen überzeugt ist. Aber dann hütet sie sich Wirklich scheint auch in der innern Politik die Regierung nicht gewillt, unvermeidlichen Anschluß an Preußen überzeugt ist. Aber dann hütet sie sich Wirklich scheint auch in der innern Politik die Regierung nicht gewillt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286636"/> <p xml:id="ID_1449" prev="#ID_1448"> unvermeidlichen Anschluß an Preußen überzeugt ist. Aber dann hütet sie sich<lb/> jedenfalls, ihre Ueberzeugung kund werden, zu lassen. Vielmehr scheint es ihr<lb/> bis jetzt Vergnügen zu machen, den particularistischcn Elementen wie bisher ihre<lb/> Gunst, den nationalen ihre Ungunst fühlen zu lassen. Der Staatsanzeiger ist<lb/> freilich, gewitzigt, wieder zu seiner früheren harmlosen Objcctivirät zurückgekehrt,<lb/> er hat sogar Anwandlungen einer unbestreitbaren Unparteilichkeit. Aber es<lb/> giebt Nebenwege, auf welchen eine Negierung auf angenehmere Weise, weil durch<lb/> keine Verantwortlichkeit gedeckt, und ebendarum wirksamer ihre Meinung unter<lb/> die Leute bringen kann. Es blüht am Nescnbach eine Anzahl publicistischer<lb/> Talente, nicht vom besten Ruf, die für einige Localblätter thätig sind, auch<lb/> gelegentlich in gewissen auswärtigen großen Organen ihr Wesen treiben. Man<lb/> will wissen, daß diese Leute nicht unzugänglich seien sür Inspiration aus<lb/> höheren Kreisen. Nun wird grade von dieser Sudelpresse, die glücklicherweise<lb/> auswärts unbekannt ist, ein nichtswürdiger Kleinkrieg gegen die preußische<lb/> Partei unterhalten, ein Krieg, der kein Mittel der Verdächtigung scheut und<lb/> jene Verhetzung, die aus den Kriegszeiten datirt, fortwährend zu unterhalten<lb/> beflissen ist. Man würde Unrecht thun, für diese Aeußerungen schwäbischer Eigen¬<lb/> thümlichkeit die Regierung verantwortlich zu machen. Aber man scheint doch auch<lb/> kein Arg daran zu haben, daß dieselben Federn, die dem Ausdruck der höchsten<lb/> Loyalität zur Verfügung stehen, zugleich einer Freiheit der Polemik sich be¬<lb/> dienen, die schon mit den Strafgesetzen in Conflict gerathen ist. An authen¬<lb/> tischen Aeußerungen der Negierung über ihre Stellung zu den deutschen Fragen<lb/> fehlt es, wie gesagt, durchaus. Die Bedrohungen preußenfreundlicher Beamten<lb/> gehören einer früheren Zeit an. Vielleicht darf man auch die Paulische An¬<lb/> gelegenheit nicht eigentlich hierher rechnen. Denn das schwer zu quallficirende<lb/> Vorgehen der Negierung trug in allen Theilen den Stempel der Genugthuung<lb/> für per'sorties empfundene Beleidigung auf der Stirne; so handelt nicht<lb/> politische Ueberlegung, sondern persönliche Leidenschaft. Immerhin aber hat die<lb/> Negierung wenigstens den Verdacht nicht vermieden, als ergreife sie den will¬<lb/> kommenen Anlaß, sich eines politischen Gegners zu entledigen. Im Uebrigen<lb/> scheint sie ohne viele Sorgen abzuwarten und den Eieignissen das Wort zu<lb/> lassen; in abenteuerliche Unternehmungen wird sie sich sicher nicht stürzen, auch<lb/> der süddeutsche Bund wird von Stuttgart aus so wenig betrieben werden als<lb/> von anderen Orten. steuerlos dahin treibend und keinen Nordwind mehr<lb/> spürend lenkt das Staatsschisfchcn wieder in die alten Bahnen zurück. Gleich<lb/> nach geschlossenem Frieden rieben sich die würtembergischen Schreiber vergnügt<lb/> die Hände, daß alles noch so glücklich abgelaufen sei und daß sich nun gemüth¬<lb/> lich weiter wirthschaften lasse, als wäre nichts geschehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1450" next="#ID_1451"> Wirklich scheint auch in der innern Politik die Regierung nicht gewillt,<lb/> von der gewonnenen Freiheit der Bewegung einen allzukühnen Gebrauch zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0488]
unvermeidlichen Anschluß an Preußen überzeugt ist. Aber dann hütet sie sich
jedenfalls, ihre Ueberzeugung kund werden, zu lassen. Vielmehr scheint es ihr
bis jetzt Vergnügen zu machen, den particularistischcn Elementen wie bisher ihre
Gunst, den nationalen ihre Ungunst fühlen zu lassen. Der Staatsanzeiger ist
freilich, gewitzigt, wieder zu seiner früheren harmlosen Objcctivirät zurückgekehrt,
er hat sogar Anwandlungen einer unbestreitbaren Unparteilichkeit. Aber es
giebt Nebenwege, auf welchen eine Negierung auf angenehmere Weise, weil durch
keine Verantwortlichkeit gedeckt, und ebendarum wirksamer ihre Meinung unter
die Leute bringen kann. Es blüht am Nescnbach eine Anzahl publicistischer
Talente, nicht vom besten Ruf, die für einige Localblätter thätig sind, auch
gelegentlich in gewissen auswärtigen großen Organen ihr Wesen treiben. Man
will wissen, daß diese Leute nicht unzugänglich seien sür Inspiration aus
höheren Kreisen. Nun wird grade von dieser Sudelpresse, die glücklicherweise
auswärts unbekannt ist, ein nichtswürdiger Kleinkrieg gegen die preußische
Partei unterhalten, ein Krieg, der kein Mittel der Verdächtigung scheut und
jene Verhetzung, die aus den Kriegszeiten datirt, fortwährend zu unterhalten
beflissen ist. Man würde Unrecht thun, für diese Aeußerungen schwäbischer Eigen¬
thümlichkeit die Regierung verantwortlich zu machen. Aber man scheint doch auch
kein Arg daran zu haben, daß dieselben Federn, die dem Ausdruck der höchsten
Loyalität zur Verfügung stehen, zugleich einer Freiheit der Polemik sich be¬
dienen, die schon mit den Strafgesetzen in Conflict gerathen ist. An authen¬
tischen Aeußerungen der Negierung über ihre Stellung zu den deutschen Fragen
fehlt es, wie gesagt, durchaus. Die Bedrohungen preußenfreundlicher Beamten
gehören einer früheren Zeit an. Vielleicht darf man auch die Paulische An¬
gelegenheit nicht eigentlich hierher rechnen. Denn das schwer zu quallficirende
Vorgehen der Negierung trug in allen Theilen den Stempel der Genugthuung
für per'sorties empfundene Beleidigung auf der Stirne; so handelt nicht
politische Ueberlegung, sondern persönliche Leidenschaft. Immerhin aber hat die
Negierung wenigstens den Verdacht nicht vermieden, als ergreife sie den will¬
kommenen Anlaß, sich eines politischen Gegners zu entledigen. Im Uebrigen
scheint sie ohne viele Sorgen abzuwarten und den Eieignissen das Wort zu
lassen; in abenteuerliche Unternehmungen wird sie sich sicher nicht stürzen, auch
der süddeutsche Bund wird von Stuttgart aus so wenig betrieben werden als
von anderen Orten. steuerlos dahin treibend und keinen Nordwind mehr
spürend lenkt das Staatsschisfchcn wieder in die alten Bahnen zurück. Gleich
nach geschlossenem Frieden rieben sich die würtembergischen Schreiber vergnügt
die Hände, daß alles noch so glücklich abgelaufen sei und daß sich nun gemüth¬
lich weiter wirthschaften lasse, als wäre nichts geschehen.
Wirklich scheint auch in der innern Politik die Regierung nicht gewillt,
von der gewonnenen Freiheit der Bewegung einen allzukühnen Gebrauch zu
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