Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.Neugestaltung beträchtlich verringert. Aber dieser Weg barg für Preußen eine Der Frieden, wie er einmal geschlossen wurde, hatte den Vertrag mit Aber nicht nur in Sachsen, in ganz Deutschland steht die Empfindung 86*
Neugestaltung beträchtlich verringert. Aber dieser Weg barg für Preußen eine Der Frieden, wie er einmal geschlossen wurde, hatte den Vertrag mit Aber nicht nur in Sachsen, in ganz Deutschland steht die Empfindung 86*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286623"/> <p xml:id="ID_1411" prev="#ID_1410"> Neugestaltung beträchtlich verringert. Aber dieser Weg barg für Preußen eine<lb/> große Gefahr. Nicht den augenblicklichen Krieg mit Frankreich. Wohl aber legte<lb/> er dem preußischen Heere die Pflicht auf, für eine Reihe von Jahren auch das<lb/> südliche Terrain bis zu den Alpen zu beschützen und die nöthige Neubildung<lb/> eines deutschen Heeres nicht, wie jetzt geschieht, auf drei bis vier Armeecorps,<lb/> sondern auf eine Truppenmafse auszudehnen, welche im Ganzen fast ebenso<lb/> groß war als die preußische, und zwar zum großen Theil unter abgeneigter<lb/> Bevölkerung. Es ist wohl möglich, daß solche massenhafte Neubildungen die<lb/> innere Kraft und Festigkeit des preußischen Heeres auf viele Jahre nicht Ver¬<lb/> größert, sondern in ähnlicher Weise verringert hätten, wie die des piemontesischen<lb/> Heeres nach dem Erwerb von Italien. Wenn man aus dieser Rücksicht die<lb/> neue exponirte Stellung preußischer Macht scheute, so sind wir nicht in der<lb/> Lage, solche Vorsicht tadeln zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1412"> Der Frieden, wie er einmal geschlossen wurde, hatte den Vertrag mit<lb/> Sachsen zur Folge. Man sieht diesem Actenstück an, wie schwierig die Ver¬<lb/> söhnung war, es ist in allen Hauptpunkten von einer auffallenden Unbestimmt¬<lb/> heit und droht eine Quelle von langwierigen Differenzen der Regierungen zu<lb/> werden. Dieses Blatt hat vermieden, über die Zustände, welche dadurch in<lb/> Sachsen eingeleitet wurden, sich des Weiteren zu äußern; Thatsache ist aber,<lb/> daß durch diesen Vertrag, welcher die sächsische Regierung mit engem Bündniß<lb/> an Preußen schließt, die nationale Partei Sachsens die Partei geworden ist.<lb/> welche die vertragsmäßigen und legalen Interessen Sachsens und des restau-<lb/> rirten Könighauses vertritt. Und es ist nicht unnütz, die specifisch sächsische<lb/> Fronde daran zu erinnern, daß ihre Agitation und ihre Abneigung gegen Preu¬<lb/> ßen nicht nur die eigene Negierung compromittirt, sondern ihr und dem Lande<lb/> auch ernste Gefahren bereiten kann. Nach Abschluß des Friedensvertrages ist<lb/> diese Partei thatsächlich die oppositionelle gegen den Bund und gegen die Ver¬<lb/> pflichtungen der sächsischen Negierung geworden, und die kleinen Mittel, durch<lb/> welche man den Gegensatz zu Preußen und einen specifischen Patriotismus<lb/> lebendig erhalten will, haben in der Hauptsache keine andere Wirkung, als dem<lb/> König und Ministerium von Sachsen das unvermeidlich gewordene freundliche<lb/> Verhältniß zu Preußen zu erschweren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1413" next="#ID_1414"> Aber nicht nur in Sachsen, in ganz Deutschland steht die Empfindung<lb/> obenan, daß wir in einem großen Jnterimisticum leben, und im Beginn<lb/> politischer Neubildungen, deren definitiver Abschluß noch in weiter Ferne liegen<lb/> mag. Gedanke und Wunsch hängen unablässig an der Zukunft, und nur den<lb/> Besseren wird durch die Unsicherheit der politischen Gegenwart die Thatkraft<lb/> gesteigert, mit der sie für eine gute Zukunft in ihrem Kreise zu arbeiten suchen.<lb/> Die nächste Frage aber, welche jetzt alle Seelen erregt, ist Verfassung und<lb/> Parlament des neuen Bundesstaates. In acht Wochen soll der Reichstag zu-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 86*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0475]
Neugestaltung beträchtlich verringert. Aber dieser Weg barg für Preußen eine
große Gefahr. Nicht den augenblicklichen Krieg mit Frankreich. Wohl aber legte
er dem preußischen Heere die Pflicht auf, für eine Reihe von Jahren auch das
südliche Terrain bis zu den Alpen zu beschützen und die nöthige Neubildung
eines deutschen Heeres nicht, wie jetzt geschieht, auf drei bis vier Armeecorps,
sondern auf eine Truppenmafse auszudehnen, welche im Ganzen fast ebenso
groß war als die preußische, und zwar zum großen Theil unter abgeneigter
Bevölkerung. Es ist wohl möglich, daß solche massenhafte Neubildungen die
innere Kraft und Festigkeit des preußischen Heeres auf viele Jahre nicht Ver¬
größert, sondern in ähnlicher Weise verringert hätten, wie die des piemontesischen
Heeres nach dem Erwerb von Italien. Wenn man aus dieser Rücksicht die
neue exponirte Stellung preußischer Macht scheute, so sind wir nicht in der
Lage, solche Vorsicht tadeln zu können.
Der Frieden, wie er einmal geschlossen wurde, hatte den Vertrag mit
Sachsen zur Folge. Man sieht diesem Actenstück an, wie schwierig die Ver¬
söhnung war, es ist in allen Hauptpunkten von einer auffallenden Unbestimmt¬
heit und droht eine Quelle von langwierigen Differenzen der Regierungen zu
werden. Dieses Blatt hat vermieden, über die Zustände, welche dadurch in
Sachsen eingeleitet wurden, sich des Weiteren zu äußern; Thatsache ist aber,
daß durch diesen Vertrag, welcher die sächsische Regierung mit engem Bündniß
an Preußen schließt, die nationale Partei Sachsens die Partei geworden ist.
welche die vertragsmäßigen und legalen Interessen Sachsens und des restau-
rirten Könighauses vertritt. Und es ist nicht unnütz, die specifisch sächsische
Fronde daran zu erinnern, daß ihre Agitation und ihre Abneigung gegen Preu¬
ßen nicht nur die eigene Negierung compromittirt, sondern ihr und dem Lande
auch ernste Gefahren bereiten kann. Nach Abschluß des Friedensvertrages ist
diese Partei thatsächlich die oppositionelle gegen den Bund und gegen die Ver¬
pflichtungen der sächsischen Negierung geworden, und die kleinen Mittel, durch
welche man den Gegensatz zu Preußen und einen specifischen Patriotismus
lebendig erhalten will, haben in der Hauptsache keine andere Wirkung, als dem
König und Ministerium von Sachsen das unvermeidlich gewordene freundliche
Verhältniß zu Preußen zu erschweren.
Aber nicht nur in Sachsen, in ganz Deutschland steht die Empfindung
obenan, daß wir in einem großen Jnterimisticum leben, und im Beginn
politischer Neubildungen, deren definitiver Abschluß noch in weiter Ferne liegen
mag. Gedanke und Wunsch hängen unablässig an der Zukunft, und nur den
Besseren wird durch die Unsicherheit der politischen Gegenwart die Thatkraft
gesteigert, mit der sie für eine gute Zukunft in ihrem Kreise zu arbeiten suchen.
Die nächste Frage aber, welche jetzt alle Seelen erregt, ist Verfassung und
Parlament des neuen Bundesstaates. In acht Wochen soll der Reichstag zu-
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