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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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sollt und dieses Geschenf, Ihr habt es bereit. Ihr braucht es von keiner trüge¬
rischen Zukunft zu erwarten. Der Norden wird Euch dankbarer dafür sein, als
für alle die sieben Sachen, welche ihm ins Blaue hinein verheißen werden auf
entfernte, unmögliche Tage hin.

Lasset Euch nicht irre machen durch das Geschrei: weil dies und das mi߬
fällig sei an Preußen, so müßtet Ihr mit ihm schmollen, wie Weiber oder Kin¬
der, zu Eurem eigenen Schabernack. Wenn man solchen thörichten Eingebungen
das Ohr öffnet, so kommt man am Ende dahin, wie die guten Hanauer, dem
entthronten Kurfürsten noch Vivats zu bringen. War das nicht jämmerlich?
Nach hundert Jahren erhört das Schicksal den Weheruf der unglücklichen Hessen;
nicht segen-, aber goldbeladen verläßt der letzte dieser Dränger den Schauplatz
seine" Herrschaft, da findet er Gimpel auf den Straßen der Turnerstadt, welche
ihm beinahe die Pferde ausspannen, -- blos weil sie die Preußen nicht leiden
können. Welche Schande vor Europa und vor den Fürsten selbst, die solche
Thorheit tief verachten müssen!

Das haben die Hanauer vergessen, daß nicht der Preuß allein zur Hand
sein kann, wenn es gilt, einem Voll sein Recht zu nehmen. Was war doch im
Jahre fünfzig geschehen? Als die braven Kurhessen unbeugsam standen, als die
Offiziere ihrer Armee -- ewiger Ruhm sei ihnen, diesen herrlichen Offizieren!
-- sich weigerten, gegen die Bürger und die Verfassung den Degen zu ziehen,
wer kam ins Quartier, um ein Ende zu machen? Der bayrische Soldat, und
lange noch ehe der Strafpreuße, war der Strafbayer erfunden; ehe die Requi-
sitionscigarren entdeckt waren, hat der Bayer die Requisitionsknödel in Hessen
eingeführt und mehr als einer -- heißt es -- habe sich an Ort und Stelle zu
Tode gefressen. Der preußische Soldat ist nicht schlimmer als der bayrische, und
der bayrische ist nicht schlimmer als der preußische. Es kommt nur daraus an,
wohin man sie stellt, und wer ihnen befiehlt.

Nicht nach solchen Launen und Vorurtheilen ziemt es sich zu handeln, wenn
die ewigen Geschicke des Vaterlandes zur Entscheidung kommen. Niemand aber
ist mehr berufen, in diesem schweren Augenblick seinen Ausspruch zu bedenken
als die Hessen, Niemandem ist es leichter gemacht, die Wahrheit zu erkennen
als ihnen.

Denn, wenn man ihnen zumuthet, gegen Preußen Front zu machen, so
frage man doch erst einmal, ob sie auch noch die Wahl haben? Ist denn Mainz
noch Hessen-darmstädtisch? Wenn es heut dem preußischen Gouverneur gefällt,
den Belagerungszustand zu verhängen, so steht die ganze darmstädter Maschine
still und die Mainzer sind thatsächlich Preußen. -- Preußen in allem, was ihnen
schaden kann, nur in dem, was ihnen nützen sollte, bleiben sie Hessen und von
ihren preußischen Herren zurückgesetzt, mit Gleichgiltigkeit behandelt.

Damit ist aber die Sache noch nicht zu Ende. Eine andere Provinz des


sollt und dieses Geschenf, Ihr habt es bereit. Ihr braucht es von keiner trüge¬
rischen Zukunft zu erwarten. Der Norden wird Euch dankbarer dafür sein, als
für alle die sieben Sachen, welche ihm ins Blaue hinein verheißen werden auf
entfernte, unmögliche Tage hin.

Lasset Euch nicht irre machen durch das Geschrei: weil dies und das mi߬
fällig sei an Preußen, so müßtet Ihr mit ihm schmollen, wie Weiber oder Kin¬
der, zu Eurem eigenen Schabernack. Wenn man solchen thörichten Eingebungen
das Ohr öffnet, so kommt man am Ende dahin, wie die guten Hanauer, dem
entthronten Kurfürsten noch Vivats zu bringen. War das nicht jämmerlich?
Nach hundert Jahren erhört das Schicksal den Weheruf der unglücklichen Hessen;
nicht segen-, aber goldbeladen verläßt der letzte dieser Dränger den Schauplatz
seine» Herrschaft, da findet er Gimpel auf den Straßen der Turnerstadt, welche
ihm beinahe die Pferde ausspannen, — blos weil sie die Preußen nicht leiden
können. Welche Schande vor Europa und vor den Fürsten selbst, die solche
Thorheit tief verachten müssen!

Das haben die Hanauer vergessen, daß nicht der Preuß allein zur Hand
sein kann, wenn es gilt, einem Voll sein Recht zu nehmen. Was war doch im
Jahre fünfzig geschehen? Als die braven Kurhessen unbeugsam standen, als die
Offiziere ihrer Armee — ewiger Ruhm sei ihnen, diesen herrlichen Offizieren!
— sich weigerten, gegen die Bürger und die Verfassung den Degen zu ziehen,
wer kam ins Quartier, um ein Ende zu machen? Der bayrische Soldat, und
lange noch ehe der Strafpreuße, war der Strafbayer erfunden; ehe die Requi-
sitionscigarren entdeckt waren, hat der Bayer die Requisitionsknödel in Hessen
eingeführt und mehr als einer — heißt es — habe sich an Ort und Stelle zu
Tode gefressen. Der preußische Soldat ist nicht schlimmer als der bayrische, und
der bayrische ist nicht schlimmer als der preußische. Es kommt nur daraus an,
wohin man sie stellt, und wer ihnen befiehlt.

Nicht nach solchen Launen und Vorurtheilen ziemt es sich zu handeln, wenn
die ewigen Geschicke des Vaterlandes zur Entscheidung kommen. Niemand aber
ist mehr berufen, in diesem schweren Augenblick seinen Ausspruch zu bedenken
als die Hessen, Niemandem ist es leichter gemacht, die Wahrheit zu erkennen
als ihnen.

Denn, wenn man ihnen zumuthet, gegen Preußen Front zu machen, so
frage man doch erst einmal, ob sie auch noch die Wahl haben? Ist denn Mainz
noch Hessen-darmstädtisch? Wenn es heut dem preußischen Gouverneur gefällt,
den Belagerungszustand zu verhängen, so steht die ganze darmstädter Maschine
still und die Mainzer sind thatsächlich Preußen. — Preußen in allem, was ihnen
schaden kann, nur in dem, was ihnen nützen sollte, bleiben sie Hessen und von
ihren preußischen Herren zurückgesetzt, mit Gleichgiltigkeit behandelt.

Damit ist aber die Sache noch nicht zu Ende. Eine andere Provinz des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/468>, abgerufen am 04.07.2024.