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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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die Vereinigung der fischenden Schiffe zu gemeinschaftlichem Transport, das Eis.
die Eisenbahnen. Die Kurre, ein siebzig Fuß langes und vierzig Fuß breites
Netz, mit einem schweren Baum an der Mündung, um dieselbe offen zu halten,
und mit langen engen Taschen der unteren Spitze zu, fährt langsam über den
Meeresboden, stöbert alles dort schwimmende Gethier aus seiner freien Ruhe
und hält es in Massen fest. Zungen und Schollen, von denen die ersteren in
London die beliebtesten aller Seefische find, lassen sich kaum anders als durch
die Kurre fangen. Die Snack sodann, welche das Netz gelassen treibend hinter
sich her schleppt, hält mehr oder weniger das ganze Jahr die See, während
unsere deutschen Ewer und' Schaluppen oft sogar im Sommer wochenlang im
Hafen bleiben müssen, weil ein etwas frischerer Wind bläst. Um die kostbare
Fähigkeit unausgesetzten Betriebes völlig auszunutzen, überlassen die Smacks
das Geschäft, ihren Fang an den Markt zu bringen und ihre erschöpften Eis'
Vorräthe zu ergänzen, einem eigens dafür gebauten und eingerichteten Trans¬
portschiff, Schnellsegler (Jäger) oder Dampfer. Das Eis steigert die Haltbarkeit
des Fisches ums Zehnfache oder mehr, während endlich die Eisenbahnen ihn
rasch über das ganze Land hin befördern. So oft in England eine neue
Schienenverbindung zwischen einem Küstenpunkte und dem Innern eröffnet
wird, spüren es zunächst die Fischmärkte der großen Städte durch vermehrte
Zufuhr; und wenn das schottische Hochland demnächst aller Terrainschwierigkeiten
ungeachtet seine Bahn erhalten wird, so ist es der Häringsfang von Wink, die
Spekulation auf frische, nicht auf gesalzene (weiße) "'der geräucherte (rothe).
Häringe hauptsächlich, was dazu treibt. Auch in Deutschland haben wir Aehn-
liches schon erlebt, wenn auch dem kleinen Maßstab unseres Seefischereibetriebes
entsprechend. Der blühende Schellsischhandel der Inseln Norderney und Bor.
tun ist ein Kind der in Emden mündenden hannoverischen Westbahn und würde
seine Dimensionen verdoppeln und verdreifachen, sobald die Bahn über Norden
bis Norddeich, Norderney gegenüber, weitergeführt würde.

Die Mitte der von Fischen wimmelnden Doggerbank ist von Emden nicht
viel weiter entfernt als von Hull, und von Brem^erhaven nicht einmal ganz so
weit wie von London, während Boulogne dorthin noch etwas weiter hat als
die englische Hauptstadt. Allein auch diesseits der Doggerbank, ja unmittelbar
jenseits der dem nordwestdeutschen Ufer vorgeschobenen Inselkette liegen Fisch¬
gründe, die so reichlich lohnen, daß englische Trawler die weite Fahrt von
Grimsby oder Aarmoutl^ nicht scheuen, um hier zu Hunderten ihre Beute zu
holen. Eine hier fischende deutsche Trawler- oder Kurrerflotte (wenn man nach
englischer Analogie für den neuen Begriff ein neues Wort bilden darf), die
von Bremerhaven oder Emden ausführe, würde dreimal so rasch ihren Fang auf
den nächstgelegenen Bahnhof liefern und dreimal so rasch ihre Vorräthe an Eis
oder Lebensmitteln erneuern können, d. h. dreimal so wenig an Transportkosten


die Vereinigung der fischenden Schiffe zu gemeinschaftlichem Transport, das Eis.
die Eisenbahnen. Die Kurre, ein siebzig Fuß langes und vierzig Fuß breites
Netz, mit einem schweren Baum an der Mündung, um dieselbe offen zu halten,
und mit langen engen Taschen der unteren Spitze zu, fährt langsam über den
Meeresboden, stöbert alles dort schwimmende Gethier aus seiner freien Ruhe
und hält es in Massen fest. Zungen und Schollen, von denen die ersteren in
London die beliebtesten aller Seefische find, lassen sich kaum anders als durch
die Kurre fangen. Die Snack sodann, welche das Netz gelassen treibend hinter
sich her schleppt, hält mehr oder weniger das ganze Jahr die See, während
unsere deutschen Ewer und' Schaluppen oft sogar im Sommer wochenlang im
Hafen bleiben müssen, weil ein etwas frischerer Wind bläst. Um die kostbare
Fähigkeit unausgesetzten Betriebes völlig auszunutzen, überlassen die Smacks
das Geschäft, ihren Fang an den Markt zu bringen und ihre erschöpften Eis'
Vorräthe zu ergänzen, einem eigens dafür gebauten und eingerichteten Trans¬
portschiff, Schnellsegler (Jäger) oder Dampfer. Das Eis steigert die Haltbarkeit
des Fisches ums Zehnfache oder mehr, während endlich die Eisenbahnen ihn
rasch über das ganze Land hin befördern. So oft in England eine neue
Schienenverbindung zwischen einem Küstenpunkte und dem Innern eröffnet
wird, spüren es zunächst die Fischmärkte der großen Städte durch vermehrte
Zufuhr; und wenn das schottische Hochland demnächst aller Terrainschwierigkeiten
ungeachtet seine Bahn erhalten wird, so ist es der Häringsfang von Wink, die
Spekulation auf frische, nicht auf gesalzene (weiße) »'der geräucherte (rothe).
Häringe hauptsächlich, was dazu treibt. Auch in Deutschland haben wir Aehn-
liches schon erlebt, wenn auch dem kleinen Maßstab unseres Seefischereibetriebes
entsprechend. Der blühende Schellsischhandel der Inseln Norderney und Bor.
tun ist ein Kind der in Emden mündenden hannoverischen Westbahn und würde
seine Dimensionen verdoppeln und verdreifachen, sobald die Bahn über Norden
bis Norddeich, Norderney gegenüber, weitergeführt würde.

Die Mitte der von Fischen wimmelnden Doggerbank ist von Emden nicht
viel weiter entfernt als von Hull, und von Brem^erhaven nicht einmal ganz so
weit wie von London, während Boulogne dorthin noch etwas weiter hat als
die englische Hauptstadt. Allein auch diesseits der Doggerbank, ja unmittelbar
jenseits der dem nordwestdeutschen Ufer vorgeschobenen Inselkette liegen Fisch¬
gründe, die so reichlich lohnen, daß englische Trawler die weite Fahrt von
Grimsby oder Aarmoutl^ nicht scheuen, um hier zu Hunderten ihre Beute zu
holen. Eine hier fischende deutsche Trawler- oder Kurrerflotte (wenn man nach
englischer Analogie für den neuen Begriff ein neues Wort bilden darf), die
von Bremerhaven oder Emden ausführe, würde dreimal so rasch ihren Fang auf
den nächstgelegenen Bahnhof liefern und dreimal so rasch ihre Vorräthe an Eis
oder Lebensmitteln erneuern können, d. h. dreimal so wenig an Transportkosten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/453>, abgerufen am 04.07.2024.