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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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bearbeitet worden. Zwischen England und dem Festlande ist das deutsche Meer
durchschnittlich 90 Fuß tief; ein Fünftel desselben, so groß wie die Oberfläche
von Irland, besteht aus Bänken, die durch die Schlammniedcrschläge der hier
mündenden Ströme noch beständig wachsen; auf ihnen vorzugsweise halten sich
die Thiere des Oceans auf, und wer nur will, mag sich dort reichlich lohnenden
Antheil holen."

Das thun denn auch mehr oder weniger alle in der Nähe wohnenden see¬
fahrenden Nationen, mit alleiniger Ausnahme der Deutschen. Die Norweger
liefern den größten Theil der überhaupt in den Welthandel kommenden Hcuinge
und einen beträchtlichen Theil des Stockfisches, obendrein seit 1860 eine jährlich
wachsende Menge frischen Fisches in Eis verpackt für den englischen Markt.
Die Franzosen sind sowohl an der bei Neufundland betriebenen großartigen
Stockfischbereitung als an dem Häringssang längs der schottisch-englischen Küste
betheiligt; die großen Trawler von Boulogne u. s. w. fischen auch regelmäßig
auf der Doggerbank. Die Holländer haben zwar den größten Theil der Ver¬
sorgung Europas mit gesalzenen und geräucherten Hcinngen (Bücklingen), die
sie früher ausschließlich innehalten, an Norweger und Schotten abgeben müssen,
behaupten aber immer noch den Ruhm der besten Zubereitung in diesem Artikel,
und geben außerdem zusehends mehr frischen Fisch an Deutschland ab. Aber
nicht allein von Scheveningen, auch von dem Mittelpunkt des belgischen Fisch¬
fangs, Ostende, wird der bedeutendste deutsche Fischmarkt, der in Köln, regel¬
mäßig versehen. Die Dänen, welche sich lange gleich den deutschen Handels¬
plätzen Stettin, Danzig, Königsberg und Harburg mit der bloßen Spedition
norwegischen und schottischen Fanges begnügt hatten, sind im vorigen Jahre
durch eine Actiengesellschaft. deren Director der bekannte unternehmende Ca-
pitän Hammer ist, in die Reihe der den Seefischfang im Großen betreibenden
Völker mit eingetreten.

Nur wir Deutsche haben diesen Geschäftszweig bisher unbcgr5if>icherweise
vernachlässigt. Es scheint, als hätte der Untergang des von Emden aus be¬
triebenen Häringsfangs und der von Bremen aus betriebenen Walsischjagd, die
beide einst blühende Erwerbszweige waren, die deutschen Kaufleute, Rheder und
Seefahrer abgeschreckt, auf den nassen Jagdgründen pirschen zu gehn. Als Emden
das erste Mal zu Preußen gehörte, nahm es einen kräftigen Anlauf, den Hol¬
ländern ihr Hänngsmonopol für den deutschen Markt wenigstens zu entreißen.
Es war sechs Jahre nach dem Ende des siebenjährigen Krieges, als es Friedrich
dem Großen gelang, in Ostfriesland eine Companie für den-Häringssang auf
die Beine zu bringen. Sie wuchs, wie O. Klopp, sonst bekanntlich der syste¬
matische Verkleinerer des großen Königs, sich ausdrückt, "zu einem ergiebigen
Baume des Lebens für viele Menschen heran". Klopp schildert die Blüthe des
ostfriesischen Häringsfangs von 1770 bis 1806 nicht übel folgendermaßen: "Der


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bearbeitet worden. Zwischen England und dem Festlande ist das deutsche Meer
durchschnittlich 90 Fuß tief; ein Fünftel desselben, so groß wie die Oberfläche
von Irland, besteht aus Bänken, die durch die Schlammniedcrschläge der hier
mündenden Ströme noch beständig wachsen; auf ihnen vorzugsweise halten sich
die Thiere des Oceans auf, und wer nur will, mag sich dort reichlich lohnenden
Antheil holen."

Das thun denn auch mehr oder weniger alle in der Nähe wohnenden see¬
fahrenden Nationen, mit alleiniger Ausnahme der Deutschen. Die Norweger
liefern den größten Theil der überhaupt in den Welthandel kommenden Hcuinge
und einen beträchtlichen Theil des Stockfisches, obendrein seit 1860 eine jährlich
wachsende Menge frischen Fisches in Eis verpackt für den englischen Markt.
Die Franzosen sind sowohl an der bei Neufundland betriebenen großartigen
Stockfischbereitung als an dem Häringssang längs der schottisch-englischen Küste
betheiligt; die großen Trawler von Boulogne u. s. w. fischen auch regelmäßig
auf der Doggerbank. Die Holländer haben zwar den größten Theil der Ver¬
sorgung Europas mit gesalzenen und geräucherten Hcinngen (Bücklingen), die
sie früher ausschließlich innehalten, an Norweger und Schotten abgeben müssen,
behaupten aber immer noch den Ruhm der besten Zubereitung in diesem Artikel,
und geben außerdem zusehends mehr frischen Fisch an Deutschland ab. Aber
nicht allein von Scheveningen, auch von dem Mittelpunkt des belgischen Fisch¬
fangs, Ostende, wird der bedeutendste deutsche Fischmarkt, der in Köln, regel¬
mäßig versehen. Die Dänen, welche sich lange gleich den deutschen Handels¬
plätzen Stettin, Danzig, Königsberg und Harburg mit der bloßen Spedition
norwegischen und schottischen Fanges begnügt hatten, sind im vorigen Jahre
durch eine Actiengesellschaft. deren Director der bekannte unternehmende Ca-
pitän Hammer ist, in die Reihe der den Seefischfang im Großen betreibenden
Völker mit eingetreten.

Nur wir Deutsche haben diesen Geschäftszweig bisher unbcgr5if>icherweise
vernachlässigt. Es scheint, als hätte der Untergang des von Emden aus be¬
triebenen Häringsfangs und der von Bremen aus betriebenen Walsischjagd, die
beide einst blühende Erwerbszweige waren, die deutschen Kaufleute, Rheder und
Seefahrer abgeschreckt, auf den nassen Jagdgründen pirschen zu gehn. Als Emden
das erste Mal zu Preußen gehörte, nahm es einen kräftigen Anlauf, den Hol¬
ländern ihr Hänngsmonopol für den deutschen Markt wenigstens zu entreißen.
Es war sechs Jahre nach dem Ende des siebenjährigen Krieges, als es Friedrich
dem Großen gelang, in Ostfriesland eine Companie für den-Häringssang auf
die Beine zu bringen. Sie wuchs, wie O. Klopp, sonst bekanntlich der syste¬
matische Verkleinerer des großen Königs, sich ausdrückt, „zu einem ergiebigen
Baume des Lebens für viele Menschen heran". Klopp schildert die Blüthe des
ostfriesischen Häringsfangs von 1770 bis 1806 nicht übel folgendermaßen: „Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/449>, abgerufen am 04.07.2024.