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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Ziel, das man anstrebte. Graf Belcredi wird die Genugthuung haben, die
östreichischen Völker belehren zu können, daß der Standpunkt von ehedem der
allein richtige, der Absolutismus die allein mögliche Verfassungsform für
das vielartige Reich im Südosten, daß er allen alles gewährt, Einheit dem
Staate und Freiheit dem Einzelnen, jene Freiheit nämlich, die man ihm schon
als Lohn der Kämpfe gegen Napoleon den Ersten pries, "seine eigenen Ge-
setze zu bewahren".

Das Gelingen dieses Staatsklugen Planes geht mit Riesenschritten seiner
Vollendung entgegen. Selbst die Deutschen sind uneins geworden, gespalten in
Autonomisten und Centralisten. Ebenso wird in Ungarn weder Deal, noch die
Partei des "Hom" (Vaterland) die aufrichtige Versöhnung herbeiführen; Czechien
verlangt nur nach der Wenzelskrone. Polens Wünsche sind gestillt durch den
Grafen Agenor v. Goluchowsky. Dazu kommt, daß auch die Staatsschuld so
schnell reitet wie die Todten, denn sie wuchs mit den letzten Ereignissen um
nahezu 500 Millionen und das neueste Darlehen wurde zur Hälfte des Nenn¬
werthes aufgenommen. Das hält auf die Dauer auch ein Staat mit den
reichsten Hilfsquellen nicht aus, geschweige denn ein solcher, dessen Gewerbsfleiß
so schwer betroffen wurde. Ein herzhafter Schritt könnte diesfalls jede Volks¬
vertretung für lange entbehrlich machen.

Doch der verhängnißvolle Lauf der Dinge ist durch einen neuen Einfall
unterbrochen; Freiherr v. Beust hat sein gewandtes Talent Oestreich zur Verfügung
gestellt. Hand in Hand mit dem Staatsminister. der seinem Traume von der
Wiedererweckung der Gaugrafen entsagt, wird er den Verfassungsbau zum Ab¬
schluß bringen. Vertrauen und Muth werden durch die Verbindung mit den West-
mächtcn wiederkehren. Allen Versicherungen von der Politik des Friedens und
der Versöhnlichkeit ohngeachtet scheint uns hier die Ernennung des Freiherrn
v. Beust zum östreichischen Minister des Auswärtigen mehr Vorliebe für die alte
Bundesacte als Anerkennung der Neugestaltung Deutschlands, mehr Festhalten
am Legitimitätsprincip als Fortschritt auf constitutioneller Bahn anzudeuten.
Möglich, daß wieder einige halbe Zugeständnisse gemacht werden, aber die
Halbheiten waren eben stets das Unglück der östreichischen Regierung. Man
behielt in der Februarverfassung die Landtage bei, stellte ein den alten Ständen
ähnliches Institut her und baute dadurch die Brücke für völlige Rückkehr zum
Absolutismus. Wie dieser das Mark des Staates angefressen und welche Früchte
die Günstlings- und Pfaffenwirthschaft getragen, sagte jedem mit Donnerstimme,
der zwölftägige Feldzug gegen Preußen, und siehe da, die Schwäche des Staats
wird durch Beseitigung einiger Generale geheilt, und die wälschen Jesuiten über¬
ziehen wie Heuschrecken das deutsche Land. Wenn das Ministerium Beust-Belcredi
in diesem Geiste fortfährt, wird es wenigstens die Entdeckung machen, daß infolge
des nächsten Krieges einige Provinzen losgeschält und das Band der übrigen


Ziel, das man anstrebte. Graf Belcredi wird die Genugthuung haben, die
östreichischen Völker belehren zu können, daß der Standpunkt von ehedem der
allein richtige, der Absolutismus die allein mögliche Verfassungsform für
das vielartige Reich im Südosten, daß er allen alles gewährt, Einheit dem
Staate und Freiheit dem Einzelnen, jene Freiheit nämlich, die man ihm schon
als Lohn der Kämpfe gegen Napoleon den Ersten pries, „seine eigenen Ge-
setze zu bewahren".

Das Gelingen dieses Staatsklugen Planes geht mit Riesenschritten seiner
Vollendung entgegen. Selbst die Deutschen sind uneins geworden, gespalten in
Autonomisten und Centralisten. Ebenso wird in Ungarn weder Deal, noch die
Partei des „Hom" (Vaterland) die aufrichtige Versöhnung herbeiführen; Czechien
verlangt nur nach der Wenzelskrone. Polens Wünsche sind gestillt durch den
Grafen Agenor v. Goluchowsky. Dazu kommt, daß auch die Staatsschuld so
schnell reitet wie die Todten, denn sie wuchs mit den letzten Ereignissen um
nahezu 500 Millionen und das neueste Darlehen wurde zur Hälfte des Nenn¬
werthes aufgenommen. Das hält auf die Dauer auch ein Staat mit den
reichsten Hilfsquellen nicht aus, geschweige denn ein solcher, dessen Gewerbsfleiß
so schwer betroffen wurde. Ein herzhafter Schritt könnte diesfalls jede Volks¬
vertretung für lange entbehrlich machen.

Doch der verhängnißvolle Lauf der Dinge ist durch einen neuen Einfall
unterbrochen; Freiherr v. Beust hat sein gewandtes Talent Oestreich zur Verfügung
gestellt. Hand in Hand mit dem Staatsminister. der seinem Traume von der
Wiedererweckung der Gaugrafen entsagt, wird er den Verfassungsbau zum Ab¬
schluß bringen. Vertrauen und Muth werden durch die Verbindung mit den West-
mächtcn wiederkehren. Allen Versicherungen von der Politik des Friedens und
der Versöhnlichkeit ohngeachtet scheint uns hier die Ernennung des Freiherrn
v. Beust zum östreichischen Minister des Auswärtigen mehr Vorliebe für die alte
Bundesacte als Anerkennung der Neugestaltung Deutschlands, mehr Festhalten
am Legitimitätsprincip als Fortschritt auf constitutioneller Bahn anzudeuten.
Möglich, daß wieder einige halbe Zugeständnisse gemacht werden, aber die
Halbheiten waren eben stets das Unglück der östreichischen Regierung. Man
behielt in der Februarverfassung die Landtage bei, stellte ein den alten Ständen
ähnliches Institut her und baute dadurch die Brücke für völlige Rückkehr zum
Absolutismus. Wie dieser das Mark des Staates angefressen und welche Früchte
die Günstlings- und Pfaffenwirthschaft getragen, sagte jedem mit Donnerstimme,
der zwölftägige Feldzug gegen Preußen, und siehe da, die Schwäche des Staats
wird durch Beseitigung einiger Generale geheilt, und die wälschen Jesuiten über¬
ziehen wie Heuschrecken das deutsche Land. Wenn das Ministerium Beust-Belcredi
in diesem Geiste fortfährt, wird es wenigstens die Entdeckung machen, daß infolge
des nächsten Krieges einige Provinzen losgeschält und das Band der übrigen


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[0434] Ziel, das man anstrebte. Graf Belcredi wird die Genugthuung haben, die östreichischen Völker belehren zu können, daß der Standpunkt von ehedem der allein richtige, der Absolutismus die allein mögliche Verfassungsform für das vielartige Reich im Südosten, daß er allen alles gewährt, Einheit dem Staate und Freiheit dem Einzelnen, jene Freiheit nämlich, die man ihm schon als Lohn der Kämpfe gegen Napoleon den Ersten pries, „seine eigenen Ge- setze zu bewahren". Das Gelingen dieses Staatsklugen Planes geht mit Riesenschritten seiner Vollendung entgegen. Selbst die Deutschen sind uneins geworden, gespalten in Autonomisten und Centralisten. Ebenso wird in Ungarn weder Deal, noch die Partei des „Hom" (Vaterland) die aufrichtige Versöhnung herbeiführen; Czechien verlangt nur nach der Wenzelskrone. Polens Wünsche sind gestillt durch den Grafen Agenor v. Goluchowsky. Dazu kommt, daß auch die Staatsschuld so schnell reitet wie die Todten, denn sie wuchs mit den letzten Ereignissen um nahezu 500 Millionen und das neueste Darlehen wurde zur Hälfte des Nenn¬ werthes aufgenommen. Das hält auf die Dauer auch ein Staat mit den reichsten Hilfsquellen nicht aus, geschweige denn ein solcher, dessen Gewerbsfleiß so schwer betroffen wurde. Ein herzhafter Schritt könnte diesfalls jede Volks¬ vertretung für lange entbehrlich machen. Doch der verhängnißvolle Lauf der Dinge ist durch einen neuen Einfall unterbrochen; Freiherr v. Beust hat sein gewandtes Talent Oestreich zur Verfügung gestellt. Hand in Hand mit dem Staatsminister. der seinem Traume von der Wiedererweckung der Gaugrafen entsagt, wird er den Verfassungsbau zum Ab¬ schluß bringen. Vertrauen und Muth werden durch die Verbindung mit den West- mächtcn wiederkehren. Allen Versicherungen von der Politik des Friedens und der Versöhnlichkeit ohngeachtet scheint uns hier die Ernennung des Freiherrn v. Beust zum östreichischen Minister des Auswärtigen mehr Vorliebe für die alte Bundesacte als Anerkennung der Neugestaltung Deutschlands, mehr Festhalten am Legitimitätsprincip als Fortschritt auf constitutioneller Bahn anzudeuten. Möglich, daß wieder einige halbe Zugeständnisse gemacht werden, aber die Halbheiten waren eben stets das Unglück der östreichischen Regierung. Man behielt in der Februarverfassung die Landtage bei, stellte ein den alten Ständen ähnliches Institut her und baute dadurch die Brücke für völlige Rückkehr zum Absolutismus. Wie dieser das Mark des Staates angefressen und welche Früchte die Günstlings- und Pfaffenwirthschaft getragen, sagte jedem mit Donnerstimme, der zwölftägige Feldzug gegen Preußen, und siehe da, die Schwäche des Staats wird durch Beseitigung einiger Generale geheilt, und die wälschen Jesuiten über¬ ziehen wie Heuschrecken das deutsche Land. Wenn das Ministerium Beust-Belcredi in diesem Geiste fortfährt, wird es wenigstens die Entdeckung machen, daß infolge des nächsten Krieges einige Provinzen losgeschält und das Band der übrigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/434>, abgerufen am 04.07.2024.