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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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sich nicht treffender als^durch die?!Verhandlungen über die'Mittel zur Kriegs¬
bereitschaft. Die Ständeversammlung in ihrer großen Mehrheit war entschieden
für Neutralität, wenn nicht für Anschluß an Preußen, mit welchem das Land
schon seiner wirihschaftlichen Interessen halber solidarisch verbunden ist. Der
Herzog war von dieser Auffassung wohl unterrichtet. Gleichwohl wünschte er
grade von diesen Ständen Geld verwilligt zu erhalten, um dem Bundestag,
wie er sagte, oder Oestreich, wie die Stände sagten, Heeresfolge zu leisten.
Man schlug den heutzutage nicht mehr ungewöhnlichen Weg ein, vollendete
Thatsachen zu schaffen wider den Willen der Volksvertretung und dieser zu über¬
lassen, daß sie registrire, was sie nicht mehr ändern konnte. Aber Eines schickt
sich nicht für alle.

Am 12. Mai 1866 kam von Wien das Ersuchen, sofort mobil zu machen.
Man arbeitete die ganze Nacht vom 12. auf den 13. Mai hindurch bis zum
Tagesanbruch in den Bureaus des Kriegsdepartements. Am 13. Morgens
gingen die Einberufungsordres an die großbeurlaubten Soldaten ins Land.
Am 15. contrcchtrte im speciellen Auftrag des Herzogs der Finanzdirector, welcher
zugleich auch Chef der herzoglichen Domänenverwaltung und landesherrlicher
Commissär bei den Spielbanken von Wiesbaden und Bad Eins war, bei dem
Bankhaus M. A. Rothschild für die Landessteuerkasse ein Knegsanlehn von vor¬
läufig einer halben Million Gulden. Die Stände sahen die Soldaten aus dem
großen Urlaub einrücken. Sie interpellirten am 16. Mai, was das zu bedeuten
habe, ob sich die Negierung vielleicht gegen den Willen des Landes in einen
Krieg stürzen wolle, und woher sie die Mittel zu nehmen gedenke, denn die
Stände würden zu einem solchen Zwecke nichts verwilligen. Darauf antwortete
die Regierung, zu bedeuten habe das alles durchaus gar nichts, es handele sich
weder um Krieg, noch um Kriegsbereitschaft oder Mobilmachung, sondern nur
um die "gewöhnlichen vierwöchigen Feldübungen" -- ein Wort, das sich für
den Sprichwörterschatz der Zukunft empfiehlt -- welche jedes Jahr stattfanden
und ja auch in dem Budget pro 1866 vorgesehen seien; es werde kein Kreuzer
über das gewöhnliche Ordinarium des Militärbudgets hinaus ausgegeben wer¬
den. Das Knegsanlehn wurde verheimlicht. Kein Mensch, außer den in die
östreichische Politik eingeweihten Herrn und Damen bei Hof, wußte davon, nicht
einmal der Chef der Landesregierung.

Die Stände waren durchaus nicht beruhigt durch jene "beruhigenden" Zu-
sicherungen. Sie hatten allen Grund, argwöhnisch zu sein; allein da sie sich
zu weiteren Interpellationen anschickten, vertagte sie die Regierung vom 16. Mai
bis 5. Juni, indem sie mit patriarchalischen Wohlwollen versicherte, es geschehe
das blos, um den hochgeehrtesten Herrn Ständen Gelegenheit zu geben, die
Pfingstfeiertage im Schoße ihrer Familien zuzubringen. Da die Vertagung
etwa drei Wochen, Pfingsten 1866 aber nur zwei Tage dauerte, so machten die


Grenzboten IV. 1866. 48

sich nicht treffender als^durch die?!Verhandlungen über die'Mittel zur Kriegs¬
bereitschaft. Die Ständeversammlung in ihrer großen Mehrheit war entschieden
für Neutralität, wenn nicht für Anschluß an Preußen, mit welchem das Land
schon seiner wirihschaftlichen Interessen halber solidarisch verbunden ist. Der
Herzog war von dieser Auffassung wohl unterrichtet. Gleichwohl wünschte er
grade von diesen Ständen Geld verwilligt zu erhalten, um dem Bundestag,
wie er sagte, oder Oestreich, wie die Stände sagten, Heeresfolge zu leisten.
Man schlug den heutzutage nicht mehr ungewöhnlichen Weg ein, vollendete
Thatsachen zu schaffen wider den Willen der Volksvertretung und dieser zu über¬
lassen, daß sie registrire, was sie nicht mehr ändern konnte. Aber Eines schickt
sich nicht für alle.

Am 12. Mai 1866 kam von Wien das Ersuchen, sofort mobil zu machen.
Man arbeitete die ganze Nacht vom 12. auf den 13. Mai hindurch bis zum
Tagesanbruch in den Bureaus des Kriegsdepartements. Am 13. Morgens
gingen die Einberufungsordres an die großbeurlaubten Soldaten ins Land.
Am 15. contrcchtrte im speciellen Auftrag des Herzogs der Finanzdirector, welcher
zugleich auch Chef der herzoglichen Domänenverwaltung und landesherrlicher
Commissär bei den Spielbanken von Wiesbaden und Bad Eins war, bei dem
Bankhaus M. A. Rothschild für die Landessteuerkasse ein Knegsanlehn von vor¬
läufig einer halben Million Gulden. Die Stände sahen die Soldaten aus dem
großen Urlaub einrücken. Sie interpellirten am 16. Mai, was das zu bedeuten
habe, ob sich die Negierung vielleicht gegen den Willen des Landes in einen
Krieg stürzen wolle, und woher sie die Mittel zu nehmen gedenke, denn die
Stände würden zu einem solchen Zwecke nichts verwilligen. Darauf antwortete
die Regierung, zu bedeuten habe das alles durchaus gar nichts, es handele sich
weder um Krieg, noch um Kriegsbereitschaft oder Mobilmachung, sondern nur
um die „gewöhnlichen vierwöchigen Feldübungen" — ein Wort, das sich für
den Sprichwörterschatz der Zukunft empfiehlt — welche jedes Jahr stattfanden
und ja auch in dem Budget pro 1866 vorgesehen seien; es werde kein Kreuzer
über das gewöhnliche Ordinarium des Militärbudgets hinaus ausgegeben wer¬
den. Das Knegsanlehn wurde verheimlicht. Kein Mensch, außer den in die
östreichische Politik eingeweihten Herrn und Damen bei Hof, wußte davon, nicht
einmal der Chef der Landesregierung.

Die Stände waren durchaus nicht beruhigt durch jene „beruhigenden" Zu-
sicherungen. Sie hatten allen Grund, argwöhnisch zu sein; allein da sie sich
zu weiteren Interpellationen anschickten, vertagte sie die Regierung vom 16. Mai
bis 5. Juni, indem sie mit patriarchalischen Wohlwollen versicherte, es geschehe
das blos, um den hochgeehrtesten Herrn Ständen Gelegenheit zu geben, die
Pfingstfeiertage im Schoße ihrer Familien zuzubringen. Da die Vertagung
etwa drei Wochen, Pfingsten 1866 aber nur zwei Tage dauerte, so machten die


Grenzboten IV. 1866. 48
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[0405] sich nicht treffender als^durch die?!Verhandlungen über die'Mittel zur Kriegs¬ bereitschaft. Die Ständeversammlung in ihrer großen Mehrheit war entschieden für Neutralität, wenn nicht für Anschluß an Preußen, mit welchem das Land schon seiner wirihschaftlichen Interessen halber solidarisch verbunden ist. Der Herzog war von dieser Auffassung wohl unterrichtet. Gleichwohl wünschte er grade von diesen Ständen Geld verwilligt zu erhalten, um dem Bundestag, wie er sagte, oder Oestreich, wie die Stände sagten, Heeresfolge zu leisten. Man schlug den heutzutage nicht mehr ungewöhnlichen Weg ein, vollendete Thatsachen zu schaffen wider den Willen der Volksvertretung und dieser zu über¬ lassen, daß sie registrire, was sie nicht mehr ändern konnte. Aber Eines schickt sich nicht für alle. Am 12. Mai 1866 kam von Wien das Ersuchen, sofort mobil zu machen. Man arbeitete die ganze Nacht vom 12. auf den 13. Mai hindurch bis zum Tagesanbruch in den Bureaus des Kriegsdepartements. Am 13. Morgens gingen die Einberufungsordres an die großbeurlaubten Soldaten ins Land. Am 15. contrcchtrte im speciellen Auftrag des Herzogs der Finanzdirector, welcher zugleich auch Chef der herzoglichen Domänenverwaltung und landesherrlicher Commissär bei den Spielbanken von Wiesbaden und Bad Eins war, bei dem Bankhaus M. A. Rothschild für die Landessteuerkasse ein Knegsanlehn von vor¬ läufig einer halben Million Gulden. Die Stände sahen die Soldaten aus dem großen Urlaub einrücken. Sie interpellirten am 16. Mai, was das zu bedeuten habe, ob sich die Negierung vielleicht gegen den Willen des Landes in einen Krieg stürzen wolle, und woher sie die Mittel zu nehmen gedenke, denn die Stände würden zu einem solchen Zwecke nichts verwilligen. Darauf antwortete die Regierung, zu bedeuten habe das alles durchaus gar nichts, es handele sich weder um Krieg, noch um Kriegsbereitschaft oder Mobilmachung, sondern nur um die „gewöhnlichen vierwöchigen Feldübungen" — ein Wort, das sich für den Sprichwörterschatz der Zukunft empfiehlt — welche jedes Jahr stattfanden und ja auch in dem Budget pro 1866 vorgesehen seien; es werde kein Kreuzer über das gewöhnliche Ordinarium des Militärbudgets hinaus ausgegeben wer¬ den. Das Knegsanlehn wurde verheimlicht. Kein Mensch, außer den in die östreichische Politik eingeweihten Herrn und Damen bei Hof, wußte davon, nicht einmal der Chef der Landesregierung. Die Stände waren durchaus nicht beruhigt durch jene „beruhigenden" Zu- sicherungen. Sie hatten allen Grund, argwöhnisch zu sein; allein da sie sich zu weiteren Interpellationen anschickten, vertagte sie die Regierung vom 16. Mai bis 5. Juni, indem sie mit patriarchalischen Wohlwollen versicherte, es geschehe das blos, um den hochgeehrtesten Herrn Ständen Gelegenheit zu geben, die Pfingstfeiertage im Schoße ihrer Familien zuzubringen. Da die Vertagung etwa drei Wochen, Pfingsten 1866 aber nur zwei Tage dauerte, so machten die Grenzboten IV. 1866. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/405>, abgerufen am 02.10.2024.