Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.Befehlen der Hofdienerschaft folgten. Die letztgenannten hießen die "Gut¬ Der Herzog stieß also nirgends auf Widerspruch und glaubte infolge dessen Daß die persönliche Negierung nichts als Mißerfolge auszuweisen hatte, -- Befehlen der Hofdienerschaft folgten. Die letztgenannten hießen die „Gut¬ Der Herzog stieß also nirgends auf Widerspruch und glaubte infolge dessen Daß die persönliche Negierung nichts als Mißerfolge auszuweisen hatte, — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286550"/> <p xml:id="ID_1181" prev="#ID_1180"> Befehlen der Hofdienerschaft folgten. Die letztgenannten hießen die „Gut¬<lb/> gesinnten". Die ersteren nannte der Herzog „die Demokraten". Darunter waren<lb/> aber eine Menge Leute, weiche in einem andern Lande als Hochtorys und jeden¬<lb/> falls überall als getreue und loyale Unterthanen gegolten hätten. Sogar der<lb/> Nechnungskammerdirector und vormalige Hausmarschall der Herzogin Pauline,<lb/> Moritz v. Gagern, Bruder Heinrichs v. Gagern, siel in Ungnade und wurde außer<lb/> Activität gesetzt, weil er bei einer Landtagswahl zwar für den gouvernemen-<lb/> talen, aber nicht auch für den klerikalen Candidaten stimmte. Des Herzogs<lb/> geistreiche Schwester, die verwitwete Fürstin von Wied, wurde gefragt, ob sie<lb/> denn nichts thun könne, um den Herzog von seiner verderblichen Bahn abzu-<lb/> bringen; seufzend antwortete sie: „Wie kann man mit jemandem reden, der<lb/> dem andern nicht einmal das Recht einer eigenen Meinung zugesteht?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1182"> Der Herzog stieß also nirgends auf Widerspruch und glaubte infolge dessen<lb/> täglich mehr an die Nothwendigkeit und Vortrefflichkeit eines allerpersönlichsten<lb/> Regiments. Freilich bestand diese persönliche Regierung im Grunde ge¬<lb/> nommen nur darin, daß nicht berechtigte und befähigte, sondern unberechtigte<lb/> und unbefähigte Personen, daß nicht die Behörden und die Stände, sondern<lb/> die Oberhofmeisterin, der Stallmeister und ein zum geheimen Cabinetssecretär<lb/> erhobener k. k. Premierlieutenant den entscheidenden Einfluß übten, und zwar in<lb/> einem weit stärkeren Grad, als jene ihn jemals hätten üben können. Beiläufig<lb/> bemerkt, hat der letztgenannte östreichische Lieutenant sich auch als origineller<lb/> Stilist bewährt. Er ist der Concipieut jenes von dem Herzog Adolph am<lb/> 6. Juli 1866 an den preußischen Militärgouvcrncur von Rheinland und Wesi-<lb/> phalcn. Fürsten von Hohenzollern - Siegmaringen, gerichteten und mit «.nschick-<lb/> licher Eile an demselben Tage in der officiellen „Nassauischen Landcszeitung "<lb/> veröffentlichten Briefes, in welchem die Rede war von „der Weinrazzia in<lb/> Nüdesheim" und der „Entführung mitten im Frieden eines deutschen Fürsten".<lb/> Mit letzterem, etwas rätselhaften Ausdruck beabsichtigte der Herr Verfasser zu<lb/> behaupten, Preußen habe den Kurfürsten von Hessen ohne vorherige Kriegs¬<lb/> erklärung gefangen genommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> Daß die persönliche Negierung nichts als Mißerfolge auszuweisen hatte, —<lb/> Spannung mit anderen deutschen Höfen und Regierungen, Unzufriedenheit der<lb/> Bevölkerung, namentlich des besitzenden, intelligenten und productiven Theiles<lb/> derselben, permanente Auflösungen des Landtags, bei jeder Neuwahl Wachs¬<lb/> thum der Opposition, Finanznöthe, Chatoullendcsicit, Verpfändung der Haus-<lb/> geräthe und des Silberzeugs bei M.A.Rothschild in Frankfurt, Zustimmung<lb/> nur in Wien, Beifall nur bei den Klerikalen, sonst überall Widerspruch, Mi߬<lb/> trauen und Mißbilligung —, alle diese Erfahrungen hätten Anlaß geben sollen<lb/> zum Denken, zum Prüfen, ob man denn auch auf richtiger Bahn sei; aber sie<lb/> steigerten nur das krankhafte Mißtrauen, welches sich gegen alle und jeden rieb-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0402]
Befehlen der Hofdienerschaft folgten. Die letztgenannten hießen die „Gut¬
gesinnten". Die ersteren nannte der Herzog „die Demokraten". Darunter waren
aber eine Menge Leute, weiche in einem andern Lande als Hochtorys und jeden¬
falls überall als getreue und loyale Unterthanen gegolten hätten. Sogar der
Nechnungskammerdirector und vormalige Hausmarschall der Herzogin Pauline,
Moritz v. Gagern, Bruder Heinrichs v. Gagern, siel in Ungnade und wurde außer
Activität gesetzt, weil er bei einer Landtagswahl zwar für den gouvernemen-
talen, aber nicht auch für den klerikalen Candidaten stimmte. Des Herzogs
geistreiche Schwester, die verwitwete Fürstin von Wied, wurde gefragt, ob sie
denn nichts thun könne, um den Herzog von seiner verderblichen Bahn abzu-
bringen; seufzend antwortete sie: „Wie kann man mit jemandem reden, der
dem andern nicht einmal das Recht einer eigenen Meinung zugesteht?"
Der Herzog stieß also nirgends auf Widerspruch und glaubte infolge dessen
täglich mehr an die Nothwendigkeit und Vortrefflichkeit eines allerpersönlichsten
Regiments. Freilich bestand diese persönliche Regierung im Grunde ge¬
nommen nur darin, daß nicht berechtigte und befähigte, sondern unberechtigte
und unbefähigte Personen, daß nicht die Behörden und die Stände, sondern
die Oberhofmeisterin, der Stallmeister und ein zum geheimen Cabinetssecretär
erhobener k. k. Premierlieutenant den entscheidenden Einfluß übten, und zwar in
einem weit stärkeren Grad, als jene ihn jemals hätten üben können. Beiläufig
bemerkt, hat der letztgenannte östreichische Lieutenant sich auch als origineller
Stilist bewährt. Er ist der Concipieut jenes von dem Herzog Adolph am
6. Juli 1866 an den preußischen Militärgouvcrncur von Rheinland und Wesi-
phalcn. Fürsten von Hohenzollern - Siegmaringen, gerichteten und mit «.nschick-
licher Eile an demselben Tage in der officiellen „Nassauischen Landcszeitung "
veröffentlichten Briefes, in welchem die Rede war von „der Weinrazzia in
Nüdesheim" und der „Entführung mitten im Frieden eines deutschen Fürsten".
Mit letzterem, etwas rätselhaften Ausdruck beabsichtigte der Herr Verfasser zu
behaupten, Preußen habe den Kurfürsten von Hessen ohne vorherige Kriegs¬
erklärung gefangen genommen.
Daß die persönliche Negierung nichts als Mißerfolge auszuweisen hatte, —
Spannung mit anderen deutschen Höfen und Regierungen, Unzufriedenheit der
Bevölkerung, namentlich des besitzenden, intelligenten und productiven Theiles
derselben, permanente Auflösungen des Landtags, bei jeder Neuwahl Wachs¬
thum der Opposition, Finanznöthe, Chatoullendcsicit, Verpfändung der Haus-
geräthe und des Silberzeugs bei M.A.Rothschild in Frankfurt, Zustimmung
nur in Wien, Beifall nur bei den Klerikalen, sonst überall Widerspruch, Mi߬
trauen und Mißbilligung —, alle diese Erfahrungen hätten Anlaß geben sollen
zum Denken, zum Prüfen, ob man denn auch auf richtiger Bahn sei; aber sie
steigerten nur das krankhafte Mißtrauen, welches sich gegen alle und jeden rieb-
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