Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Von hinten abgezeichnet, durch Lithographie vervielfältigt und colorire wurde;
der Avers und Revers wurde auf Pappdeckel zusammengeklebt, ausgeschnitten
und aufrecht auf ein Stehklötzchen geleimt. Das auf diesem Wege nachgebildete
Offiziercorps mit Porträtähnlichkeit, nebst ditto Soldaten, diente den herzog¬
lichen Prinzen als Spielzeug. Auch der Papa hatte seine Freude daran.

Als der Feldzug von 1866 bereits entschieden und die Entsetzung der
Dynastie Nassau ausgesprochen war, sammelte der Herzog die Photographien
seiner sämmtlichen Offiziere in dem Lager bei Günzburg an der Donau in
Bayern und ließ sie in ein Album binden, das die Devise trägt: "Getreu bis
in den Tod!" Die Mehrzahl dieser Albumsoffiziere hat gegenwärtig die Ehre,
in der Armee Seiner Majestät des Königs von Preußen zu dienen.

Sämmtliche Offiziere, auch die bürgerlichen Offiziere der untersten Chargen,
glänzten auf den Hofhallen. Wer am meisten in großdeutscher (d. h. Preußen-
feindlicher) und konservativer (d.h. klerikaler) Gesinnung machte, hatte sich der
höchsten Gunst zu erfreuen, auch auf den Hofhallen. Die preußischen Offiziere
der Garnisonen in Mainz und Frankfurt leisteten den Einladungen zu den
Hofbällin nicht mehr Folge. Sie waren indignirt über die raffinirten Ziuück-
setzungen, welche ihnen im Vergleich zu den mit einander fraternifirendcn östrei¬
chischen und nassauischen Offizieren zu Theil wurden.

Auf einem solchen Hofbälle des Herzogs gerieth ein in höchster Gunst
stehender Hauptmann Namens Vogler, ein Mann von vierzig Jahren, in Streit
mit einem zwanzigjährigen Lieutenant, den er in Gegenwart von Damen
brüstirte. Es kam zum Duell, ohne daß der Handel, wie dies Vorschrift, zuvor
dem Ehrenrathe zum Zwecke der Beilegung unterbreitet worden war. Der
Hauptmann >-- ein rcnvmmirter Pistolenschütze -- erschoß das arme junge
Blut. Der letztere war ein sehr braver und tüchtiger junger Mann; er gehörte
einer der angesehensten Adelsfamilien des Landes an. Sein Großvater war
dreißig Jahre lang allmächtiger Minister gewesen und hatte in der Zeit von
1806 bis 1816 das Herzogthum formen und zusammenflicken helfen. Das
Kriegsgericht verurtheilte den Hauptmann Vogler zu drei Jahren Festung.
Kaum hatte er einige Wochen auf derselben zugebracht, so wurde er von dem
Herzog Adolph begnadigt und in seine Hauptmannswürde wieder eingesetzt.
Vogler' gehörte zu den Heißspornen der Reaction und hatte gegen eine Reihe
preußischer Zeitungen Preßprocesse geführt. Letzterer Feldzug war zwar nicht
sehr glücklich ausgefallen, allein er zeugte doch von gutem Willen, von Ergeben¬
heit und Tapferkeit.

Derselbe Hauptmann gab Veranlassung zu einem anderen für die Winkel-
staaterei und Krähwinkelei höchst charakteristischen Conflict, der viel von sich
reden machte. Bei Gelegenheit der Berathung des Militärbudgets hatte ein
Abgeordneter eine Parallele zwischen Ausbildung und Leistungen der nassauischen


42*

Von hinten abgezeichnet, durch Lithographie vervielfältigt und colorire wurde;
der Avers und Revers wurde auf Pappdeckel zusammengeklebt, ausgeschnitten
und aufrecht auf ein Stehklötzchen geleimt. Das auf diesem Wege nachgebildete
Offiziercorps mit Porträtähnlichkeit, nebst ditto Soldaten, diente den herzog¬
lichen Prinzen als Spielzeug. Auch der Papa hatte seine Freude daran.

Als der Feldzug von 1866 bereits entschieden und die Entsetzung der
Dynastie Nassau ausgesprochen war, sammelte der Herzog die Photographien
seiner sämmtlichen Offiziere in dem Lager bei Günzburg an der Donau in
Bayern und ließ sie in ein Album binden, das die Devise trägt: „Getreu bis
in den Tod!" Die Mehrzahl dieser Albumsoffiziere hat gegenwärtig die Ehre,
in der Armee Seiner Majestät des Königs von Preußen zu dienen.

Sämmtliche Offiziere, auch die bürgerlichen Offiziere der untersten Chargen,
glänzten auf den Hofhallen. Wer am meisten in großdeutscher (d. h. Preußen-
feindlicher) und konservativer (d.h. klerikaler) Gesinnung machte, hatte sich der
höchsten Gunst zu erfreuen, auch auf den Hofhallen. Die preußischen Offiziere
der Garnisonen in Mainz und Frankfurt leisteten den Einladungen zu den
Hofbällin nicht mehr Folge. Sie waren indignirt über die raffinirten Ziuück-
setzungen, welche ihnen im Vergleich zu den mit einander fraternifirendcn östrei¬
chischen und nassauischen Offizieren zu Theil wurden.

Auf einem solchen Hofbälle des Herzogs gerieth ein in höchster Gunst
stehender Hauptmann Namens Vogler, ein Mann von vierzig Jahren, in Streit
mit einem zwanzigjährigen Lieutenant, den er in Gegenwart von Damen
brüstirte. Es kam zum Duell, ohne daß der Handel, wie dies Vorschrift, zuvor
dem Ehrenrathe zum Zwecke der Beilegung unterbreitet worden war. Der
Hauptmann >— ein rcnvmmirter Pistolenschütze — erschoß das arme junge
Blut. Der letztere war ein sehr braver und tüchtiger junger Mann; er gehörte
einer der angesehensten Adelsfamilien des Landes an. Sein Großvater war
dreißig Jahre lang allmächtiger Minister gewesen und hatte in der Zeit von
1806 bis 1816 das Herzogthum formen und zusammenflicken helfen. Das
Kriegsgericht verurtheilte den Hauptmann Vogler zu drei Jahren Festung.
Kaum hatte er einige Wochen auf derselben zugebracht, so wurde er von dem
Herzog Adolph begnadigt und in seine Hauptmannswürde wieder eingesetzt.
Vogler' gehörte zu den Heißspornen der Reaction und hatte gegen eine Reihe
preußischer Zeitungen Preßprocesse geführt. Letzterer Feldzug war zwar nicht
sehr glücklich ausgefallen, allein er zeugte doch von gutem Willen, von Ergeben¬
heit und Tapferkeit.

Derselbe Hauptmann gab Veranlassung zu einem anderen für die Winkel-
staaterei und Krähwinkelei höchst charakteristischen Conflict, der viel von sich
reden machte. Bei Gelegenheit der Berathung des Militärbudgets hatte ein
Abgeordneter eine Parallele zwischen Ausbildung und Leistungen der nassauischen


42*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286505"/>
          <p xml:id="ID_1035" prev="#ID_1034"> Von hinten abgezeichnet, durch Lithographie vervielfältigt und colorire wurde;<lb/>
der Avers und Revers wurde auf Pappdeckel zusammengeklebt, ausgeschnitten<lb/>
und aufrecht auf ein Stehklötzchen geleimt. Das auf diesem Wege nachgebildete<lb/>
Offiziercorps mit Porträtähnlichkeit, nebst ditto Soldaten, diente den herzog¬<lb/>
lichen Prinzen als Spielzeug.  Auch der Papa hatte seine Freude daran.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1036"> Als der Feldzug von 1866 bereits entschieden und die Entsetzung der<lb/>
Dynastie Nassau ausgesprochen war, sammelte der Herzog die Photographien<lb/>
seiner sämmtlichen Offiziere in dem Lager bei Günzburg an der Donau in<lb/>
Bayern und ließ sie in ein Album binden, das die Devise trägt: &#x201E;Getreu bis<lb/>
in den Tod!" Die Mehrzahl dieser Albumsoffiziere hat gegenwärtig die Ehre,<lb/>
in der Armee Seiner Majestät des Königs von Preußen zu dienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1037"> Sämmtliche Offiziere, auch die bürgerlichen Offiziere der untersten Chargen,<lb/>
glänzten auf den Hofhallen. Wer am meisten in großdeutscher (d. h. Preußen-<lb/>
feindlicher) und konservativer (d.h. klerikaler) Gesinnung machte, hatte sich der<lb/>
höchsten Gunst zu erfreuen, auch auf den Hofhallen. Die preußischen Offiziere<lb/>
der Garnisonen in Mainz und Frankfurt leisteten den Einladungen zu den<lb/>
Hofbällin nicht mehr Folge. Sie waren indignirt über die raffinirten Ziuück-<lb/>
setzungen, welche ihnen im Vergleich zu den mit einander fraternifirendcn östrei¬<lb/>
chischen und nassauischen Offizieren zu Theil wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1038"> Auf einem solchen Hofbälle des Herzogs gerieth ein in höchster Gunst<lb/>
stehender Hauptmann Namens Vogler, ein Mann von vierzig Jahren, in Streit<lb/>
mit einem zwanzigjährigen Lieutenant, den er in Gegenwart von Damen<lb/>
brüstirte. Es kam zum Duell, ohne daß der Handel, wie dies Vorschrift, zuvor<lb/>
dem Ehrenrathe zum Zwecke der Beilegung unterbreitet worden war. Der<lb/>
Hauptmann &gt;&#x2014; ein rcnvmmirter Pistolenschütze &#x2014; erschoß das arme junge<lb/>
Blut. Der letztere war ein sehr braver und tüchtiger junger Mann; er gehörte<lb/>
einer der angesehensten Adelsfamilien des Landes an. Sein Großvater war<lb/>
dreißig Jahre lang allmächtiger Minister gewesen und hatte in der Zeit von<lb/>
1806 bis 1816 das Herzogthum formen und zusammenflicken helfen. Das<lb/>
Kriegsgericht verurtheilte den Hauptmann Vogler zu drei Jahren Festung.<lb/>
Kaum hatte er einige Wochen auf derselben zugebracht, so wurde er von dem<lb/>
Herzog Adolph begnadigt und in seine Hauptmannswürde wieder eingesetzt.<lb/>
Vogler' gehörte zu den Heißspornen der Reaction und hatte gegen eine Reihe<lb/>
preußischer Zeitungen Preßprocesse geführt. Letzterer Feldzug war zwar nicht<lb/>
sehr glücklich ausgefallen, allein er zeugte doch von gutem Willen, von Ergeben¬<lb/>
heit und Tapferkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1039" next="#ID_1040"> Derselbe Hauptmann gab Veranlassung zu einem anderen für die Winkel-<lb/>
staaterei und Krähwinkelei höchst charakteristischen Conflict, der viel von sich<lb/>
reden machte. Bei Gelegenheit der Berathung des Militärbudgets hatte ein<lb/>
Abgeordneter eine Parallele zwischen Ausbildung und Leistungen der nassauischen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 42*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0357] Von hinten abgezeichnet, durch Lithographie vervielfältigt und colorire wurde; der Avers und Revers wurde auf Pappdeckel zusammengeklebt, ausgeschnitten und aufrecht auf ein Stehklötzchen geleimt. Das auf diesem Wege nachgebildete Offiziercorps mit Porträtähnlichkeit, nebst ditto Soldaten, diente den herzog¬ lichen Prinzen als Spielzeug. Auch der Papa hatte seine Freude daran. Als der Feldzug von 1866 bereits entschieden und die Entsetzung der Dynastie Nassau ausgesprochen war, sammelte der Herzog die Photographien seiner sämmtlichen Offiziere in dem Lager bei Günzburg an der Donau in Bayern und ließ sie in ein Album binden, das die Devise trägt: „Getreu bis in den Tod!" Die Mehrzahl dieser Albumsoffiziere hat gegenwärtig die Ehre, in der Armee Seiner Majestät des Königs von Preußen zu dienen. Sämmtliche Offiziere, auch die bürgerlichen Offiziere der untersten Chargen, glänzten auf den Hofhallen. Wer am meisten in großdeutscher (d. h. Preußen- feindlicher) und konservativer (d.h. klerikaler) Gesinnung machte, hatte sich der höchsten Gunst zu erfreuen, auch auf den Hofhallen. Die preußischen Offiziere der Garnisonen in Mainz und Frankfurt leisteten den Einladungen zu den Hofbällin nicht mehr Folge. Sie waren indignirt über die raffinirten Ziuück- setzungen, welche ihnen im Vergleich zu den mit einander fraternifirendcn östrei¬ chischen und nassauischen Offizieren zu Theil wurden. Auf einem solchen Hofbälle des Herzogs gerieth ein in höchster Gunst stehender Hauptmann Namens Vogler, ein Mann von vierzig Jahren, in Streit mit einem zwanzigjährigen Lieutenant, den er in Gegenwart von Damen brüstirte. Es kam zum Duell, ohne daß der Handel, wie dies Vorschrift, zuvor dem Ehrenrathe zum Zwecke der Beilegung unterbreitet worden war. Der Hauptmann >— ein rcnvmmirter Pistolenschütze — erschoß das arme junge Blut. Der letztere war ein sehr braver und tüchtiger junger Mann; er gehörte einer der angesehensten Adelsfamilien des Landes an. Sein Großvater war dreißig Jahre lang allmächtiger Minister gewesen und hatte in der Zeit von 1806 bis 1816 das Herzogthum formen und zusammenflicken helfen. Das Kriegsgericht verurtheilte den Hauptmann Vogler zu drei Jahren Festung. Kaum hatte er einige Wochen auf derselben zugebracht, so wurde er von dem Herzog Adolph begnadigt und in seine Hauptmannswürde wieder eingesetzt. Vogler' gehörte zu den Heißspornen der Reaction und hatte gegen eine Reihe preußischer Zeitungen Preßprocesse geführt. Letzterer Feldzug war zwar nicht sehr glücklich ausgefallen, allein er zeugte doch von gutem Willen, von Ergeben¬ heit und Tapferkeit. Derselbe Hauptmann gab Veranlassung zu einem anderen für die Winkel- staaterei und Krähwinkelei höchst charakteristischen Conflict, der viel von sich reden machte. Bei Gelegenheit der Berathung des Militärbudgets hatte ein Abgeordneter eine Parallele zwischen Ausbildung und Leistungen der nassauischen 42*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/357
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/357>, abgerufen am 04.07.2024.