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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Feldmäßige Solderhöhungen und Zulagen, mersch Möusss err eampaZue, und
wie alle jene Ergötzlichkeiten des Krieges heißen, waren für die Truppen ein¬
getreten. Eine Menge Ernennungen und Avancements fanden statt. Die Offi¬
ziere hatten große Summen Geldes erhalten, um sich Pferde anzuschaffen. Es
war ein lustiges militärisches Treiben, wie in Wallensteins Lager. Man lag
wie in Böhmen, pflegte den Lauch und ließ sich nichts grämen, man schmeckte
alle Annehmlichkeiten des Krieges, ohne dessen Bitternisse. "Oxes se Konores,"
Geld und Ehren, -- was wollte man mehr?

Auch 1848 und 1849 hatten die nafsauischen Truppen, theilweise unter
Persönlicher Anführung ihres Herzogs, militärische Promenaden in Schleswig-
Holstein gemacht. Die Infanterie war nirgends ins Feuer gekommen. Eine
Batterie hatte einige glückliche Schüsse aus "Christian den Otlenden" abgefeuert.
Man war auf diesen Erfolg so stolz, daß der klerikale Abgeordnete Dr. Gro߬
mann damals in der Ständeversammlung mit Emphase und Salbung von
"unserer berühmten und sieggewohnten Artillerie" sprach.

Als das Wort "Krieg" im Frühjahr 1866 zum ersten Mal ernsthaft aus¬
gesprochen würde, weckte es zunächst die Erinnerung an den sehr leichten Kaufs
errungenen Lorbeer von 1849 und an das unblutige Säbelgerassel von 1859.
Diese Erinnerungen waren nicht unangenehm. Man wußte einfach nicht, was
Krieg war. Daß man dabei auch ungünstige Chancen laufen könne, daran
dachte man überhaupt gar nicht. "Denn," sagte selbst nach Königsgrätz das
einsichtsvollste Mitglied der herzoglichen Familie, "eher hätten wir an des
Himmels Einsturz als an eine Niederlage Oestreichs geglaubt." Der ganze
Hof war für Oestreich, die Herzogin an der Spitze. Letztere ist eine geborene
Prinzessin von Dessau, ihre Mutter geborene Prinzeß von Hessen-Numpenheim.
Sie ist auf dem Schlößchen Rumpcnheim am Main erzogen. In ihrer politischen
Weltanschauung stimmt sie mit dem Chef ihres mütterlichen Hauses, dem Kur¬
fürsten Friedrich Wilhelm, übereui. Bekanntlich ist der Kurfürst von Hessen
durch einen ausgedehnten Gütercomplex in Böhmen an Oestreich gefesselt.
Dasselbe ist bei dem Herzog Adolph der Fall. Er behind das Gut Liblin in
Böhmen und ist der Hauptinteressent des deutsch-ungarischen Bergwerksvereins,
der von dem Engländer Moriarty dirigirt wird, aber bis jetzt nichts als Zubußen
gefördert hat. Die Herzogin Adelheid von Nassau also und ihre Freundjn und
Oberhofmeisterin, die fünfzigjährige Comtesse Bella Felicitas v. Ingelheim,
ledige Schwester des östreichischen Gesandten v. Ingelheim, welcher dem König
Georg von Hannover zur Schlacht bei Langensalza rieth, übten großen Einfluß
auf den Herzog Adolph und verwertheten ihn zu Gunsten Oestreichs.

Schon Mitte März erklärte der Herzog sich auf eine Anfrage Oestreichs
bereit, wenn es zu einem Kriege komme, an seiner Seite zu stehen. Ein
Zweifel über die einzunehmende Stellung hat niemals obgewaltet. Die Hof-


Grenzboten IV. 1866. 42

Feldmäßige Solderhöhungen und Zulagen, mersch Möusss err eampaZue, und
wie alle jene Ergötzlichkeiten des Krieges heißen, waren für die Truppen ein¬
getreten. Eine Menge Ernennungen und Avancements fanden statt. Die Offi¬
ziere hatten große Summen Geldes erhalten, um sich Pferde anzuschaffen. Es
war ein lustiges militärisches Treiben, wie in Wallensteins Lager. Man lag
wie in Böhmen, pflegte den Lauch und ließ sich nichts grämen, man schmeckte
alle Annehmlichkeiten des Krieges, ohne dessen Bitternisse. „Oxes se Konores,"
Geld und Ehren, — was wollte man mehr?

Auch 1848 und 1849 hatten die nafsauischen Truppen, theilweise unter
Persönlicher Anführung ihres Herzogs, militärische Promenaden in Schleswig-
Holstein gemacht. Die Infanterie war nirgends ins Feuer gekommen. Eine
Batterie hatte einige glückliche Schüsse aus „Christian den Otlenden" abgefeuert.
Man war auf diesen Erfolg so stolz, daß der klerikale Abgeordnete Dr. Gro߬
mann damals in der Ständeversammlung mit Emphase und Salbung von
„unserer berühmten und sieggewohnten Artillerie" sprach.

Als das Wort „Krieg" im Frühjahr 1866 zum ersten Mal ernsthaft aus¬
gesprochen würde, weckte es zunächst die Erinnerung an den sehr leichten Kaufs
errungenen Lorbeer von 1849 und an das unblutige Säbelgerassel von 1859.
Diese Erinnerungen waren nicht unangenehm. Man wußte einfach nicht, was
Krieg war. Daß man dabei auch ungünstige Chancen laufen könne, daran
dachte man überhaupt gar nicht. „Denn," sagte selbst nach Königsgrätz das
einsichtsvollste Mitglied der herzoglichen Familie, „eher hätten wir an des
Himmels Einsturz als an eine Niederlage Oestreichs geglaubt." Der ganze
Hof war für Oestreich, die Herzogin an der Spitze. Letztere ist eine geborene
Prinzessin von Dessau, ihre Mutter geborene Prinzeß von Hessen-Numpenheim.
Sie ist auf dem Schlößchen Rumpcnheim am Main erzogen. In ihrer politischen
Weltanschauung stimmt sie mit dem Chef ihres mütterlichen Hauses, dem Kur¬
fürsten Friedrich Wilhelm, übereui. Bekanntlich ist der Kurfürst von Hessen
durch einen ausgedehnten Gütercomplex in Böhmen an Oestreich gefesselt.
Dasselbe ist bei dem Herzog Adolph der Fall. Er behind das Gut Liblin in
Böhmen und ist der Hauptinteressent des deutsch-ungarischen Bergwerksvereins,
der von dem Engländer Moriarty dirigirt wird, aber bis jetzt nichts als Zubußen
gefördert hat. Die Herzogin Adelheid von Nassau also und ihre Freundjn und
Oberhofmeisterin, die fünfzigjährige Comtesse Bella Felicitas v. Ingelheim,
ledige Schwester des östreichischen Gesandten v. Ingelheim, welcher dem König
Georg von Hannover zur Schlacht bei Langensalza rieth, übten großen Einfluß
auf den Herzog Adolph und verwertheten ihn zu Gunsten Oestreichs.

Schon Mitte März erklärte der Herzog sich auf eine Anfrage Oestreichs
bereit, wenn es zu einem Kriege komme, an seiner Seite zu stehen. Ein
Zweifel über die einzunehmende Stellung hat niemals obgewaltet. Die Hof-


Grenzboten IV. 1866. 42
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[0355] Feldmäßige Solderhöhungen und Zulagen, mersch Möusss err eampaZue, und wie alle jene Ergötzlichkeiten des Krieges heißen, waren für die Truppen ein¬ getreten. Eine Menge Ernennungen und Avancements fanden statt. Die Offi¬ ziere hatten große Summen Geldes erhalten, um sich Pferde anzuschaffen. Es war ein lustiges militärisches Treiben, wie in Wallensteins Lager. Man lag wie in Böhmen, pflegte den Lauch und ließ sich nichts grämen, man schmeckte alle Annehmlichkeiten des Krieges, ohne dessen Bitternisse. „Oxes se Konores," Geld und Ehren, — was wollte man mehr? Auch 1848 und 1849 hatten die nafsauischen Truppen, theilweise unter Persönlicher Anführung ihres Herzogs, militärische Promenaden in Schleswig- Holstein gemacht. Die Infanterie war nirgends ins Feuer gekommen. Eine Batterie hatte einige glückliche Schüsse aus „Christian den Otlenden" abgefeuert. Man war auf diesen Erfolg so stolz, daß der klerikale Abgeordnete Dr. Gro߬ mann damals in der Ständeversammlung mit Emphase und Salbung von „unserer berühmten und sieggewohnten Artillerie" sprach. Als das Wort „Krieg" im Frühjahr 1866 zum ersten Mal ernsthaft aus¬ gesprochen würde, weckte es zunächst die Erinnerung an den sehr leichten Kaufs errungenen Lorbeer von 1849 und an das unblutige Säbelgerassel von 1859. Diese Erinnerungen waren nicht unangenehm. Man wußte einfach nicht, was Krieg war. Daß man dabei auch ungünstige Chancen laufen könne, daran dachte man überhaupt gar nicht. „Denn," sagte selbst nach Königsgrätz das einsichtsvollste Mitglied der herzoglichen Familie, „eher hätten wir an des Himmels Einsturz als an eine Niederlage Oestreichs geglaubt." Der ganze Hof war für Oestreich, die Herzogin an der Spitze. Letztere ist eine geborene Prinzessin von Dessau, ihre Mutter geborene Prinzeß von Hessen-Numpenheim. Sie ist auf dem Schlößchen Rumpcnheim am Main erzogen. In ihrer politischen Weltanschauung stimmt sie mit dem Chef ihres mütterlichen Hauses, dem Kur¬ fürsten Friedrich Wilhelm, übereui. Bekanntlich ist der Kurfürst von Hessen durch einen ausgedehnten Gütercomplex in Böhmen an Oestreich gefesselt. Dasselbe ist bei dem Herzog Adolph der Fall. Er behind das Gut Liblin in Böhmen und ist der Hauptinteressent des deutsch-ungarischen Bergwerksvereins, der von dem Engländer Moriarty dirigirt wird, aber bis jetzt nichts als Zubußen gefördert hat. Die Herzogin Adelheid von Nassau also und ihre Freundjn und Oberhofmeisterin, die fünfzigjährige Comtesse Bella Felicitas v. Ingelheim, ledige Schwester des östreichischen Gesandten v. Ingelheim, welcher dem König Georg von Hannover zur Schlacht bei Langensalza rieth, übten großen Einfluß auf den Herzog Adolph und verwertheten ihn zu Gunsten Oestreichs. Schon Mitte März erklärte der Herzog sich auf eine Anfrage Oestreichs bereit, wenn es zu einem Kriege komme, an seiner Seite zu stehen. Ein Zweifel über die einzunehmende Stellung hat niemals obgewaltet. Die Hof- Grenzboten IV. 1866. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/355>, abgerufen am 04.07.2024.