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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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entschiedener Idiosynkrasie gegen Preußen förderte er die östreichischen Neigungen
des Herzogs, welche mit dessen Vorliebe für militärische und quasi-militärische-
Beschäftigungen Hand in Hares gingen und darin gipfelten, daß Hoheit Höchst¬
selbst mit dem Schneidermaße der Köpfe seines Offiziercorps versehen nach
Wien reiste und dort östreichische Käppis für dasselbe machen ließ. Man nannte
diesen Tag den der militärischen ..Kappenfahrt". Die Kappenfahrt pflegt näm¬
lich in Mainz, Köln u. f. w. einen integrirenden Bestandtheil der Carncvals-
belustigungen zu bilden.

Herzog Adolph hatte Oestreich zu Liebe 1850 seinen Austritt aus der
erfurter Union bewerkstelligt und 1831 an die Stelle seines preußenfreundlichen
Ministers Wintzingerode sein preußenfeindliches Factotum gesetzt. Während des
orientalischen Krieges hatte er Oestreich zu Liebe mobil gemacht und kurz darauf
hatte ihm der Kaiser von Oestreich seinen Prinzen aus der Taufe gehoben, der
die in protestantischen Dynastien nickt grade üblichen Vornamen Franz Joseph
führt. Im Jahre 1839 war der Herzog Adolph Oestreich zu Liebe einer der
Kriegslustigsten gegen das mächtige Frankreich, das so nahe an seiner Grenze
liegt. Seine Negierung zuerst von allen deutschen Staaten verbot damals die
Ausfuhr von Pferden. Dies erregte viel Heiterkeit in Paris. "I.s ano as
Mssau g. ä(!k<znäu 1'öxport Ah son ctikvall" spöttelte der Charivari.

Ob damals ohne den Friedensschluß von Villafranca das nichtpreuszische
Deutschland Oestreich wirklich vasallitische Heeresfolge geleistet haben würde, ist
ungewiß; gewiß aber ist, daß Herzog Adolph dies auf das sehnlichste wünschte
und sich davon die merkwürdigsten Erfolge versprach. Man phantasirte von
siegreichem Einrücken der Bundestruppen in Paris, Erwerbung großer Privat¬
reichthümer durch die Frankreich aufzuerlegenden Kriegscontributionen, Ent¬
thronung der napoleonischen Dynastie, Ersetzung derselben durch die alten Bour-
bons, legitimistische Restauration der staatsrechtlichen Zustände Europas nach
der Schablone Stahl oder Haller, Rückbildung der Bundesverfassung im Sinne
des Mittelalters, Abschaffung aller Repräsentalivverfassungen in Deutschland
und Wiederherstellung aller Feudallasten; vor allem aber von einem generellen
Hofjagdservitut über das ganze Land, welches dem Herzog sehr am Herzen lag
und ihm noch mehr daran gelegt wurde durch seine Jagdfreunde und seine
Jagdbediensteten, welche letztere den klingenden Vortheil davon hatten, während
für den Herrn das bischen noble Passion mit enormen Ausgaben verbunden
war, namentlich durch die von seinem Oberstallmeister v. Breidbach so warm
befürworteten Parforcejagden von Lippspringe.

Im Jahre 1859 war es zwar nicht zum Kriege gekommen, wohl aber zur
Kriegsbereitschaft. Auf Antrag des Abgeordneten Domherrn Rau hatte die
Ständeversammlung das ordentliche Militärbudget ohne Discussion en bloc
votirt. Außerdem hatte sie außerordentliche Mittel im reichsten Maße verwilligt.


entschiedener Idiosynkrasie gegen Preußen förderte er die östreichischen Neigungen
des Herzogs, welche mit dessen Vorliebe für militärische und quasi-militärische-
Beschäftigungen Hand in Hares gingen und darin gipfelten, daß Hoheit Höchst¬
selbst mit dem Schneidermaße der Köpfe seines Offiziercorps versehen nach
Wien reiste und dort östreichische Käppis für dasselbe machen ließ. Man nannte
diesen Tag den der militärischen ..Kappenfahrt". Die Kappenfahrt pflegt näm¬
lich in Mainz, Köln u. f. w. einen integrirenden Bestandtheil der Carncvals-
belustigungen zu bilden.

Herzog Adolph hatte Oestreich zu Liebe 1850 seinen Austritt aus der
erfurter Union bewerkstelligt und 1831 an die Stelle seines preußenfreundlichen
Ministers Wintzingerode sein preußenfeindliches Factotum gesetzt. Während des
orientalischen Krieges hatte er Oestreich zu Liebe mobil gemacht und kurz darauf
hatte ihm der Kaiser von Oestreich seinen Prinzen aus der Taufe gehoben, der
die in protestantischen Dynastien nickt grade üblichen Vornamen Franz Joseph
führt. Im Jahre 1839 war der Herzog Adolph Oestreich zu Liebe einer der
Kriegslustigsten gegen das mächtige Frankreich, das so nahe an seiner Grenze
liegt. Seine Negierung zuerst von allen deutschen Staaten verbot damals die
Ausfuhr von Pferden. Dies erregte viel Heiterkeit in Paris. „I.s ano as
Mssau g. ä(!k<znäu 1'öxport Ah son ctikvall" spöttelte der Charivari.

Ob damals ohne den Friedensschluß von Villafranca das nichtpreuszische
Deutschland Oestreich wirklich vasallitische Heeresfolge geleistet haben würde, ist
ungewiß; gewiß aber ist, daß Herzog Adolph dies auf das sehnlichste wünschte
und sich davon die merkwürdigsten Erfolge versprach. Man phantasirte von
siegreichem Einrücken der Bundestruppen in Paris, Erwerbung großer Privat¬
reichthümer durch die Frankreich aufzuerlegenden Kriegscontributionen, Ent¬
thronung der napoleonischen Dynastie, Ersetzung derselben durch die alten Bour-
bons, legitimistische Restauration der staatsrechtlichen Zustände Europas nach
der Schablone Stahl oder Haller, Rückbildung der Bundesverfassung im Sinne
des Mittelalters, Abschaffung aller Repräsentalivverfassungen in Deutschland
und Wiederherstellung aller Feudallasten; vor allem aber von einem generellen
Hofjagdservitut über das ganze Land, welches dem Herzog sehr am Herzen lag
und ihm noch mehr daran gelegt wurde durch seine Jagdfreunde und seine
Jagdbediensteten, welche letztere den klingenden Vortheil davon hatten, während
für den Herrn das bischen noble Passion mit enormen Ausgaben verbunden
war, namentlich durch die von seinem Oberstallmeister v. Breidbach so warm
befürworteten Parforcejagden von Lippspringe.

Im Jahre 1859 war es zwar nicht zum Kriege gekommen, wohl aber zur
Kriegsbereitschaft. Auf Antrag des Abgeordneten Domherrn Rau hatte die
Ständeversammlung das ordentliche Militärbudget ohne Discussion en bloc
votirt. Außerdem hatte sie außerordentliche Mittel im reichsten Maße verwilligt.


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[0354] entschiedener Idiosynkrasie gegen Preußen förderte er die östreichischen Neigungen des Herzogs, welche mit dessen Vorliebe für militärische und quasi-militärische- Beschäftigungen Hand in Hares gingen und darin gipfelten, daß Hoheit Höchst¬ selbst mit dem Schneidermaße der Köpfe seines Offiziercorps versehen nach Wien reiste und dort östreichische Käppis für dasselbe machen ließ. Man nannte diesen Tag den der militärischen ..Kappenfahrt". Die Kappenfahrt pflegt näm¬ lich in Mainz, Köln u. f. w. einen integrirenden Bestandtheil der Carncvals- belustigungen zu bilden. Herzog Adolph hatte Oestreich zu Liebe 1850 seinen Austritt aus der erfurter Union bewerkstelligt und 1831 an die Stelle seines preußenfreundlichen Ministers Wintzingerode sein preußenfeindliches Factotum gesetzt. Während des orientalischen Krieges hatte er Oestreich zu Liebe mobil gemacht und kurz darauf hatte ihm der Kaiser von Oestreich seinen Prinzen aus der Taufe gehoben, der die in protestantischen Dynastien nickt grade üblichen Vornamen Franz Joseph führt. Im Jahre 1839 war der Herzog Adolph Oestreich zu Liebe einer der Kriegslustigsten gegen das mächtige Frankreich, das so nahe an seiner Grenze liegt. Seine Negierung zuerst von allen deutschen Staaten verbot damals die Ausfuhr von Pferden. Dies erregte viel Heiterkeit in Paris. „I.s ano as Mssau g. ä(!k<znäu 1'öxport Ah son ctikvall" spöttelte der Charivari. Ob damals ohne den Friedensschluß von Villafranca das nichtpreuszische Deutschland Oestreich wirklich vasallitische Heeresfolge geleistet haben würde, ist ungewiß; gewiß aber ist, daß Herzog Adolph dies auf das sehnlichste wünschte und sich davon die merkwürdigsten Erfolge versprach. Man phantasirte von siegreichem Einrücken der Bundestruppen in Paris, Erwerbung großer Privat¬ reichthümer durch die Frankreich aufzuerlegenden Kriegscontributionen, Ent¬ thronung der napoleonischen Dynastie, Ersetzung derselben durch die alten Bour- bons, legitimistische Restauration der staatsrechtlichen Zustände Europas nach der Schablone Stahl oder Haller, Rückbildung der Bundesverfassung im Sinne des Mittelalters, Abschaffung aller Repräsentalivverfassungen in Deutschland und Wiederherstellung aller Feudallasten; vor allem aber von einem generellen Hofjagdservitut über das ganze Land, welches dem Herzog sehr am Herzen lag und ihm noch mehr daran gelegt wurde durch seine Jagdfreunde und seine Jagdbediensteten, welche letztere den klingenden Vortheil davon hatten, während für den Herrn das bischen noble Passion mit enormen Ausgaben verbunden war, namentlich durch die von seinem Oberstallmeister v. Breidbach so warm befürworteten Parforcejagden von Lippspringe. Im Jahre 1859 war es zwar nicht zum Kriege gekommen, wohl aber zur Kriegsbereitschaft. Auf Antrag des Abgeordneten Domherrn Rau hatte die Ständeversammlung das ordentliche Militärbudget ohne Discussion en bloc votirt. Außerdem hatte sie außerordentliche Mittel im reichsten Maße verwilligt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/354>, abgerufen am 04.07.2024.