Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Beachtung verdient indeß auch die Maculatur einer Pizzicaruol, denn noch
immer kommen in alter patriarchalischer Sorglosigkeit ihm Manuscripte aller
Art zu Händen, die oft den Weg alles Fleisches entschieden nicht verdienen. So
hat auf diesem Wege ein langjähriger gründlicher Kenner Roms, der preußische
Major Kühlen, vor Jahren einige interessante Entdeckungen gemacht, welche
Raphael betreffen; und derselbe hat neuerdings auf dem nämlichen Wege ein
kleines diplomatisches Document erhalten, das einer Veröffentlichung wohl werth
ist. Es ist das Concept eines Berichtes, welchen Monsignor Marghinotti-Sora
dem Cardinal Antonelli über eine Audienz bei dem Großherzog von Toscana
Leopold dem Zweiten giebt. Das Schriftstück, welches kein stilistisches Meister¬
stück ist, commentirt sich selbst; es folgt in möglichst treuer Uebersetzung, nur
sind einige Perioden aufgelöst, die wir im Deutschen zu athmen nicht im
Stande wären.

"Am 16. Mai des Jahres 1856 Abends 8°/" Uhr geruhten Se. königliche
Hoheit der Großherzog von Toscana dem Monsignor E. Marghinötti-Svra
eine besondere Audienz zu ertheilen. Gedachter Monsignor gab zuerst dem Ge¬
fühl seiner Ehrerbietung und seiner Freude über das Wohlbefinden Sr. könig¬
lichen Hoheit unterthänigen Ausdruck, und leitete dann das Gespräch über auf
die lebhafte Opposition, welche die Liberalen und die Protestanten gegen die
Regierungen der italienischen Staaten fortwährend anstrengen. Dieselben wie¬
gelten das Volk auf durch trügerische Klagen über die angebliche harte Knecht¬
schaft, in der es unter dem Druck absoluter Regierung und in den Fesseln von
Staatsformen schmachtete, welche nicht nur in sich selbst den Bedürfnissen und
Wünschen der Bevölkerung ungenügend seien, sondern durch den Zwang einer der
Gewissensfreiheit grundsätzlich entgegenarbeitenden Religion unerträglich würden.
Diese große wohlorganisirte Agitation, welche uns schon seit einer Reihe von
Jahren heftig beunruhige, strebe nach nichts Geringerem, als die katholische
Religion aus Italien zu verbannen und die absolute Monarchie zu vernichten,
um dafür eine constitutionelle Regierung und als Nationalreligion die prote¬
stantische einzusetzen."

"Aus dem Gesagten ergaben sich ihm zwei Consequenzen: 1) daß eben
unter diesen Umständen die katholischen Fürsten Italiens sich in inniges Ein¬
vernehmen zu einander setzen sollten. Und da er die Ehre hatte, zu einem so
frommen und gottesfürchtigen Fürsten zu sprechen, so wagt er Se. königliche
Hoheit zu bitten, sich ernstlich mit diesen Gedanken zu beschäftigen, sich enger
an den heiligen Stuhl anzuschließen, und ein Concordat nach Muster des öst¬
reichischen in Ausführung zu bringen, damit den Liberalen und Protestanten
die Hoffnung auf Erfolg ihrer hinterlistigen Pläne abgeschnitten würde."

"2) Zur Erreichung dieses Zweckes, und um zugleich einer andern hohen
Pflicht zu genügen, möchte Se. königliche Hoheit die Gesellschaft der Jesuiten


Beachtung verdient indeß auch die Maculatur einer Pizzicaruol, denn noch
immer kommen in alter patriarchalischer Sorglosigkeit ihm Manuscripte aller
Art zu Händen, die oft den Weg alles Fleisches entschieden nicht verdienen. So
hat auf diesem Wege ein langjähriger gründlicher Kenner Roms, der preußische
Major Kühlen, vor Jahren einige interessante Entdeckungen gemacht, welche
Raphael betreffen; und derselbe hat neuerdings auf dem nämlichen Wege ein
kleines diplomatisches Document erhalten, das einer Veröffentlichung wohl werth
ist. Es ist das Concept eines Berichtes, welchen Monsignor Marghinotti-Sora
dem Cardinal Antonelli über eine Audienz bei dem Großherzog von Toscana
Leopold dem Zweiten giebt. Das Schriftstück, welches kein stilistisches Meister¬
stück ist, commentirt sich selbst; es folgt in möglichst treuer Uebersetzung, nur
sind einige Perioden aufgelöst, die wir im Deutschen zu athmen nicht im
Stande wären.

„Am 16. Mai des Jahres 1856 Abends 8°/« Uhr geruhten Se. königliche
Hoheit der Großherzog von Toscana dem Monsignor E. Marghinötti-Svra
eine besondere Audienz zu ertheilen. Gedachter Monsignor gab zuerst dem Ge¬
fühl seiner Ehrerbietung und seiner Freude über das Wohlbefinden Sr. könig¬
lichen Hoheit unterthänigen Ausdruck, und leitete dann das Gespräch über auf
die lebhafte Opposition, welche die Liberalen und die Protestanten gegen die
Regierungen der italienischen Staaten fortwährend anstrengen. Dieselben wie¬
gelten das Volk auf durch trügerische Klagen über die angebliche harte Knecht¬
schaft, in der es unter dem Druck absoluter Regierung und in den Fesseln von
Staatsformen schmachtete, welche nicht nur in sich selbst den Bedürfnissen und
Wünschen der Bevölkerung ungenügend seien, sondern durch den Zwang einer der
Gewissensfreiheit grundsätzlich entgegenarbeitenden Religion unerträglich würden.
Diese große wohlorganisirte Agitation, welche uns schon seit einer Reihe von
Jahren heftig beunruhige, strebe nach nichts Geringerem, als die katholische
Religion aus Italien zu verbannen und die absolute Monarchie zu vernichten,
um dafür eine constitutionelle Regierung und als Nationalreligion die prote¬
stantische einzusetzen."

„Aus dem Gesagten ergaben sich ihm zwei Consequenzen: 1) daß eben
unter diesen Umständen die katholischen Fürsten Italiens sich in inniges Ein¬
vernehmen zu einander setzen sollten. Und da er die Ehre hatte, zu einem so
frommen und gottesfürchtigen Fürsten zu sprechen, so wagt er Se. königliche
Hoheit zu bitten, sich ernstlich mit diesen Gedanken zu beschäftigen, sich enger
an den heiligen Stuhl anzuschließen, und ein Concordat nach Muster des öst¬
reichischen in Ausführung zu bringen, damit den Liberalen und Protestanten
die Hoffnung auf Erfolg ihrer hinterlistigen Pläne abgeschnitten würde."

„2) Zur Erreichung dieses Zweckes, und um zugleich einer andern hohen
Pflicht zu genügen, möchte Se. königliche Hoheit die Gesellschaft der Jesuiten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286491"/>
          <p xml:id="ID_992"> Beachtung verdient indeß auch die Maculatur einer Pizzicaruol, denn noch<lb/>
immer kommen in alter patriarchalischer Sorglosigkeit ihm Manuscripte aller<lb/>
Art zu Händen, die oft den Weg alles Fleisches entschieden nicht verdienen. So<lb/>
hat auf diesem Wege ein langjähriger gründlicher Kenner Roms, der preußische<lb/>
Major Kühlen, vor Jahren einige interessante Entdeckungen gemacht, welche<lb/>
Raphael betreffen; und derselbe hat neuerdings auf dem nämlichen Wege ein<lb/>
kleines diplomatisches Document erhalten, das einer Veröffentlichung wohl werth<lb/>
ist. Es ist das Concept eines Berichtes, welchen Monsignor Marghinotti-Sora<lb/>
dem Cardinal Antonelli über eine Audienz bei dem Großherzog von Toscana<lb/>
Leopold dem Zweiten giebt. Das Schriftstück, welches kein stilistisches Meister¬<lb/>
stück ist, commentirt sich selbst; es folgt in möglichst treuer Uebersetzung, nur<lb/>
sind einige Perioden aufgelöst, die wir im Deutschen zu athmen nicht im<lb/>
Stande wären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_993"> &#x201E;Am 16. Mai des Jahres 1856 Abends 8°/« Uhr geruhten Se. königliche<lb/>
Hoheit der Großherzog von Toscana dem Monsignor E. Marghinötti-Svra<lb/>
eine besondere Audienz zu ertheilen. Gedachter Monsignor gab zuerst dem Ge¬<lb/>
fühl seiner Ehrerbietung und seiner Freude über das Wohlbefinden Sr. könig¬<lb/>
lichen Hoheit unterthänigen Ausdruck, und leitete dann das Gespräch über auf<lb/>
die lebhafte Opposition, welche die Liberalen und die Protestanten gegen die<lb/>
Regierungen der italienischen Staaten fortwährend anstrengen. Dieselben wie¬<lb/>
gelten das Volk auf durch trügerische Klagen über die angebliche harte Knecht¬<lb/>
schaft, in der es unter dem Druck absoluter Regierung und in den Fesseln von<lb/>
Staatsformen schmachtete, welche nicht nur in sich selbst den Bedürfnissen und<lb/>
Wünschen der Bevölkerung ungenügend seien, sondern durch den Zwang einer der<lb/>
Gewissensfreiheit grundsätzlich entgegenarbeitenden Religion unerträglich würden.<lb/>
Diese große wohlorganisirte Agitation, welche uns schon seit einer Reihe von<lb/>
Jahren heftig beunruhige, strebe nach nichts Geringerem, als die katholische<lb/>
Religion aus Italien zu verbannen und die absolute Monarchie zu vernichten,<lb/>
um dafür eine constitutionelle Regierung und als Nationalreligion die prote¬<lb/>
stantische einzusetzen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_994"> &#x201E;Aus dem Gesagten ergaben sich ihm zwei Consequenzen: 1) daß eben<lb/>
unter diesen Umständen die katholischen Fürsten Italiens sich in inniges Ein¬<lb/>
vernehmen zu einander setzen sollten. Und da er die Ehre hatte, zu einem so<lb/>
frommen und gottesfürchtigen Fürsten zu sprechen, so wagt er Se. königliche<lb/>
Hoheit zu bitten, sich ernstlich mit diesen Gedanken zu beschäftigen, sich enger<lb/>
an den heiligen Stuhl anzuschließen, und ein Concordat nach Muster des öst¬<lb/>
reichischen in Ausführung zu bringen, damit den Liberalen und Protestanten<lb/>
die Hoffnung auf Erfolg ihrer hinterlistigen Pläne abgeschnitten würde."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_995" next="#ID_996"> &#x201E;2) Zur Erreichung dieses Zweckes, und um zugleich einer andern hohen<lb/>
Pflicht zu genügen, möchte Se. königliche Hoheit die Gesellschaft der Jesuiten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0343] Beachtung verdient indeß auch die Maculatur einer Pizzicaruol, denn noch immer kommen in alter patriarchalischer Sorglosigkeit ihm Manuscripte aller Art zu Händen, die oft den Weg alles Fleisches entschieden nicht verdienen. So hat auf diesem Wege ein langjähriger gründlicher Kenner Roms, der preußische Major Kühlen, vor Jahren einige interessante Entdeckungen gemacht, welche Raphael betreffen; und derselbe hat neuerdings auf dem nämlichen Wege ein kleines diplomatisches Document erhalten, das einer Veröffentlichung wohl werth ist. Es ist das Concept eines Berichtes, welchen Monsignor Marghinotti-Sora dem Cardinal Antonelli über eine Audienz bei dem Großherzog von Toscana Leopold dem Zweiten giebt. Das Schriftstück, welches kein stilistisches Meister¬ stück ist, commentirt sich selbst; es folgt in möglichst treuer Uebersetzung, nur sind einige Perioden aufgelöst, die wir im Deutschen zu athmen nicht im Stande wären. „Am 16. Mai des Jahres 1856 Abends 8°/« Uhr geruhten Se. königliche Hoheit der Großherzog von Toscana dem Monsignor E. Marghinötti-Svra eine besondere Audienz zu ertheilen. Gedachter Monsignor gab zuerst dem Ge¬ fühl seiner Ehrerbietung und seiner Freude über das Wohlbefinden Sr. könig¬ lichen Hoheit unterthänigen Ausdruck, und leitete dann das Gespräch über auf die lebhafte Opposition, welche die Liberalen und die Protestanten gegen die Regierungen der italienischen Staaten fortwährend anstrengen. Dieselben wie¬ gelten das Volk auf durch trügerische Klagen über die angebliche harte Knecht¬ schaft, in der es unter dem Druck absoluter Regierung und in den Fesseln von Staatsformen schmachtete, welche nicht nur in sich selbst den Bedürfnissen und Wünschen der Bevölkerung ungenügend seien, sondern durch den Zwang einer der Gewissensfreiheit grundsätzlich entgegenarbeitenden Religion unerträglich würden. Diese große wohlorganisirte Agitation, welche uns schon seit einer Reihe von Jahren heftig beunruhige, strebe nach nichts Geringerem, als die katholische Religion aus Italien zu verbannen und die absolute Monarchie zu vernichten, um dafür eine constitutionelle Regierung und als Nationalreligion die prote¬ stantische einzusetzen." „Aus dem Gesagten ergaben sich ihm zwei Consequenzen: 1) daß eben unter diesen Umständen die katholischen Fürsten Italiens sich in inniges Ein¬ vernehmen zu einander setzen sollten. Und da er die Ehre hatte, zu einem so frommen und gottesfürchtigen Fürsten zu sprechen, so wagt er Se. königliche Hoheit zu bitten, sich ernstlich mit diesen Gedanken zu beschäftigen, sich enger an den heiligen Stuhl anzuschließen, und ein Concordat nach Muster des öst¬ reichischen in Ausführung zu bringen, damit den Liberalen und Protestanten die Hoffnung auf Erfolg ihrer hinterlistigen Pläne abgeschnitten würde." „2) Zur Erreichung dieses Zweckes, und um zugleich einer andern hohen Pflicht zu genügen, möchte Se. königliche Hoheit die Gesellschaft der Jesuiten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/343
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/343>, abgerufen am 04.07.2024.