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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Rathlos stehen wir vor der lapidaren Hieroglyphik dieser Strophe und
wenden uns gern den frischen, fröhlichen Kampfliedern desselben Autors' zu, die
auf die vorhergehende schwere Kost die Erfrischung derber sinnlicher Empfindung
reichen. Jeder Truppengattung wird ihr lyrisches Denkmal gesetzt; das flotte
Tempo der Verse hilft die poetischen Licenzen in Behandlung der Thatsachen
entschuldigen. Von der Artillerie z. B. singt der Dichter:

Des Gegners best'ger Kugelregen
Zerstob an Euch, wie Sand am Meer;
Ihr standet ein für Eure Ahnen,
Stets sicher nahm der Schuß die' Bahnen,
:,: Ja, so führt Sachsen Krieg!
Gefürchtet von dem Feind als Truppe,
Gleich groß an Dauer wie Genie;
Wer schoß wie Ihr, auf hundert Schritte
Nach Göpping's Commandantcnfitte!
:,: Wen gab's, den Furcht beschlich?

Den Schlußaccord zu den Kampfliedern hat Mars übernommen ("Mars,
die Bezeichnung für den Gott des Krieges", wie der Dichter freundlich erläutert):

Mit der Einführung der Diplomatie wird die Wendung politisch. Be¬
geisterung ist ein Jmprovisator, der sich auf seinen eigenen Empfindungen er¬
tappt. Groll und verhaltene Drohung durchherrschen, vielleicht wider die Ab¬
sicht, das folgende Lied:

[Beginn Spaltensatz] Sachsen, mein Vaterland,
Ehrenb vom Feind genannt,
Schön war dein Wahn. --
Stolz sah das Haus Wettin
Kühn seine Streiter zieh'",
Heiter bei frohem Muth,
Hin Mann für Mann.
Sachsen, das ruhmreich stand,
Drinnen im Böhmerland,
Vor Sadowa,
Sah, wie sein Königssohn
Fern seiner Väter Thron,
Fechtend das Schlachtfeld ließ.
Uns immer nah! [Spaltenumbruch] Mancher, hier nicht genannt,
Wo jede Hoffnung schwand,
Sah seinen Tod
Noch bei dem Ruf: Zurück!
Bcnedek's Mißgeschick
In dem verrathncn Land,
Leider v Gott. Sachsen, mein Königshnus,
Stell' deine Wachen aus,
Oestreich, das Bundesland,
Scheidend aus dem Verband,
Stark auch in seinem Leid,Sei auf der Hut!
Fordert noch Blut.
[Ende Spaltensatz]

Rathlos stehen wir vor der lapidaren Hieroglyphik dieser Strophe und
wenden uns gern den frischen, fröhlichen Kampfliedern desselben Autors' zu, die
auf die vorhergehende schwere Kost die Erfrischung derber sinnlicher Empfindung
reichen. Jeder Truppengattung wird ihr lyrisches Denkmal gesetzt; das flotte
Tempo der Verse hilft die poetischen Licenzen in Behandlung der Thatsachen
entschuldigen. Von der Artillerie z. B. singt der Dichter:

Des Gegners best'ger Kugelregen
Zerstob an Euch, wie Sand am Meer;
Ihr standet ein für Eure Ahnen,
Stets sicher nahm der Schuß die' Bahnen,
:,: Ja, so führt Sachsen Krieg!
Gefürchtet von dem Feind als Truppe,
Gleich groß an Dauer wie Genie;
Wer schoß wie Ihr, auf hundert Schritte
Nach Göpping's Commandantcnfitte!
:,: Wen gab's, den Furcht beschlich?

Den Schlußaccord zu den Kampfliedern hat Mars übernommen („Mars,
die Bezeichnung für den Gott des Krieges", wie der Dichter freundlich erläutert):

Mit der Einführung der Diplomatie wird die Wendung politisch. Be¬
geisterung ist ein Jmprovisator, der sich auf seinen eigenen Empfindungen er¬
tappt. Groll und verhaltene Drohung durchherrschen, vielleicht wider die Ab¬
sicht, das folgende Lied:

[Beginn Spaltensatz] Sachsen, mein Vaterland,
Ehrenb vom Feind genannt,
Schön war dein Wahn. —
Stolz sah das Haus Wettin
Kühn seine Streiter zieh'»,
Heiter bei frohem Muth,
Hin Mann für Mann.
Sachsen, das ruhmreich stand,
Drinnen im Böhmerland,
Vor Sadowa,
Sah, wie sein Königssohn
Fern seiner Väter Thron,
Fechtend das Schlachtfeld ließ.
Uns immer nah! [Spaltenumbruch] Mancher, hier nicht genannt,
Wo jede Hoffnung schwand,
Sah seinen Tod
Noch bei dem Ruf: Zurück!
Bcnedek's Mißgeschick
In dem verrathncn Land,
Leider v Gott. Sachsen, mein Königshnus,
Stell' deine Wachen aus,
Oestreich, das Bundesland,
Scheidend aus dem Verband,
Stark auch in seinem Leid,Sei auf der Hut!
Fordert noch Blut.
[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/340>, abgerufen am 04.07.2024.