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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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schwer erträgt, ist begreiflich. Neben anderem besonders schmerzlich war ihm
der Verlust von Homburg, -- doppelt schmerzlich, da dieser Erwerb so lange
auf sich hatte warten lasse", noch so neu war und für manche seiner organi¬
satorischen Liebhabereien ein so gutes Feld bot. Indessen muß anerkannt wer¬
den, daß er bei öffentlichen Kundgebungen sich in würdiger Weise auf den
Boden der neuen Thatsachen stellt. "Wir haben nicht blos (so heißt es in der
Proclamation vom 17. September, womit er wieder das Land betrat) die Wun¬
den zu heilen, welche der Krieg unserem Hessen geschlagen hat, wir haben auch
mit der Neugestaltung unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes in einer die
gerechten nationalen Ansprüche befriedigenden Weise zu beginnen. Der alte
Rechtsboden, auf dem wir hätten fortbauen können, ist zusammengebrochen.
Wir müssen nun die Vervollkommnung des durch die Macht der Thatsachen
geschaffenen neuen Rechtszustandes zum Gegenstande unserer Sorge machen.
Mein eifriger Wunsch war, den Bund, welcher dermalen den Norden Deutsch¬
lands umfaßt, auf das ganze große Vaterland ausgedehnt zu sehen. Rücksichten,
deren Beseitigung nicht in meiner Macht liegt, standen bis jetzt der Erfüllung
meines Wunsches entgegen." Gewiß ist, daß der Eintritt des ganzen Groß-
herzogthums in den norddeutschen Bund in Berlin angeboten, dort aber abge¬
lehnt worden ist. Als bester Beweis des in Darmstadt herrschenden guten
Willens für die Pflege der nun einmal gegebenen Beziehungen zu Preußen
kann die Wahl des seitherigen Geheimen Legationsraths Hofmann zum außer¬
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am berliner Hof scheinen.
Von liberaler Gesinnung und der inneren Mißregierung völlig fremd, hat er
auch in der deutschen Frage nie auf dem bei den mittelstaatlichen Regierungen
landläufigen Standpunkt des östreichisch-klerikalen Particularismus und der
Preußenseindschaft gestanden. Noch in den Dreißiger, (er ist nur durch seine
Tüchtigkeit so rasch heraufgekommen), klaren und unbefangenen Blicks, wird er
-- so glaubt man -- nicht mit zögernder Hand und halbem Herzen die Ma߬
regeln einleiten, welche von den gegebenen Verhältnissen uns zu einer gedeih¬
lichen Fortentwicklung unsrer nationalen Neugestaltung führe" sollen. Freilich
hat auch hier eine sanfte Pression helfen müssen. Man hat Hofmann in Berlin
bei den Friedensverhandlungen, die er mit Herrn v. Dalwigk führte und ab¬
schloß, schätzen gelernt und als genehme Persönlichkeit bezeichnet; und seine Er¬
nennung zum Gesandten erfolgte erst, nachdem zwei andere von Herrn v. Dal¬
wigk vorgeschlagene Candidatc", Herr v. Wambolt und Herr v. Biegeleben,
beide von ausgeprägtester ultramontaner und östreichischer Gesinnung, als un¬
annehmbar waren bezeichnet worden.

Der andere gesetzliche Factor für jene Fortentwickelung sind die Stände.
Die erste Kammer wird den Regierungsvorlagen, die sich darauf beziehen, keine
Schwierigkeit bereiten, aber auch ihrer ganzen Natur nach keine Initiative er-


schwer erträgt, ist begreiflich. Neben anderem besonders schmerzlich war ihm
der Verlust von Homburg, — doppelt schmerzlich, da dieser Erwerb so lange
auf sich hatte warten lasse», noch so neu war und für manche seiner organi¬
satorischen Liebhabereien ein so gutes Feld bot. Indessen muß anerkannt wer¬
den, daß er bei öffentlichen Kundgebungen sich in würdiger Weise auf den
Boden der neuen Thatsachen stellt. „Wir haben nicht blos (so heißt es in der
Proclamation vom 17. September, womit er wieder das Land betrat) die Wun¬
den zu heilen, welche der Krieg unserem Hessen geschlagen hat, wir haben auch
mit der Neugestaltung unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes in einer die
gerechten nationalen Ansprüche befriedigenden Weise zu beginnen. Der alte
Rechtsboden, auf dem wir hätten fortbauen können, ist zusammengebrochen.
Wir müssen nun die Vervollkommnung des durch die Macht der Thatsachen
geschaffenen neuen Rechtszustandes zum Gegenstande unserer Sorge machen.
Mein eifriger Wunsch war, den Bund, welcher dermalen den Norden Deutsch¬
lands umfaßt, auf das ganze große Vaterland ausgedehnt zu sehen. Rücksichten,
deren Beseitigung nicht in meiner Macht liegt, standen bis jetzt der Erfüllung
meines Wunsches entgegen." Gewiß ist, daß der Eintritt des ganzen Groß-
herzogthums in den norddeutschen Bund in Berlin angeboten, dort aber abge¬
lehnt worden ist. Als bester Beweis des in Darmstadt herrschenden guten
Willens für die Pflege der nun einmal gegebenen Beziehungen zu Preußen
kann die Wahl des seitherigen Geheimen Legationsraths Hofmann zum außer¬
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am berliner Hof scheinen.
Von liberaler Gesinnung und der inneren Mißregierung völlig fremd, hat er
auch in der deutschen Frage nie auf dem bei den mittelstaatlichen Regierungen
landläufigen Standpunkt des östreichisch-klerikalen Particularismus und der
Preußenseindschaft gestanden. Noch in den Dreißiger, (er ist nur durch seine
Tüchtigkeit so rasch heraufgekommen), klaren und unbefangenen Blicks, wird er
— so glaubt man — nicht mit zögernder Hand und halbem Herzen die Ma߬
regeln einleiten, welche von den gegebenen Verhältnissen uns zu einer gedeih¬
lichen Fortentwicklung unsrer nationalen Neugestaltung führe» sollen. Freilich
hat auch hier eine sanfte Pression helfen müssen. Man hat Hofmann in Berlin
bei den Friedensverhandlungen, die er mit Herrn v. Dalwigk führte und ab¬
schloß, schätzen gelernt und als genehme Persönlichkeit bezeichnet; und seine Er¬
nennung zum Gesandten erfolgte erst, nachdem zwei andere von Herrn v. Dal¬
wigk vorgeschlagene Candidatc», Herr v. Wambolt und Herr v. Biegeleben,
beide von ausgeprägtester ultramontaner und östreichischer Gesinnung, als un¬
annehmbar waren bezeichnet worden.

Der andere gesetzliche Factor für jene Fortentwickelung sind die Stände.
Die erste Kammer wird den Regierungsvorlagen, die sich darauf beziehen, keine
Schwierigkeit bereiten, aber auch ihrer ganzen Natur nach keine Initiative er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/336>, abgerufen am 04.07.2024.