Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.gedacht wird, und daraus geschlossen, der Verfasser habe vor 1264. dem Zeit¬ Gleich sehr wie der Mangel an Angaben über die Person des Verfassers Suchen wir von uns aus ihm die Stelle anzuweisen, die ihm gebührt. gedacht wird, und daraus geschlossen, der Verfasser habe vor 1264. dem Zeit¬ Gleich sehr wie der Mangel an Angaben über die Person des Verfassers Suchen wir von uns aus ihm die Stelle anzuweisen, die ihm gebührt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286423"/> <p xml:id="ID_795" prev="#ID_794"> gedacht wird, und daraus geschlossen, der Verfasser habe vor 1264. dem Zeit¬<lb/> punkte der Einsetzung jenes Festes geschrieben; mir scheint mit Recht; denn<lb/> angenommen auch, der Dichter habe die Handlung ins zwölfte Jahrhundert ver¬<lb/> setzt, so würde er doch kaum jenes hohe Fest unerwähnt gelassen haben, wenn<lb/> es zu seiner Zeit schon bestanden hätte; er würde ohne Zweifel auch diese Ge¬<lb/> legenheit benutzt haben, seine Schulbildung und zugleich den Unterschied zwischen<lb/> Einst und Jetzt ins gehörige Licht zu stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_796"> Gleich sehr wie der Mangel an Angaben über die Person des Verfassers<lb/> ist der Mangel jeglichen Zeugnisses über das Werk zu bedauern. Ob Flammea<lb/> viel gelesen und wie der Roman von den Gebildeten jener Zeit aufgenommen<lb/> wurde, wir wissen es nicht; kein Minnesinger nimmt den Wilhelm als Bild<lb/> für seine Liebe, keiner zählt unser Gedicht unter denen auf, deren Kenntniß von<lb/> einem tüchtigen Spielmann zu fordern ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_797" next="#ID_798"> Suchen wir von uns aus ihm die Stelle anzuweisen, die ihm gebührt.<lb/> Unter den uns erhaltenen Resten erzählender provenzalischer Dichtung, unter<lb/> welchem Namen die Reimchronik und die Legende hier nicht begriffen sind, steht<lb/> Flammea ziemlich vereinzelt. Flammea ist einmal nicht volksthümliche Dich¬<lb/> tung, wie die altehrwürdige Chanson de geste von Girard von Roussillon oder<lb/> die aus dem Französischen übertragene von Ferabras. aber auch nicht ein Ritter¬<lb/> roman voll merkwürdiger Abenteuer, wie der von Jaufre oder der noch wenig<lb/> bekannte von dem ritterlichen Freundespaar Blandin und Guillot. Am meisten<lb/> Verwandtschaft zeigt unser Gedicht noch mit der Gattung der Novas (Erzäh¬<lb/> lungen), obschon sein Umfang, der übrigens weniger von der Fülle der Ereig¬<lb/> nisse als von der Weitschweifigkeit der Darstellung herrührt, ihm auch inner¬<lb/> halb dieser Anspruch auf besondere Hervorhebung giebt. Die Novas selbst sind<lb/> verschiedener Art; denn die Gattungsnamen der provenzalischen Aesthetik be¬<lb/> greifen Arten, welche nach unserem Urtheil nur sehr unwesentliche Merkmale<lb/> mit einander gemein haben. Einige sind Allegorien in der Form der Erzählung,<lb/> wie z. B. die (unvollständig erhaltene) des Peire Guillen. in welcher der Dichter<lb/> berichtet, wie er bei einem Ritt im Sommer zwei Paaren, einem Ritter und<lb/> einer Dame, einem Knappen und einem Dienstfräulein begegnet, die sich im<lb/> Verlaufe des Gespräches als Liebesgott und Gnade. Treue und Schamhaf-<lb/> tigkeit zu erkennen geben und ihm auf manche Fragen allgemeiner und persön¬<lb/> licher Natur Rede stehen; oder jene andere eines Ungenannten, welcher sein<lb/> Werk rowaus nennt und darin eine Schilderung der Residenz des Liebesgottes<lb/> auf dem Parnassus giebt und von einer Besprechung desselben mit seinen ver¬<lb/> sammelten Untergebnen, Lust. Geselligkeit. Kühnheit u. s. w. Bericht erstattet.<lb/> Andere Gedichte der Gattung Novas sind dagegen förmliche Novellen in Versen,<lb/> wie die Anekdote, welche Raimon Vidal in seine ihrerseits wieder novellistisch<lb/> eingekleidete Darstellung des Verfalls der provenzalischen Dichtkunst eingefügt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
gedacht wird, und daraus geschlossen, der Verfasser habe vor 1264. dem Zeit¬
punkte der Einsetzung jenes Festes geschrieben; mir scheint mit Recht; denn
angenommen auch, der Dichter habe die Handlung ins zwölfte Jahrhundert ver¬
setzt, so würde er doch kaum jenes hohe Fest unerwähnt gelassen haben, wenn
es zu seiner Zeit schon bestanden hätte; er würde ohne Zweifel auch diese Ge¬
legenheit benutzt haben, seine Schulbildung und zugleich den Unterschied zwischen
Einst und Jetzt ins gehörige Licht zu stellen.
Gleich sehr wie der Mangel an Angaben über die Person des Verfassers
ist der Mangel jeglichen Zeugnisses über das Werk zu bedauern. Ob Flammea
viel gelesen und wie der Roman von den Gebildeten jener Zeit aufgenommen
wurde, wir wissen es nicht; kein Minnesinger nimmt den Wilhelm als Bild
für seine Liebe, keiner zählt unser Gedicht unter denen auf, deren Kenntniß von
einem tüchtigen Spielmann zu fordern ist.
Suchen wir von uns aus ihm die Stelle anzuweisen, die ihm gebührt.
Unter den uns erhaltenen Resten erzählender provenzalischer Dichtung, unter
welchem Namen die Reimchronik und die Legende hier nicht begriffen sind, steht
Flammea ziemlich vereinzelt. Flammea ist einmal nicht volksthümliche Dich¬
tung, wie die altehrwürdige Chanson de geste von Girard von Roussillon oder
die aus dem Französischen übertragene von Ferabras. aber auch nicht ein Ritter¬
roman voll merkwürdiger Abenteuer, wie der von Jaufre oder der noch wenig
bekannte von dem ritterlichen Freundespaar Blandin und Guillot. Am meisten
Verwandtschaft zeigt unser Gedicht noch mit der Gattung der Novas (Erzäh¬
lungen), obschon sein Umfang, der übrigens weniger von der Fülle der Ereig¬
nisse als von der Weitschweifigkeit der Darstellung herrührt, ihm auch inner¬
halb dieser Anspruch auf besondere Hervorhebung giebt. Die Novas selbst sind
verschiedener Art; denn die Gattungsnamen der provenzalischen Aesthetik be¬
greifen Arten, welche nach unserem Urtheil nur sehr unwesentliche Merkmale
mit einander gemein haben. Einige sind Allegorien in der Form der Erzählung,
wie z. B. die (unvollständig erhaltene) des Peire Guillen. in welcher der Dichter
berichtet, wie er bei einem Ritt im Sommer zwei Paaren, einem Ritter und
einer Dame, einem Knappen und einem Dienstfräulein begegnet, die sich im
Verlaufe des Gespräches als Liebesgott und Gnade. Treue und Schamhaf-
tigkeit zu erkennen geben und ihm auf manche Fragen allgemeiner und persön¬
licher Natur Rede stehen; oder jene andere eines Ungenannten, welcher sein
Werk rowaus nennt und darin eine Schilderung der Residenz des Liebesgottes
auf dem Parnassus giebt und von einer Besprechung desselben mit seinen ver¬
sammelten Untergebnen, Lust. Geselligkeit. Kühnheit u. s. w. Bericht erstattet.
Andere Gedichte der Gattung Novas sind dagegen förmliche Novellen in Versen,
wie die Anekdote, welche Raimon Vidal in seine ihrerseits wieder novellistisch
eingekleidete Darstellung des Verfalls der provenzalischen Dichtkunst eingefügt
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