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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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geben Friedrich des Großen zahlreiche Feldzüge in diesen Gegenden eine hin¬
reichende Lehre. Hier hat er nie glücklich operirt, Mähren mit der vorzüglich
gelegenen bedeutenden Festung Olmütz bietet kein Terrain für den Gebrauch
großer Armeen. Böhmen hat immer die großen Schlachtfelder geboten. /

Die preußischen Truppen erhielten also den Befehl zur Offensive nach
Böhmen, ihnen wurde Gitschin als Vereinigungspunkt von Neisse, Görlitz und
Barchen her gegeben. Der Befehl muß ungefähr den 20. Juni in die Hände '
der Heerführer gekommen sein, denn um diese Zeit beginnen sie ihre Bewegungen.
Von Bautzen und Görlitz hatte Prinz Friedrich Karl circa zwölf Meilen nach
Gitschin. der Kronprinz aber von Neisse außer den kolossalen Gebirgspässen
zwanzig Meilen. Man durfte ferner überzeugt sein, daß sofort bei Beginn der
Bewegungen in den preußischen Armeen, die sich in Sachsen gar nicht, in
Schlesien nur wenig geheim halten ließen, auch die Oestreicher sich entsprechend
in Bewegung setzen würden. Da nun diese Bewegung der Oestreicher ungemein
beschleunigt werden konnte durch die Eisenbahn, an der die Truppen von Brünn
bis in die Gegend von Königsgrätz lagen, diese Eisenbahn aber direct an die
vom Kronprinzen zu überschreitenden Pässe führte, hier also eine Ueberraschung
unmöglich erschien, so war menschlicher Berechnung nach die Vereinigung der
preußischen Armeen nur dann möglich, wenn der Prinz Friedrich Karl seine
Uebermacht gegen Clam-Gallas voll zur Geltung brachte, in breiter Front und
starken Märschen vordringend demselben keine Zeit zur Vereinigung ließ, ihn
vor sich hertrieb und durch eine Aufstellung in guter Position vorwärts Gitschin
dem Kronprinzen die Desiieen frei erhielt.

Doch der Krieg ist ein Wetter, dessen Gang zuweilen durch die geheimsten
Tiefen der Menschennatur bestimmt wird, er entzieht sich daher allen abstracten
Berechnungen. Fast das gerade Gegentheil trat ein. Prinz Friedrich Karl kam
ungemein vorsichtig vor. wir werden ihn seine ganze Armee stets dicht vereinigt
halten und stets für seine Flanken besorgt sehen, weshalb er nur langsam
marschiren und seinen Gegner nur fechtend vor sick her treiben konnte. Der
Prinz schlug erst am 29. bei Gitschin gegen Clam-Gallas. während der Kron¬
prinz bis zu diesem Tage mit drei Corps schon vier feindliche Corps aus dem
Felde geworfen, mit dem einen, dem ersten Corps selbst einen Ecken erlitten
und doch die Elbübergänge, an denen Friedrich der Große oft gescheitert war.
erobert hatte. -- Ehe wir zu den einzelnen Bewegungen selbst übergehen, sei
hier gleich auf den Unterschied hingewiesen, welcher sich in den beiden Heer¬
führern durch die kurzen Tage ihrer Thätigkeit entwickelte. Während Prinz
Friedrich Karl in seinen Operationen sowohl, als auch in der Schlacht sich
immer concentrirt und frontal bewegt, sehen wir den Kronprinzen immer eine
große Front einnehmen, den Feind in der Flanke bedrohen und anfassen, die
eigene Rückzugslinie vergessen, die des Feindes immer scharf ins Auge fassen.


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geben Friedrich des Großen zahlreiche Feldzüge in diesen Gegenden eine hin¬
reichende Lehre. Hier hat er nie glücklich operirt, Mähren mit der vorzüglich
gelegenen bedeutenden Festung Olmütz bietet kein Terrain für den Gebrauch
großer Armeen. Böhmen hat immer die großen Schlachtfelder geboten. /

Die preußischen Truppen erhielten also den Befehl zur Offensive nach
Böhmen, ihnen wurde Gitschin als Vereinigungspunkt von Neisse, Görlitz und
Barchen her gegeben. Der Befehl muß ungefähr den 20. Juni in die Hände '
der Heerführer gekommen sein, denn um diese Zeit beginnen sie ihre Bewegungen.
Von Bautzen und Görlitz hatte Prinz Friedrich Karl circa zwölf Meilen nach
Gitschin. der Kronprinz aber von Neisse außer den kolossalen Gebirgspässen
zwanzig Meilen. Man durfte ferner überzeugt sein, daß sofort bei Beginn der
Bewegungen in den preußischen Armeen, die sich in Sachsen gar nicht, in
Schlesien nur wenig geheim halten ließen, auch die Oestreicher sich entsprechend
in Bewegung setzen würden. Da nun diese Bewegung der Oestreicher ungemein
beschleunigt werden konnte durch die Eisenbahn, an der die Truppen von Brünn
bis in die Gegend von Königsgrätz lagen, diese Eisenbahn aber direct an die
vom Kronprinzen zu überschreitenden Pässe führte, hier also eine Ueberraschung
unmöglich erschien, so war menschlicher Berechnung nach die Vereinigung der
preußischen Armeen nur dann möglich, wenn der Prinz Friedrich Karl seine
Uebermacht gegen Clam-Gallas voll zur Geltung brachte, in breiter Front und
starken Märschen vordringend demselben keine Zeit zur Vereinigung ließ, ihn
vor sich hertrieb und durch eine Aufstellung in guter Position vorwärts Gitschin
dem Kronprinzen die Desiieen frei erhielt.

Doch der Krieg ist ein Wetter, dessen Gang zuweilen durch die geheimsten
Tiefen der Menschennatur bestimmt wird, er entzieht sich daher allen abstracten
Berechnungen. Fast das gerade Gegentheil trat ein. Prinz Friedrich Karl kam
ungemein vorsichtig vor. wir werden ihn seine ganze Armee stets dicht vereinigt
halten und stets für seine Flanken besorgt sehen, weshalb er nur langsam
marschiren und seinen Gegner nur fechtend vor sick her treiben konnte. Der
Prinz schlug erst am 29. bei Gitschin gegen Clam-Gallas. während der Kron¬
prinz bis zu diesem Tage mit drei Corps schon vier feindliche Corps aus dem
Felde geworfen, mit dem einen, dem ersten Corps selbst einen Ecken erlitten
und doch die Elbübergänge, an denen Friedrich der Große oft gescheitert war.
erobert hatte. — Ehe wir zu den einzelnen Bewegungen selbst übergehen, sei
hier gleich auf den Unterschied hingewiesen, welcher sich in den beiden Heer¬
führern durch die kurzen Tage ihrer Thätigkeit entwickelte. Während Prinz
Friedrich Karl in seinen Operationen sowohl, als auch in der Schlacht sich
immer concentrirt und frontal bewegt, sehen wir den Kronprinzen immer eine
große Front einnehmen, den Feind in der Flanke bedrohen und anfassen, die
eigene Rückzugslinie vergessen, die des Feindes immer scharf ins Auge fassen.


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[0265] geben Friedrich des Großen zahlreiche Feldzüge in diesen Gegenden eine hin¬ reichende Lehre. Hier hat er nie glücklich operirt, Mähren mit der vorzüglich gelegenen bedeutenden Festung Olmütz bietet kein Terrain für den Gebrauch großer Armeen. Böhmen hat immer die großen Schlachtfelder geboten. / Die preußischen Truppen erhielten also den Befehl zur Offensive nach Böhmen, ihnen wurde Gitschin als Vereinigungspunkt von Neisse, Görlitz und Barchen her gegeben. Der Befehl muß ungefähr den 20. Juni in die Hände ' der Heerführer gekommen sein, denn um diese Zeit beginnen sie ihre Bewegungen. Von Bautzen und Görlitz hatte Prinz Friedrich Karl circa zwölf Meilen nach Gitschin. der Kronprinz aber von Neisse außer den kolossalen Gebirgspässen zwanzig Meilen. Man durfte ferner überzeugt sein, daß sofort bei Beginn der Bewegungen in den preußischen Armeen, die sich in Sachsen gar nicht, in Schlesien nur wenig geheim halten ließen, auch die Oestreicher sich entsprechend in Bewegung setzen würden. Da nun diese Bewegung der Oestreicher ungemein beschleunigt werden konnte durch die Eisenbahn, an der die Truppen von Brünn bis in die Gegend von Königsgrätz lagen, diese Eisenbahn aber direct an die vom Kronprinzen zu überschreitenden Pässe führte, hier also eine Ueberraschung unmöglich erschien, so war menschlicher Berechnung nach die Vereinigung der preußischen Armeen nur dann möglich, wenn der Prinz Friedrich Karl seine Uebermacht gegen Clam-Gallas voll zur Geltung brachte, in breiter Front und starken Märschen vordringend demselben keine Zeit zur Vereinigung ließ, ihn vor sich hertrieb und durch eine Aufstellung in guter Position vorwärts Gitschin dem Kronprinzen die Desiieen frei erhielt. Doch der Krieg ist ein Wetter, dessen Gang zuweilen durch die geheimsten Tiefen der Menschennatur bestimmt wird, er entzieht sich daher allen abstracten Berechnungen. Fast das gerade Gegentheil trat ein. Prinz Friedrich Karl kam ungemein vorsichtig vor. wir werden ihn seine ganze Armee stets dicht vereinigt halten und stets für seine Flanken besorgt sehen, weshalb er nur langsam marschiren und seinen Gegner nur fechtend vor sick her treiben konnte. Der Prinz schlug erst am 29. bei Gitschin gegen Clam-Gallas. während der Kron¬ prinz bis zu diesem Tage mit drei Corps schon vier feindliche Corps aus dem Felde geworfen, mit dem einen, dem ersten Corps selbst einen Ecken erlitten und doch die Elbübergänge, an denen Friedrich der Große oft gescheitert war. erobert hatte. — Ehe wir zu den einzelnen Bewegungen selbst übergehen, sei hier gleich auf den Unterschied hingewiesen, welcher sich in den beiden Heer¬ führern durch die kurzen Tage ihrer Thätigkeit entwickelte. Während Prinz Friedrich Karl in seinen Operationen sowohl, als auch in der Schlacht sich immer concentrirt und frontal bewegt, sehen wir den Kronprinzen immer eine große Front einnehmen, den Feind in der Flanke bedrohen und anfassen, die eigene Rückzugslinie vergessen, die des Feindes immer scharf ins Auge fassen. 31*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/265>, abgerufen am 04.07.2024.