Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.führte ihn so sicher und mühelos, wie es nur den wenigen auserwählten Lieb¬ Würden, wie zu hoffen steht, die sehr zerstreuten gedruckt erschienenen wissen¬ All dies, was Rückert als Gelehrter geleistet hat oder leisten wollte, pflegt führte ihn so sicher und mühelos, wie es nur den wenigen auserwählten Lieb¬ Würden, wie zu hoffen steht, die sehr zerstreuten gedruckt erschienenen wissen¬ All dies, was Rückert als Gelehrter geleistet hat oder leisten wollte, pflegt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286294"/> <p xml:id="ID_403" prev="#ID_402"> führte ihn so sicher und mühelos, wie es nur den wenigen auserwählten Lieb¬<lb/> lingen des Schicksals vergönnt ist. Es wird sich auch wohl selten ein zweites<lb/> Beispiel dafür finden, wie sein Nachlaß auf eine selbst die Nächststehenden und<lb/> Vertrautesten überraschende Weise darthut.</p><lb/> <p xml:id="ID_404"> Würden, wie zu hoffen steht, die sehr zerstreuten gedruckt erschienenen wissen¬<lb/> schaftlichen Aufsätze und Abhandlungen Rückerts gesammelt, so würden sie trotz¬<lb/> dem eine Anzahl von Bänden füllen. Einige davon sind von so bedeutendem<lb/> Umfange, daß sie deshalb recht wohl für selbständige Bücher gelten könnten.<lb/> Fast alle aber sind in die bescheidenste und bequemste Form gekleidet, in die<lb/> von Recensionen. Da sich unwillkürlich nach dem bekannten Durchschnittswert!)<lb/> solcher Producte das Urtheil über ihren Gesammtwerth bildet, so ist es nicht<lb/> zu verwundern, daß auch sie gleichsam nicht für voll gerechnet wurden und daß<lb/> man von einem Friedrich Rückert noch etwas mehr als Recensionen erwartete,<lb/> zumal da man wußte, daß er nicht blos eines, sondern mehre wissenschaftliche<lb/> Themata auch zu äußerlich selbständiger Behandlung in Angriff genommen habe,<lb/> z. B. eine Ausgabe, Uebersetzung und Erklärung des Schah-Rauch, eine zu¬<lb/> sammenfassende Darstellung des semitischen Sprachbaues — dem Stoffe nach<lb/> etwas Aehnliches, wie Ncnans vergleichende Grammatik der semitischen Sprachen<lb/> — eine persische Grammatik, eine arabische und persische Metrik, außerdem auch<lb/> noch eine Reihe kritischer Textesausgaben aus allen Zweigen der orientalischen<lb/> Literaturen, sowie Commentare in selbständiger Bearbeitung, z. B. zu den Pro¬<lb/> pheten des Alten Testamentes und den Psalmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_405" next="#ID_406"> All dies, was Rückert als Gelehrter geleistet hat oder leisten wollte, pflegt<lb/> im Bausch und Bogen in das Spccialgebiet der Orientalia gerechnet zu werden.<lb/> Die Fachgenossen.selbst, mit wenigen Ausnahmen, beurtheilten es von diesem<lb/> an sich berechtigten aber auch ebenso beschränkten Gesichtspunkt und so weit<lb/> unsere allgemeine Bildung überhaupt von wissenschaftlichen Leistungen Notiz zu<lb/> nehmen gewöhnt ist, die nicht zu-dem herkömmlichen Apparat des höheren<lb/> Schulunterrichts in directer Beziehung stehen, galt ihr Rückert eben auch nur<lb/> als ausgezeichneter Orientalist, weil ihn die nächsten Sachverständigen dafür<lb/> hielten. Er selbst hat sich aber ein anderes und viel weiteres Ziel gesteckt und<lb/> es bis zur letzten Stunde seines Lebens rastlos verfolgt. Es war die Sprache<lb/> im weitesten Sinne des Wortes, deren wissenschaftlicher Erkenntniß seine ge¬<lb/> lehrte Thätigkeit gewidmet war, wie diese selbe wissenschaftliche Erkenntniß der<lb/> Sprache ihm die gleichsam naturnothwendige Basis seiner Poesie von Anfang<lb/> an gewesen und bis zuletzt geblieben ist. Daß die sogenannten orientalischen<lb/> Sprachen sich nach außen hin und auch zeitweise in seinem eigenen inneren<lb/> Leven und Schaffen einen bevorzugten Platz errangen, vertrug sich recht wohl<lb/> mit jener Universalität seines Strebens. Denn es war natürlicherweise bedingt<lb/> von Einflüssen, die bis zu einer gewissen Grenze vom Zufall, wenn man es</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0146]
führte ihn so sicher und mühelos, wie es nur den wenigen auserwählten Lieb¬
lingen des Schicksals vergönnt ist. Es wird sich auch wohl selten ein zweites
Beispiel dafür finden, wie sein Nachlaß auf eine selbst die Nächststehenden und
Vertrautesten überraschende Weise darthut.
Würden, wie zu hoffen steht, die sehr zerstreuten gedruckt erschienenen wissen¬
schaftlichen Aufsätze und Abhandlungen Rückerts gesammelt, so würden sie trotz¬
dem eine Anzahl von Bänden füllen. Einige davon sind von so bedeutendem
Umfange, daß sie deshalb recht wohl für selbständige Bücher gelten könnten.
Fast alle aber sind in die bescheidenste und bequemste Form gekleidet, in die
von Recensionen. Da sich unwillkürlich nach dem bekannten Durchschnittswert!)
solcher Producte das Urtheil über ihren Gesammtwerth bildet, so ist es nicht
zu verwundern, daß auch sie gleichsam nicht für voll gerechnet wurden und daß
man von einem Friedrich Rückert noch etwas mehr als Recensionen erwartete,
zumal da man wußte, daß er nicht blos eines, sondern mehre wissenschaftliche
Themata auch zu äußerlich selbständiger Behandlung in Angriff genommen habe,
z. B. eine Ausgabe, Uebersetzung und Erklärung des Schah-Rauch, eine zu¬
sammenfassende Darstellung des semitischen Sprachbaues — dem Stoffe nach
etwas Aehnliches, wie Ncnans vergleichende Grammatik der semitischen Sprachen
— eine persische Grammatik, eine arabische und persische Metrik, außerdem auch
noch eine Reihe kritischer Textesausgaben aus allen Zweigen der orientalischen
Literaturen, sowie Commentare in selbständiger Bearbeitung, z. B. zu den Pro¬
pheten des Alten Testamentes und den Psalmen.
All dies, was Rückert als Gelehrter geleistet hat oder leisten wollte, pflegt
im Bausch und Bogen in das Spccialgebiet der Orientalia gerechnet zu werden.
Die Fachgenossen.selbst, mit wenigen Ausnahmen, beurtheilten es von diesem
an sich berechtigten aber auch ebenso beschränkten Gesichtspunkt und so weit
unsere allgemeine Bildung überhaupt von wissenschaftlichen Leistungen Notiz zu
nehmen gewöhnt ist, die nicht zu-dem herkömmlichen Apparat des höheren
Schulunterrichts in directer Beziehung stehen, galt ihr Rückert eben auch nur
als ausgezeichneter Orientalist, weil ihn die nächsten Sachverständigen dafür
hielten. Er selbst hat sich aber ein anderes und viel weiteres Ziel gesteckt und
es bis zur letzten Stunde seines Lebens rastlos verfolgt. Es war die Sprache
im weitesten Sinne des Wortes, deren wissenschaftlicher Erkenntniß seine ge¬
lehrte Thätigkeit gewidmet war, wie diese selbe wissenschaftliche Erkenntniß der
Sprache ihm die gleichsam naturnothwendige Basis seiner Poesie von Anfang
an gewesen und bis zuletzt geblieben ist. Daß die sogenannten orientalischen
Sprachen sich nach außen hin und auch zeitweise in seinem eigenen inneren
Leven und Schaffen einen bevorzugten Platz errangen, vertrug sich recht wohl
mit jener Universalität seines Strebens. Denn es war natürlicherweise bedingt
von Einflüssen, die bis zu einer gewissen Grenze vom Zufall, wenn man es
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