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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Durckzug nach dem Süden, wo nicht, Kampf bis auf den letzten Mann. Der
Parlamentär wurde zurückgewiesen. Jetzt wurde die Aufstellung der preu¬
ßischen Truppen vor Gotha beendet, das Corps war stark genug, den Feind
zu werfen.

Unterdeß war General Manteuffel von Norden gegen Langensalza heran"
gekommen, die Hannoveraner blieben stehen und capitulirten unter den bekann¬
ten günstigen Bedingungen.

Das war der Verlauf des hannöverschen Zuges; die Opfer, welche man
preußischerseitS bringen mußte, um dies Resultat zu erreichen, wären vermieden
worden, wenn der Anzug und die Aufstellung der preußischen Truppen nicht
durch die zu lange fortgeführten fruchtlosen Verhandlungen und durch die Ver¬
zögerung, welche man dem Eintreffen der Diviston Goben bereitete, gelähmt
worden wäre.

Von Seiten der Hannoveraner war die oberste Führung so, daß ein
schonendes Urtheil unmöglich wird. Ein Heer, welches durch feindliches Gebiet
durchbrechen will, braucht vor allem Schnelligkeit und Energie. Bei den Ver¬
handlungen selbst dieselbe Unsicherheit und ein Fmstenstolz. der lieber unnütz
Blut vergießen, als die Ansprüche auf feierliche Haltung gegenüber dem Feinde
aufgeben will. Daß man von Seiten der Hannoveraner die Verhandlungen
hinzog, abbrach, wieder aufnahm, um Zeit zu gewinnen und den Anzug der
Bayern zu erwarten, ist bei Betrachtung des Sachverhältnisses zweifellos. Ob
der König selbst an dieser Politik der Täuschung Theil hatte, bleibt unsicher,
wenigstens war er. wie berichtet wird, sichtlich überrascht, als ihm zuletzt preu-
ßischerseits der Anmarsch der Bayern mitgetheilt wurde; vielleicht wollte ihn
seine Umgebung "nicht unnöthig" aufregen.

Ueber die Bedingungen der Kapitulation enthalten wir uns jedes Urtheils.
Der König von Hannover und der Kronprinz waren am 28. thatsächlich in
der Gewalt der Preußen, das Land Hannover ist vollständig von den Preußen
besetzt, und doch stimmt der Gesandte von Hannover bei der quasi Bundes¬
versammlung in Frankfurt noch im Auftrage seines Herrn gegen Preußen und
seine Bundesgenossen.

Es scheint uns aber, daß aus diesem Zwischenspiel auch eine militärische
Lehre gefolgert werden darf: man soll sich hüten. die Kriegstüchtigkeit der
kleinern deutschen Heerestheile zu unterschätzen; man soll alles anwenden, um
sich bei Operationen gegen dieselben die Ueberlegenheit zu sichern, und wo man
mit combinirten Truppentheilen zu operiren hat. ist vor allem die sofortige
Ernennung eines Oberbefehlshaber" mit den ausgedehntesten Vollmachten an
Ort und Stelle unentbehrlich und nächst ihm die Entsendung eines höheren
Jntendanturbeamten. der die Verpflegung der combinirten Truppen regelt.




Grenzboten III. 186K.10

Durckzug nach dem Süden, wo nicht, Kampf bis auf den letzten Mann. Der
Parlamentär wurde zurückgewiesen. Jetzt wurde die Aufstellung der preu¬
ßischen Truppen vor Gotha beendet, das Corps war stark genug, den Feind
zu werfen.

Unterdeß war General Manteuffel von Norden gegen Langensalza heran«
gekommen, die Hannoveraner blieben stehen und capitulirten unter den bekann¬
ten günstigen Bedingungen.

Das war der Verlauf des hannöverschen Zuges; die Opfer, welche man
preußischerseitS bringen mußte, um dies Resultat zu erreichen, wären vermieden
worden, wenn der Anzug und die Aufstellung der preußischen Truppen nicht
durch die zu lange fortgeführten fruchtlosen Verhandlungen und durch die Ver¬
zögerung, welche man dem Eintreffen der Diviston Goben bereitete, gelähmt
worden wäre.

Von Seiten der Hannoveraner war die oberste Führung so, daß ein
schonendes Urtheil unmöglich wird. Ein Heer, welches durch feindliches Gebiet
durchbrechen will, braucht vor allem Schnelligkeit und Energie. Bei den Ver¬
handlungen selbst dieselbe Unsicherheit und ein Fmstenstolz. der lieber unnütz
Blut vergießen, als die Ansprüche auf feierliche Haltung gegenüber dem Feinde
aufgeben will. Daß man von Seiten der Hannoveraner die Verhandlungen
hinzog, abbrach, wieder aufnahm, um Zeit zu gewinnen und den Anzug der
Bayern zu erwarten, ist bei Betrachtung des Sachverhältnisses zweifellos. Ob
der König selbst an dieser Politik der Täuschung Theil hatte, bleibt unsicher,
wenigstens war er. wie berichtet wird, sichtlich überrascht, als ihm zuletzt preu-
ßischerseits der Anmarsch der Bayern mitgetheilt wurde; vielleicht wollte ihn
seine Umgebung „nicht unnöthig" aufregen.

Ueber die Bedingungen der Kapitulation enthalten wir uns jedes Urtheils.
Der König von Hannover und der Kronprinz waren am 28. thatsächlich in
der Gewalt der Preußen, das Land Hannover ist vollständig von den Preußen
besetzt, und doch stimmt der Gesandte von Hannover bei der quasi Bundes¬
versammlung in Frankfurt noch im Auftrage seines Herrn gegen Preußen und
seine Bundesgenossen.

Es scheint uns aber, daß aus diesem Zwischenspiel auch eine militärische
Lehre gefolgert werden darf: man soll sich hüten. die Kriegstüchtigkeit der
kleinern deutschen Heerestheile zu unterschätzen; man soll alles anwenden, um
sich bei Operationen gegen dieselben die Ueberlegenheit zu sichern, und wo man
mit combinirten Truppentheilen zu operiren hat. ist vor allem die sofortige
Ernennung eines Oberbefehlshaber» mit den ausgedehntesten Vollmachten an
Ort und Stelle unentbehrlich und nächst ihm die Entsendung eines höheren
Jntendanturbeamten. der die Verpflegung der combinirten Truppen regelt.




Grenzboten III. 186K.10
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[0085] Durckzug nach dem Süden, wo nicht, Kampf bis auf den letzten Mann. Der Parlamentär wurde zurückgewiesen. Jetzt wurde die Aufstellung der preu¬ ßischen Truppen vor Gotha beendet, das Corps war stark genug, den Feind zu werfen. Unterdeß war General Manteuffel von Norden gegen Langensalza heran« gekommen, die Hannoveraner blieben stehen und capitulirten unter den bekann¬ ten günstigen Bedingungen. Das war der Verlauf des hannöverschen Zuges; die Opfer, welche man preußischerseitS bringen mußte, um dies Resultat zu erreichen, wären vermieden worden, wenn der Anzug und die Aufstellung der preußischen Truppen nicht durch die zu lange fortgeführten fruchtlosen Verhandlungen und durch die Ver¬ zögerung, welche man dem Eintreffen der Diviston Goben bereitete, gelähmt worden wäre. Von Seiten der Hannoveraner war die oberste Führung so, daß ein schonendes Urtheil unmöglich wird. Ein Heer, welches durch feindliches Gebiet durchbrechen will, braucht vor allem Schnelligkeit und Energie. Bei den Ver¬ handlungen selbst dieselbe Unsicherheit und ein Fmstenstolz. der lieber unnütz Blut vergießen, als die Ansprüche auf feierliche Haltung gegenüber dem Feinde aufgeben will. Daß man von Seiten der Hannoveraner die Verhandlungen hinzog, abbrach, wieder aufnahm, um Zeit zu gewinnen und den Anzug der Bayern zu erwarten, ist bei Betrachtung des Sachverhältnisses zweifellos. Ob der König selbst an dieser Politik der Täuschung Theil hatte, bleibt unsicher, wenigstens war er. wie berichtet wird, sichtlich überrascht, als ihm zuletzt preu- ßischerseits der Anmarsch der Bayern mitgetheilt wurde; vielleicht wollte ihn seine Umgebung „nicht unnöthig" aufregen. Ueber die Bedingungen der Kapitulation enthalten wir uns jedes Urtheils. Der König von Hannover und der Kronprinz waren am 28. thatsächlich in der Gewalt der Preußen, das Land Hannover ist vollständig von den Preußen besetzt, und doch stimmt der Gesandte von Hannover bei der quasi Bundes¬ versammlung in Frankfurt noch im Auftrage seines Herrn gegen Preußen und seine Bundesgenossen. Es scheint uns aber, daß aus diesem Zwischenspiel auch eine militärische Lehre gefolgert werden darf: man soll sich hüten. die Kriegstüchtigkeit der kleinern deutschen Heerestheile zu unterschätzen; man soll alles anwenden, um sich bei Operationen gegen dieselben die Ueberlegenheit zu sichern, und wo man mit combinirten Truppentheilen zu operiren hat. ist vor allem die sofortige Ernennung eines Oberbefehlshaber» mit den ausgedehntesten Vollmachten an Ort und Stelle unentbehrlich und nächst ihm die Entsendung eines höheren Jntendanturbeamten. der die Verpflegung der combinirten Truppen regelt. Grenzboten III. 186K.10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/85>, abgerufen am 22.07.2024.