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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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fürter Zeitungen daraus ein großes Reitergefecht mit beträchtlichen Verlusten
der Preußen gemacht haben. Hier, wie bei den gesammten Schlachtberichten
über die Operationen der böhmischen Armee, handeln die Gegner nach dem
Princip, welches ein loyaler Zeitungsleser Sachsens ehrlich aussprach, als ihm
nachgewiesen wurde, daß die Blätter seiner Partei unwahre Neuigkeiten meldeten:
"Es thut nichts, isis auch hinterher nicht wahr, ich habe doch 24 Stunden
meine Freude gehabt." Mit solcher Genügsamkeit ist allerdings schwer zu rechnen.

Als am 26. Abends die Verhandlungen abgebrochen waren, wurde dem
gothaischen combinirten Corps (900V Mann unter General Fließ) die orcire as
dataills gegeben, nach Langensalza vorzugehen, während die Diviston Goben
von Eisenach über Lubnitz und Behringer vorrücken und den Angriff unter¬
stützen sollte. Die Annäherung des General Manteuffel vom Norden wurde
erwartet. Am 27. früh Morgens aber kam von Berlin der telegraphische Befehl,
daß das göbensche Corps stehen bleiben und gegen die Bayern, deren Anrücken
vom Süden angenommen wurde, operiren, das gothaische Corps des General
Fließ aber sofort die Hannoveraner angreifen sollte.

Folge dieses Befehls war das schwere und unnöthige Gefecht bei Merx-
leben. 9--10,000 Mann, 16 Geschütze, 2 Escadrons wurden gegen 18,000
Mann, dazu 6 vortreffliche Regimenter Cavalerie und gegen eine Geschützzahl
gesandt, welche aus 28 geschätzt wurde, wie sich aber bei der Kapitulation er¬
wies, 66 Geschütze betrug. Der Verlauf des Gefechtes ist aus den Zeitungen
bekannt. Die Hannoveraner standen in und auf den Höhen hinter Langensalza
in vortrefflicher Stellung. Als die Bataillone der Gothaer und Preußen mit
tadelloser Bravour vorrückten, wurden sie von einem furchtbaren Granatenfeuer
empfangen. Die Hannoveraner hatten offenbar die Distanzen genau abgemessen,
denn ihre Granaten trafen mit einer Genauigkeit, wie auf dem Scheibenstande.
Man hat beobachtet, daß 20 bis 30 Schuß neben und hinter einander auf einem
Terrain von zehn Quadratruthen einschlugen. Vergebens versuchten die preu¬
ßischen Truppen die feste Stellung der Hannoveraner zu nehmen und zu be¬
haupten, sie wurden zurückgeworfen und mußten, nachdem einige Regimenter
sehr gelitten hatten, sich eilig dem feindlichen Feuer entziehen. Sie nahmen
weiter rückwärts eine Stellung und wurden am späten Abend noch weiter auf
Remstedt und Warza zurückgezogen, wo sie neue Stellung einnahmen.

Von dem Heer des Feindes waren 3 Regimenter Cavalerie und 6 Ba¬
taillone Infanterie noch gar nicht im Feuer gewesen, es war ihm sehr wohl
möglich, im Lauf des Nachmittags den Durchbruch zu forciren und über Gotha
zu entkommen; er aber vermuthete stärkere Truppenmassen in Gotha und blieb
unschlüssig stehen.

Erst in der Nacht vom 27. zum 28. Juni rückte das göbensche Corps auf
der Bahn in Gotha ein. Am 28. früh verlangten die Hannoveraner freien


fürter Zeitungen daraus ein großes Reitergefecht mit beträchtlichen Verlusten
der Preußen gemacht haben. Hier, wie bei den gesammten Schlachtberichten
über die Operationen der böhmischen Armee, handeln die Gegner nach dem
Princip, welches ein loyaler Zeitungsleser Sachsens ehrlich aussprach, als ihm
nachgewiesen wurde, daß die Blätter seiner Partei unwahre Neuigkeiten meldeten:
„Es thut nichts, isis auch hinterher nicht wahr, ich habe doch 24 Stunden
meine Freude gehabt." Mit solcher Genügsamkeit ist allerdings schwer zu rechnen.

Als am 26. Abends die Verhandlungen abgebrochen waren, wurde dem
gothaischen combinirten Corps (900V Mann unter General Fließ) die orcire as
dataills gegeben, nach Langensalza vorzugehen, während die Diviston Goben
von Eisenach über Lubnitz und Behringer vorrücken und den Angriff unter¬
stützen sollte. Die Annäherung des General Manteuffel vom Norden wurde
erwartet. Am 27. früh Morgens aber kam von Berlin der telegraphische Befehl,
daß das göbensche Corps stehen bleiben und gegen die Bayern, deren Anrücken
vom Süden angenommen wurde, operiren, das gothaische Corps des General
Fließ aber sofort die Hannoveraner angreifen sollte.

Folge dieses Befehls war das schwere und unnöthige Gefecht bei Merx-
leben. 9—10,000 Mann, 16 Geschütze, 2 Escadrons wurden gegen 18,000
Mann, dazu 6 vortreffliche Regimenter Cavalerie und gegen eine Geschützzahl
gesandt, welche aus 28 geschätzt wurde, wie sich aber bei der Kapitulation er¬
wies, 66 Geschütze betrug. Der Verlauf des Gefechtes ist aus den Zeitungen
bekannt. Die Hannoveraner standen in und auf den Höhen hinter Langensalza
in vortrefflicher Stellung. Als die Bataillone der Gothaer und Preußen mit
tadelloser Bravour vorrückten, wurden sie von einem furchtbaren Granatenfeuer
empfangen. Die Hannoveraner hatten offenbar die Distanzen genau abgemessen,
denn ihre Granaten trafen mit einer Genauigkeit, wie auf dem Scheibenstande.
Man hat beobachtet, daß 20 bis 30 Schuß neben und hinter einander auf einem
Terrain von zehn Quadratruthen einschlugen. Vergebens versuchten die preu¬
ßischen Truppen die feste Stellung der Hannoveraner zu nehmen und zu be¬
haupten, sie wurden zurückgeworfen und mußten, nachdem einige Regimenter
sehr gelitten hatten, sich eilig dem feindlichen Feuer entziehen. Sie nahmen
weiter rückwärts eine Stellung und wurden am späten Abend noch weiter auf
Remstedt und Warza zurückgezogen, wo sie neue Stellung einnahmen.

Von dem Heer des Feindes waren 3 Regimenter Cavalerie und 6 Ba¬
taillone Infanterie noch gar nicht im Feuer gewesen, es war ihm sehr wohl
möglich, im Lauf des Nachmittags den Durchbruch zu forciren und über Gotha
zu entkommen; er aber vermuthete stärkere Truppenmassen in Gotha und blieb
unschlüssig stehen.

Erst in der Nacht vom 27. zum 28. Juni rückte das göbensche Corps auf
der Bahn in Gotha ein. Am 28. früh verlangten die Hannoveraner freien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/84>, abgerufen am 22.07.2024.