Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Bürgschaft liegt. Dies scheint mir der Kern der frankfurter Stimmung
zu sein, den man auch weder durch radicale oder republikanische Phrasen, noch
durch AufPflanzung des ehrwürdigen schwarz, roth-goldenen Banners maskiren
kann. Man ist wohl für ein deutsches Parlament, aber nur unter zwei Be-
dingungen, nämlich erstens, daß es nach Frankfurt kommt, und zweitens, daß
es die Souveränetät und die Verfassung der freien Stadt nicht alterirt. Man
hat zwar die Reichsarmee sehnlichst herbeigerufen, aber nun, wo sie da ist,
wehrt man sich nach Kräften, daß sie nicht in den Häusern der Bürger ein¬
quartiert werde; und obgleich man vor Kriegsmuth überschauend, kommt man
nicht selbst, sondern schickt ein Bataillon Soldknechte zur Reichsarmee.

Kehren wir nun von diesem Abstecher nach Mainz und Frankfurt und von
dem Excurs über die centrifugalen und antistaatlichen Tendenzen, welche in
einigen süddeutschen Köpfen herrschen, zurück zu den Zuständen und Stimmungen
in Nassau. Die Bevölkerung von Nassau, das mit drei Viertel seiner Grenzen
an Preußen stößt, wünscht den Frieden und kann immer noch nicht an den
Krieg glauben, obgleich wir auch hier fast schon mitten darin stehen. Für so-
fortige Heeresfolge zu Gunsten Oestreichs sind nur einzelne von Frankfurt und
Mainz aus angesteckte Köpfe und einzelne kleine Landstriche, in welchen der
katholische Klerus dominirt. In Wiesbaden hat man aus Anlaß der frank¬
furter Circusversammlung zwar einen sogenannten "Volksverein" gegründet;
allein der Faiseur ist ein Hamburger Rentier und die Mitglieder gehören dem
Turm- und dem Arbeiterbildungsverein an, an deren Spitze jener Hamburger
steht, und erfreuen sich meistens noch eines sehr jugendlichen Alters. Die
Bürgerschaft der Stadt hat sich an dem Unternehmen nicht betheiligt. Dagegen
verdient constatirt zu werden -- und ich bin bereit, dafür die Beweise zu
liefern --. daß Mitglieder der bewaffneten Macht, namentlich des Polizeicorps,
welche doch dafür bezahlt werden, für die Sicherheit der Person und des Eigen¬
thums einzustehn, sich das Privatvergnügen machen, zu Angriffen gegen die
Person und das Eigenthum liberaler Abgeordneter aufzuhetzen. Freilich ohne
Erfolg. Denn wir haben sonst keinen Pöbel hier.

Obgleich die nassauischcn Truppen infolge des bamberger Ueberein-
kommens, das auch hier zu Lande sich in das strengste Geheimniß hüllt, und
auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Juni sich in vollster Kriegsbereit¬
schaft befinden -- sie stehen zwischen Wiesbaden und Frankfurt und bilden
einen Bestandtheil des achten Bundesarmeecorps, welches von dem Prinzen
Alexander von Hessen commandirt wird und im Augenblicke von Frankfurt
durch die Weiterem in der Richtung nach Gießen und Marburg vorrückt, um
die Preußen anzugreifen, anfänglich wohl um die Hannoveraner zu befreien --,
scheinen doch selbst die-beiderseitigen Regierungen, die nassauische wie die preu¬
ßische, der süßen Gewohnheit des friedlichen Daseins und Wirkens noch


Grenzboten Hi- 1866. 7

eine Bürgschaft liegt. Dies scheint mir der Kern der frankfurter Stimmung
zu sein, den man auch weder durch radicale oder republikanische Phrasen, noch
durch AufPflanzung des ehrwürdigen schwarz, roth-goldenen Banners maskiren
kann. Man ist wohl für ein deutsches Parlament, aber nur unter zwei Be-
dingungen, nämlich erstens, daß es nach Frankfurt kommt, und zweitens, daß
es die Souveränetät und die Verfassung der freien Stadt nicht alterirt. Man
hat zwar die Reichsarmee sehnlichst herbeigerufen, aber nun, wo sie da ist,
wehrt man sich nach Kräften, daß sie nicht in den Häusern der Bürger ein¬
quartiert werde; und obgleich man vor Kriegsmuth überschauend, kommt man
nicht selbst, sondern schickt ein Bataillon Soldknechte zur Reichsarmee.

Kehren wir nun von diesem Abstecher nach Mainz und Frankfurt und von
dem Excurs über die centrifugalen und antistaatlichen Tendenzen, welche in
einigen süddeutschen Köpfen herrschen, zurück zu den Zuständen und Stimmungen
in Nassau. Die Bevölkerung von Nassau, das mit drei Viertel seiner Grenzen
an Preußen stößt, wünscht den Frieden und kann immer noch nicht an den
Krieg glauben, obgleich wir auch hier fast schon mitten darin stehen. Für so-
fortige Heeresfolge zu Gunsten Oestreichs sind nur einzelne von Frankfurt und
Mainz aus angesteckte Köpfe und einzelne kleine Landstriche, in welchen der
katholische Klerus dominirt. In Wiesbaden hat man aus Anlaß der frank¬
furter Circusversammlung zwar einen sogenannten „Volksverein" gegründet;
allein der Faiseur ist ein Hamburger Rentier und die Mitglieder gehören dem
Turm- und dem Arbeiterbildungsverein an, an deren Spitze jener Hamburger
steht, und erfreuen sich meistens noch eines sehr jugendlichen Alters. Die
Bürgerschaft der Stadt hat sich an dem Unternehmen nicht betheiligt. Dagegen
verdient constatirt zu werden — und ich bin bereit, dafür die Beweise zu
liefern —. daß Mitglieder der bewaffneten Macht, namentlich des Polizeicorps,
welche doch dafür bezahlt werden, für die Sicherheit der Person und des Eigen¬
thums einzustehn, sich das Privatvergnügen machen, zu Angriffen gegen die
Person und das Eigenthum liberaler Abgeordneter aufzuhetzen. Freilich ohne
Erfolg. Denn wir haben sonst keinen Pöbel hier.

Obgleich die nassauischcn Truppen infolge des bamberger Ueberein-
kommens, das auch hier zu Lande sich in das strengste Geheimniß hüllt, und
auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Juni sich in vollster Kriegsbereit¬
schaft befinden — sie stehen zwischen Wiesbaden und Frankfurt und bilden
einen Bestandtheil des achten Bundesarmeecorps, welches von dem Prinzen
Alexander von Hessen commandirt wird und im Augenblicke von Frankfurt
durch die Weiterem in der Richtung nach Gießen und Marburg vorrückt, um
die Preußen anzugreifen, anfänglich wohl um die Hannoveraner zu befreien —,
scheinen doch selbst die-beiderseitigen Regierungen, die nassauische wie die preu¬
ßische, der süßen Gewohnheit des friedlichen Daseins und Wirkens noch


Grenzboten Hi- 1866. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285649"/>
          <p xml:id="ID_156" prev="#ID_155"> eine Bürgschaft liegt. Dies scheint mir der Kern der frankfurter Stimmung<lb/>
zu sein, den man auch weder durch radicale oder republikanische Phrasen, noch<lb/>
durch AufPflanzung des ehrwürdigen schwarz, roth-goldenen Banners maskiren<lb/>
kann. Man ist wohl für ein deutsches Parlament, aber nur unter zwei Be-<lb/>
dingungen, nämlich erstens, daß es nach Frankfurt kommt, und zweitens, daß<lb/>
es die Souveränetät und die Verfassung der freien Stadt nicht alterirt. Man<lb/>
hat zwar die Reichsarmee sehnlichst herbeigerufen, aber nun, wo sie da ist,<lb/>
wehrt man sich nach Kräften, daß sie nicht in den Häusern der Bürger ein¬<lb/>
quartiert werde; und obgleich man vor Kriegsmuth überschauend, kommt man<lb/>
nicht selbst, sondern schickt ein Bataillon Soldknechte zur Reichsarmee.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_157"> Kehren wir nun von diesem Abstecher nach Mainz und Frankfurt und von<lb/>
dem Excurs über die centrifugalen und antistaatlichen Tendenzen, welche in<lb/>
einigen süddeutschen Köpfen herrschen, zurück zu den Zuständen und Stimmungen<lb/>
in Nassau. Die Bevölkerung von Nassau, das mit drei Viertel seiner Grenzen<lb/>
an Preußen stößt, wünscht den Frieden und kann immer noch nicht an den<lb/>
Krieg glauben, obgleich wir auch hier fast schon mitten darin stehen. Für so-<lb/>
fortige Heeresfolge zu Gunsten Oestreichs sind nur einzelne von Frankfurt und<lb/>
Mainz aus angesteckte Köpfe und einzelne kleine Landstriche, in welchen der<lb/>
katholische Klerus dominirt. In Wiesbaden hat man aus Anlaß der frank¬<lb/>
furter Circusversammlung zwar einen sogenannten &#x201E;Volksverein" gegründet;<lb/>
allein der Faiseur ist ein Hamburger Rentier und die Mitglieder gehören dem<lb/>
Turm- und dem Arbeiterbildungsverein an, an deren Spitze jener Hamburger<lb/>
steht, und erfreuen sich meistens noch eines sehr jugendlichen Alters. Die<lb/>
Bürgerschaft der Stadt hat sich an dem Unternehmen nicht betheiligt. Dagegen<lb/>
verdient constatirt zu werden &#x2014; und ich bin bereit, dafür die Beweise zu<lb/>
liefern &#x2014;. daß Mitglieder der bewaffneten Macht, namentlich des Polizeicorps,<lb/>
welche doch dafür bezahlt werden, für die Sicherheit der Person und des Eigen¬<lb/>
thums einzustehn, sich das Privatvergnügen machen, zu Angriffen gegen die<lb/>
Person und das Eigenthum liberaler Abgeordneter aufzuhetzen. Freilich ohne<lb/>
Erfolg. Denn wir haben sonst keinen Pöbel hier.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_158" next="#ID_159"> Obgleich die nassauischcn Truppen infolge des bamberger Ueberein-<lb/>
kommens, das auch hier zu Lande sich in das strengste Geheimniß hüllt, und<lb/>
auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Juni sich in vollster Kriegsbereit¬<lb/>
schaft befinden &#x2014; sie stehen zwischen Wiesbaden und Frankfurt und bilden<lb/>
einen Bestandtheil des achten Bundesarmeecorps, welches von dem Prinzen<lb/>
Alexander von Hessen commandirt wird und im Augenblicke von Frankfurt<lb/>
durch die Weiterem in der Richtung nach Gießen und Marburg vorrückt, um<lb/>
die Preußen anzugreifen, anfänglich wohl um die Hannoveraner zu befreien &#x2014;,<lb/>
scheinen doch selbst die-beiderseitigen Regierungen, die nassauische wie die preu¬<lb/>
ßische, der süßen Gewohnheit des friedlichen Daseins und Wirkens noch</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> Grenzboten Hi- 1866. 7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0061] eine Bürgschaft liegt. Dies scheint mir der Kern der frankfurter Stimmung zu sein, den man auch weder durch radicale oder republikanische Phrasen, noch durch AufPflanzung des ehrwürdigen schwarz, roth-goldenen Banners maskiren kann. Man ist wohl für ein deutsches Parlament, aber nur unter zwei Be- dingungen, nämlich erstens, daß es nach Frankfurt kommt, und zweitens, daß es die Souveränetät und die Verfassung der freien Stadt nicht alterirt. Man hat zwar die Reichsarmee sehnlichst herbeigerufen, aber nun, wo sie da ist, wehrt man sich nach Kräften, daß sie nicht in den Häusern der Bürger ein¬ quartiert werde; und obgleich man vor Kriegsmuth überschauend, kommt man nicht selbst, sondern schickt ein Bataillon Soldknechte zur Reichsarmee. Kehren wir nun von diesem Abstecher nach Mainz und Frankfurt und von dem Excurs über die centrifugalen und antistaatlichen Tendenzen, welche in einigen süddeutschen Köpfen herrschen, zurück zu den Zuständen und Stimmungen in Nassau. Die Bevölkerung von Nassau, das mit drei Viertel seiner Grenzen an Preußen stößt, wünscht den Frieden und kann immer noch nicht an den Krieg glauben, obgleich wir auch hier fast schon mitten darin stehen. Für so- fortige Heeresfolge zu Gunsten Oestreichs sind nur einzelne von Frankfurt und Mainz aus angesteckte Köpfe und einzelne kleine Landstriche, in welchen der katholische Klerus dominirt. In Wiesbaden hat man aus Anlaß der frank¬ furter Circusversammlung zwar einen sogenannten „Volksverein" gegründet; allein der Faiseur ist ein Hamburger Rentier und die Mitglieder gehören dem Turm- und dem Arbeiterbildungsverein an, an deren Spitze jener Hamburger steht, und erfreuen sich meistens noch eines sehr jugendlichen Alters. Die Bürgerschaft der Stadt hat sich an dem Unternehmen nicht betheiligt. Dagegen verdient constatirt zu werden — und ich bin bereit, dafür die Beweise zu liefern —. daß Mitglieder der bewaffneten Macht, namentlich des Polizeicorps, welche doch dafür bezahlt werden, für die Sicherheit der Person und des Eigen¬ thums einzustehn, sich das Privatvergnügen machen, zu Angriffen gegen die Person und das Eigenthum liberaler Abgeordneter aufzuhetzen. Freilich ohne Erfolg. Denn wir haben sonst keinen Pöbel hier. Obgleich die nassauischcn Truppen infolge des bamberger Ueberein- kommens, das auch hier zu Lande sich in das strengste Geheimniß hüllt, und auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Juni sich in vollster Kriegsbereit¬ schaft befinden — sie stehen zwischen Wiesbaden und Frankfurt und bilden einen Bestandtheil des achten Bundesarmeecorps, welches von dem Prinzen Alexander von Hessen commandirt wird und im Augenblicke von Frankfurt durch die Weiterem in der Richtung nach Gießen und Marburg vorrückt, um die Preußen anzugreifen, anfänglich wohl um die Hannoveraner zu befreien —, scheinen doch selbst die-beiderseitigen Regierungen, die nassauische wie die preu¬ ßische, der süßen Gewohnheit des friedlichen Daseins und Wirkens noch Grenzboten Hi- 1866. 7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/61
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/61>, abgerufen am 22.07.2024.