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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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zurückziehen. In der That eine sehr glückliche Idee; denn diese Stadt, in
welcher der Biscdof mit gutem finanziellem Erfolg Bier brant und der feudale
Pvstfürst das Transportgewcrbe als Monopol in der lucrativsten Weise aus¬
deutet, hat ihre mittelalterlichen Neminisceruen- mit Zähigkeit festgehalten. Da
stehen noch die festen mittelalterlichen Thürme "n und in den Häusern, nament¬
lich auch an jenem Gasthause "zum Kreuz", wo Karl der Fünfte wohnte und
mit der Wirthin Töchterlein seinen Heldensohn Don Juan d'Austria zeugte. Im
Rathhaus finden sich noch die Säle des Ncichsraths und des Neichsfnrsten-
collegs, mit abgeblaßten Gobelins und runden scharfkantig geschliffenen Fenster-
scheibchen, durch die man nichts sehen kann, -- im Uebngcn aber ist alles wüst
und leer; und auch in der engen und dumpfen "Gcsandtenstraße" müßte es
dem Bundestag so wohlig sein, wie dem Fischlein auf dem Grunde. Platz ist
wenigstens überall genug!

Doch zurück zu Seiner Majestät des Bundestags glorreicher Armee! Ge¬
theilte Interessen, weil ein jedes mehr an sich, an die eigene Krone und die
eigenen Kinder. Kassen, Keller u. s. w. denkt, als an das Ganze, gruppirt um
einen schwachen Mittelpunkt, welcher seine besten Kräfte nothwendig vergeuden
muß im Kampfe mit den ccntnfugalen Kräften, die in divergirenden Richtungen
stets nach der Peripherie zerren; beständiges Uebergreifen der Einflüsse der be¬
nachbarten Kleinstaatsheimath in die Sphäre des Commandanten, welcher ent¬
weder nicht die Macht oder auch nicht den Willen, hat, das abzuschneiden; kein
Vertrauen auf die Einheit und Einsicht der Führung und auf die Technik der
mannigfaltigen Waffen; Verschiedenheit in allem, in dem Kaliber, in der Uni¬
form, im Exercitium, im Kommando, (-- die Kurhessen, meist schöne, große,
schlanke Männer mit blondem Haar und blauen Augen, echte Chadem, sehen
accurat aus wie Preußen; im Vergleich zu ihnen sind die Süddeutschen, na¬
mentlich die würtemberger Infanterie, sehr klein, aber untersetzt und stämmig;
unter den letzteren scheinen viele noch nicht vollständig einexercirte Recruten zu
sein; etwa achthundert Mann davon haben erst in Frankfurt auf der Pfingst-
weide den Fahneneid geleistet, woraus zu, ersehen, daß man mit dem Bundes¬
beschluß vom 14. Juni blos zu schrecken gedachte, ohne zu dessen sofortigen
Vollzug im Stande zu sein --); dazu kommt, daß Offiziere und Mannschaft
der kleineren Staaten nur an den Regiments- und Brigadeverband gewöhnt,
nicht sonderlich fähig sind, sich in einen großen Truppenköiper hineinzudenken
und darin zugleich regelrecht und doch frisch und frei zu leben und zu weben;
sie können nur schwer sich damit assimiliren, denn in ihrem Kopfe herrscht die,
enge heimische Weltanschauung vor; man wird sich ihre Lage denken können
wenn man ein Rudel Fische aus der Saale in den Bodensee versetzt; sie werden
sich nur schwer orientiren können, und wenn sie zu Hause noch so viel gelernt
haben. Zum Schluß denn noch jener unglückselige Hang der kleinen deutschen


zurückziehen. In der That eine sehr glückliche Idee; denn diese Stadt, in
welcher der Biscdof mit gutem finanziellem Erfolg Bier brant und der feudale
Pvstfürst das Transportgewcrbe als Monopol in der lucrativsten Weise aus¬
deutet, hat ihre mittelalterlichen Neminisceruen- mit Zähigkeit festgehalten. Da
stehen noch die festen mittelalterlichen Thürme «n und in den Häusern, nament¬
lich auch an jenem Gasthause „zum Kreuz", wo Karl der Fünfte wohnte und
mit der Wirthin Töchterlein seinen Heldensohn Don Juan d'Austria zeugte. Im
Rathhaus finden sich noch die Säle des Ncichsraths und des Neichsfnrsten-
collegs, mit abgeblaßten Gobelins und runden scharfkantig geschliffenen Fenster-
scheibchen, durch die man nichts sehen kann, — im Uebngcn aber ist alles wüst
und leer; und auch in der engen und dumpfen „Gcsandtenstraße" müßte es
dem Bundestag so wohlig sein, wie dem Fischlein auf dem Grunde. Platz ist
wenigstens überall genug!

Doch zurück zu Seiner Majestät des Bundestags glorreicher Armee! Ge¬
theilte Interessen, weil ein jedes mehr an sich, an die eigene Krone und die
eigenen Kinder. Kassen, Keller u. s. w. denkt, als an das Ganze, gruppirt um
einen schwachen Mittelpunkt, welcher seine besten Kräfte nothwendig vergeuden
muß im Kampfe mit den ccntnfugalen Kräften, die in divergirenden Richtungen
stets nach der Peripherie zerren; beständiges Uebergreifen der Einflüsse der be¬
nachbarten Kleinstaatsheimath in die Sphäre des Commandanten, welcher ent¬
weder nicht die Macht oder auch nicht den Willen, hat, das abzuschneiden; kein
Vertrauen auf die Einheit und Einsicht der Führung und auf die Technik der
mannigfaltigen Waffen; Verschiedenheit in allem, in dem Kaliber, in der Uni¬
form, im Exercitium, im Kommando, (— die Kurhessen, meist schöne, große,
schlanke Männer mit blondem Haar und blauen Augen, echte Chadem, sehen
accurat aus wie Preußen; im Vergleich zu ihnen sind die Süddeutschen, na¬
mentlich die würtemberger Infanterie, sehr klein, aber untersetzt und stämmig;
unter den letzteren scheinen viele noch nicht vollständig einexercirte Recruten zu
sein; etwa achthundert Mann davon haben erst in Frankfurt auf der Pfingst-
weide den Fahneneid geleistet, woraus zu, ersehen, daß man mit dem Bundes¬
beschluß vom 14. Juni blos zu schrecken gedachte, ohne zu dessen sofortigen
Vollzug im Stande zu sein —); dazu kommt, daß Offiziere und Mannschaft
der kleineren Staaten nur an den Regiments- und Brigadeverband gewöhnt,
nicht sonderlich fähig sind, sich in einen großen Truppenköiper hineinzudenken
und darin zugleich regelrecht und doch frisch und frei zu leben und zu weben;
sie können nur schwer sich damit assimiliren, denn in ihrem Kopfe herrscht die,
enge heimische Weltanschauung vor; man wird sich ihre Lage denken können
wenn man ein Rudel Fische aus der Saale in den Bodensee versetzt; sie werden
sich nur schwer orientiren können, und wenn sie zu Hause noch so viel gelernt
haben. Zum Schluß denn noch jener unglückselige Hang der kleinen deutschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/535>, abgerufen am 22.07.2024.