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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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dächtig zu werden, begeifern die bayerische Armee (das siebente Bundesarmee-
corps) wegen ihrer Unthätigkeit. Wir wissen nicht, worin letztere ihren Grund
hat. Schwerlich in "Verrath". Ganz gewiß nicht darin, daß, wie ultramon¬
tane Blättlein hämisch insinuiren. der Freiherr v, d. Pfordten in München mit
dem tapfern, aber unglücklichen Benedck das Schicksal und das Verbrechen theilt.
Protestantischer' Confession zu sein. Die officielle bayerische Zeitung antwortet
auf jene Beschuldigungen mit Gegenbeschuldigungen. Sie sagt, die bayerische
Armee sei nur deshalb zur Unthätigkeit, zu ihrem eigenen größten Verdrusse,
verurtheilt, weil sich die Triasarmce (die Bundestagsannee) oder das achte
Bundesarmeecorps, eum Mrtidus annexis, im Zustande vollkommenster Kriegs-
u n bereitschaft befinde. Wer nur ein wenig zum Pessimismus inclinirt. möchte
bereit sein, nicht nur der Beschuldigung, sondern auch der Gegenbeschuldigung
halbwegs Glauben zu schenken, namentlich nach dem, was man in Wiesbaden,
Darmstadt. Mainz und Frankfurt hört und sieht.

An allen diesen Orten sieht es sehr kriegerisch, aber noch viel mehr un¬
ordentlich aus. Sie starren von Waffen, aber es fehlt das gemeinsame Band.
Viel Leute, aber wenig Menschen, viele Soldaten, aber keine Armee. Es
fehlt eben jener wesentliche Umstand, daß kein Wachtmeister da ist, der wie jener
in "Wallensteins Lager" mit Recht und in Wahrheit sagen kann:


"Nun, und wer merkt uns das wohl an,
Daß wir aus Süden und aus Norden
Zuscunmengeschncit und geblasen worden?
Sehn wir nicht aus, wie aus Einem Span?
Stehn wir nicht gegen den Feind geschlossen,
Recht wie zusammengeleimt und gegossen?
Greifen wir nicht, wie ein Mühlwerk flink,
Ineinander auf Wort und Wink?"

Diese Worte Schillers mögen immerhin noch auf die tapfere östreichische
Armee passen, die sich vieles von dem kosmopolitisch-demokratischen Lanzknechts-
charakter der Wallensteiner bewahrt hat. Auf die Bundestagsarmee passen sie
gar nicht; -- und leider ist das nur zu erklärlich. Der alte Napolon wußte
die Kontingente der Rheinbundstaaten mit seiner großen Armee zu einem ein-
heitlichen untheilbaren kantischen Körper zusammenzuschweißen. Er entfernte sie
weit aus ihrer Heimath, schleppte sie nach Spanien und nach Nußland und
schnitt die Verbindung zwischen ihnen und ihrem einheimischen "obersten Kriegs¬
herrn" ab, dessen Protector und militärischer Vorgesetzter er ja ohnedies war.
Der große Svldatcnkaiser ernannte und beförderte die Offiziere dieser Kontin¬
gente auf dem Schlachtfeld. Dem "souveränen" Rheinbundsfürsten lag es
dann ob, diese kaiserlichen Verfügungen durch die Militärkanzlei zu Hause fein
säuberlich in die landesübliche Patentform gießen und registriren zu lassen.


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dächtig zu werden, begeifern die bayerische Armee (das siebente Bundesarmee-
corps) wegen ihrer Unthätigkeit. Wir wissen nicht, worin letztere ihren Grund
hat. Schwerlich in „Verrath". Ganz gewiß nicht darin, daß, wie ultramon¬
tane Blättlein hämisch insinuiren. der Freiherr v, d. Pfordten in München mit
dem tapfern, aber unglücklichen Benedck das Schicksal und das Verbrechen theilt.
Protestantischer' Confession zu sein. Die officielle bayerische Zeitung antwortet
auf jene Beschuldigungen mit Gegenbeschuldigungen. Sie sagt, die bayerische
Armee sei nur deshalb zur Unthätigkeit, zu ihrem eigenen größten Verdrusse,
verurtheilt, weil sich die Triasarmce (die Bundestagsannee) oder das achte
Bundesarmeecorps, eum Mrtidus annexis, im Zustande vollkommenster Kriegs-
u n bereitschaft befinde. Wer nur ein wenig zum Pessimismus inclinirt. möchte
bereit sein, nicht nur der Beschuldigung, sondern auch der Gegenbeschuldigung
halbwegs Glauben zu schenken, namentlich nach dem, was man in Wiesbaden,
Darmstadt. Mainz und Frankfurt hört und sieht.

An allen diesen Orten sieht es sehr kriegerisch, aber noch viel mehr un¬
ordentlich aus. Sie starren von Waffen, aber es fehlt das gemeinsame Band.
Viel Leute, aber wenig Menschen, viele Soldaten, aber keine Armee. Es
fehlt eben jener wesentliche Umstand, daß kein Wachtmeister da ist, der wie jener
in „Wallensteins Lager" mit Recht und in Wahrheit sagen kann:


„Nun, und wer merkt uns das wohl an,
Daß wir aus Süden und aus Norden
Zuscunmengeschncit und geblasen worden?
Sehn wir nicht aus, wie aus Einem Span?
Stehn wir nicht gegen den Feind geschlossen,
Recht wie zusammengeleimt und gegossen?
Greifen wir nicht, wie ein Mühlwerk flink,
Ineinander auf Wort und Wink?"

Diese Worte Schillers mögen immerhin noch auf die tapfere östreichische
Armee passen, die sich vieles von dem kosmopolitisch-demokratischen Lanzknechts-
charakter der Wallensteiner bewahrt hat. Auf die Bundestagsarmee passen sie
gar nicht; — und leider ist das nur zu erklärlich. Der alte Napolon wußte
die Kontingente der Rheinbundstaaten mit seiner großen Armee zu einem ein-
heitlichen untheilbaren kantischen Körper zusammenzuschweißen. Er entfernte sie
weit aus ihrer Heimath, schleppte sie nach Spanien und nach Nußland und
schnitt die Verbindung zwischen ihnen und ihrem einheimischen „obersten Kriegs¬
herrn" ab, dessen Protector und militärischer Vorgesetzter er ja ohnedies war.
Der große Svldatcnkaiser ernannte und beförderte die Offiziere dieser Kontin¬
gente auf dem Schlachtfeld. Dem „souveränen" Rheinbundsfürsten lag es
dann ob, diese kaiserlichen Verfügungen durch die Militärkanzlei zu Hause fein
säuberlich in die landesübliche Patentform gießen und registriren zu lassen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/533>, abgerufen am 22.07.2024.