Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Kriegsbries aus Nassau.

Sie wünschen von mir Nachrichten zu erhalten "über die Zustände und
Stimmungen, wie sie sich aus Anlaß des Kriegs hier zu Lande gestalten".
Lassen Sie mich beginnen mit dem Geständniß, daß ich zu der Zahl der Fried¬
fertigen gehöre, diesem Kriege und jedem Kriege gegenüber; daß ich den Krieg
stets für ein Unglück halte, wenn auch zuweilen für ein nothwendiges Unglück,
wenn auch nicht immer für das größte Unglück; daß ich endlich von der Strategie,
der Taktik und Technik des Kriegs nichts verstehe und daß, da ich mir nicht
die Fähigkeit zutraue, die in der Jugend versäumte Gelegenheit, solche Kennt¬
nisse zu sammeln, im Alter nachzuholen, ich nicht im Stande bin, Geheimnisse
des Kriegs zu verrathen, -- aus dem einfachen Grunde, weil ich deren nicht
weiß. Wenn Sie, ungeachtet dieses Geständnisses, das geboten erscheint durch
das beiderseitige Interesse und die Pflicht der Aufrichtigkeit, meine Mittheilungen
noch brauchen können, nun gut, dann will ich fortfahren. Dem Bericht über
die Stimmung schicke ich einige Bemerkungen über die äußere Conjunctur
voraus.

Nassau gehört zum neunten Bundesarmeecorps, zusammen mit Sachsen,
Kurhessen, Luxemburg und Limburg. Da es aber von diesen seinen Kriegs¬
kameraden räumlich getrennt ist, so hat es infolge des Bündesbeschlusses vom
14. Juni seine Truppen, die es schon vier Wochen vorher mobil gemacht hatte,
zu dem achten Bundesarmeecorps stoßen lassen, welches sich in Frankfurt und
Umgegend den Main entlang sammelt. Zu diesem achten Bundesarmeecorps
gehören bundesvcrfassungsmäßig Würtemberg, Baden, Hessen-Darmstadt. Außer¬
dem stößt noch dazu die nassauische Brigade und eine östreichische Brigade,
welche früher zur Besatzung von Mainz, Rastadt und Frankfurt gehörte und so
viel ich weiß ausschließlich aus Italienern besteht. Endlich erwartet man als
weiteren Bestandtheil dieses Corps die Kurhessen, von welchen man als gewiß
annimmt, daß sie sich an den Preußen vorbeigeschlichen haben, und die Han.
uoveraner, von welchen man es immer noch vermuthet und hofft. Dieses Corps,


Grenzboten III. 18l>6. 6
Ein Kriegsbries aus Nassau.

Sie wünschen von mir Nachrichten zu erhalten „über die Zustände und
Stimmungen, wie sie sich aus Anlaß des Kriegs hier zu Lande gestalten".
Lassen Sie mich beginnen mit dem Geständniß, daß ich zu der Zahl der Fried¬
fertigen gehöre, diesem Kriege und jedem Kriege gegenüber; daß ich den Krieg
stets für ein Unglück halte, wenn auch zuweilen für ein nothwendiges Unglück,
wenn auch nicht immer für das größte Unglück; daß ich endlich von der Strategie,
der Taktik und Technik des Kriegs nichts verstehe und daß, da ich mir nicht
die Fähigkeit zutraue, die in der Jugend versäumte Gelegenheit, solche Kennt¬
nisse zu sammeln, im Alter nachzuholen, ich nicht im Stande bin, Geheimnisse
des Kriegs zu verrathen, — aus dem einfachen Grunde, weil ich deren nicht
weiß. Wenn Sie, ungeachtet dieses Geständnisses, das geboten erscheint durch
das beiderseitige Interesse und die Pflicht der Aufrichtigkeit, meine Mittheilungen
noch brauchen können, nun gut, dann will ich fortfahren. Dem Bericht über
die Stimmung schicke ich einige Bemerkungen über die äußere Conjunctur
voraus.

Nassau gehört zum neunten Bundesarmeecorps, zusammen mit Sachsen,
Kurhessen, Luxemburg und Limburg. Da es aber von diesen seinen Kriegs¬
kameraden räumlich getrennt ist, so hat es infolge des Bündesbeschlusses vom
14. Juni seine Truppen, die es schon vier Wochen vorher mobil gemacht hatte,
zu dem achten Bundesarmeecorps stoßen lassen, welches sich in Frankfurt und
Umgegend den Main entlang sammelt. Zu diesem achten Bundesarmeecorps
gehören bundesvcrfassungsmäßig Würtemberg, Baden, Hessen-Darmstadt. Außer¬
dem stößt noch dazu die nassauische Brigade und eine östreichische Brigade,
welche früher zur Besatzung von Mainz, Rastadt und Frankfurt gehörte und so
viel ich weiß ausschließlich aus Italienern besteht. Endlich erwartet man als
weiteren Bestandtheil dieses Corps die Kurhessen, von welchen man als gewiß
annimmt, daß sie sich an den Preußen vorbeigeschlichen haben, und die Han.
uoveraner, von welchen man es immer noch vermuthet und hofft. Dieses Corps,


Grenzboten III. 18l>6. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285641"/>
        <div n="1">
          <head> Ein Kriegsbries aus Nassau.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_138"> Sie wünschen von mir Nachrichten zu erhalten &#x201E;über die Zustände und<lb/>
Stimmungen, wie sie sich aus Anlaß des Kriegs hier zu Lande gestalten".<lb/>
Lassen Sie mich beginnen mit dem Geständniß, daß ich zu der Zahl der Fried¬<lb/>
fertigen gehöre, diesem Kriege und jedem Kriege gegenüber; daß ich den Krieg<lb/>
stets für ein Unglück halte, wenn auch zuweilen für ein nothwendiges Unglück,<lb/>
wenn auch nicht immer für das größte Unglück; daß ich endlich von der Strategie,<lb/>
der Taktik und Technik des Kriegs nichts verstehe und daß, da ich mir nicht<lb/>
die Fähigkeit zutraue, die in der Jugend versäumte Gelegenheit, solche Kennt¬<lb/>
nisse zu sammeln, im Alter nachzuholen, ich nicht im Stande bin, Geheimnisse<lb/>
des Kriegs zu verrathen, &#x2014; aus dem einfachen Grunde, weil ich deren nicht<lb/>
weiß. Wenn Sie, ungeachtet dieses Geständnisses, das geboten erscheint durch<lb/>
das beiderseitige Interesse und die Pflicht der Aufrichtigkeit, meine Mittheilungen<lb/>
noch brauchen können, nun gut, dann will ich fortfahren. Dem Bericht über<lb/>
die Stimmung schicke ich einige Bemerkungen über die äußere Conjunctur<lb/>
voraus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_139" next="#ID_140"> Nassau gehört zum neunten Bundesarmeecorps, zusammen mit Sachsen,<lb/>
Kurhessen, Luxemburg und Limburg. Da es aber von diesen seinen Kriegs¬<lb/>
kameraden räumlich getrennt ist, so hat es infolge des Bündesbeschlusses vom<lb/>
14. Juni seine Truppen, die es schon vier Wochen vorher mobil gemacht hatte,<lb/>
zu dem achten Bundesarmeecorps stoßen lassen, welches sich in Frankfurt und<lb/>
Umgegend den Main entlang sammelt. Zu diesem achten Bundesarmeecorps<lb/>
gehören bundesvcrfassungsmäßig Würtemberg, Baden, Hessen-Darmstadt. Außer¬<lb/>
dem stößt noch dazu die nassauische Brigade und eine östreichische Brigade,<lb/>
welche früher zur Besatzung von Mainz, Rastadt und Frankfurt gehörte und so<lb/>
viel ich weiß ausschließlich aus Italienern besteht. Endlich erwartet man als<lb/>
weiteren Bestandtheil dieses Corps die Kurhessen, von welchen man als gewiß<lb/>
annimmt, daß sie sich an den Preußen vorbeigeschlichen haben, und die Han.<lb/>
uoveraner, von welchen man es immer noch vermuthet und hofft. Dieses Corps,</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> Grenzboten III. 18l&gt;6. 6</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Ein Kriegsbries aus Nassau. Sie wünschen von mir Nachrichten zu erhalten „über die Zustände und Stimmungen, wie sie sich aus Anlaß des Kriegs hier zu Lande gestalten". Lassen Sie mich beginnen mit dem Geständniß, daß ich zu der Zahl der Fried¬ fertigen gehöre, diesem Kriege und jedem Kriege gegenüber; daß ich den Krieg stets für ein Unglück halte, wenn auch zuweilen für ein nothwendiges Unglück, wenn auch nicht immer für das größte Unglück; daß ich endlich von der Strategie, der Taktik und Technik des Kriegs nichts verstehe und daß, da ich mir nicht die Fähigkeit zutraue, die in der Jugend versäumte Gelegenheit, solche Kennt¬ nisse zu sammeln, im Alter nachzuholen, ich nicht im Stande bin, Geheimnisse des Kriegs zu verrathen, — aus dem einfachen Grunde, weil ich deren nicht weiß. Wenn Sie, ungeachtet dieses Geständnisses, das geboten erscheint durch das beiderseitige Interesse und die Pflicht der Aufrichtigkeit, meine Mittheilungen noch brauchen können, nun gut, dann will ich fortfahren. Dem Bericht über die Stimmung schicke ich einige Bemerkungen über die äußere Conjunctur voraus. Nassau gehört zum neunten Bundesarmeecorps, zusammen mit Sachsen, Kurhessen, Luxemburg und Limburg. Da es aber von diesen seinen Kriegs¬ kameraden räumlich getrennt ist, so hat es infolge des Bündesbeschlusses vom 14. Juni seine Truppen, die es schon vier Wochen vorher mobil gemacht hatte, zu dem achten Bundesarmeecorps stoßen lassen, welches sich in Frankfurt und Umgegend den Main entlang sammelt. Zu diesem achten Bundesarmeecorps gehören bundesvcrfassungsmäßig Würtemberg, Baden, Hessen-Darmstadt. Außer¬ dem stößt noch dazu die nassauische Brigade und eine östreichische Brigade, welche früher zur Besatzung von Mainz, Rastadt und Frankfurt gehörte und so viel ich weiß ausschließlich aus Italienern besteht. Endlich erwartet man als weiteren Bestandtheil dieses Corps die Kurhessen, von welchen man als gewiß annimmt, daß sie sich an den Preußen vorbeigeschlichen haben, und die Han. uoveraner, von welchen man es immer noch vermuthet und hofft. Dieses Corps, Grenzboten III. 18l>6. 6

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/53
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/53>, abgerufen am 03.07.2024.