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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Süden^wird aus der Kasse eben so viel bezahlt, wie aus den Kopf im Norden.
Daraus mag man abnehmen, was es heißen will, wenn die Redner der Volks-
vereine im Schwabenlande, welche gute Declamatoren und noch bessere Agita¬
toren, aber schlechte Politiker und noch schlechtere Volkswirthe sind, schreien:
"Der Norden kann den Süden so wenig entbehren, als der Süden den Norden."
Nur in Betreff der Eisenproduction hat das einige Berechtigung, im Uebrigen
aber ist es Schwindel. Wir wollen einmal sehen, wie es uns geht, wenn wir,
wo Gott sür sei, durch den Krieg definitiv aus dem Zollverein mit Preußen
hinausgeworfen werden. "Wir werden nach Oestreich exporliren!" Herrlich',
aber werden wir auch Geld dafür bekommen? Und werden wir, bei
dem ewigen Schwanken der Valuta, auch wissen wie viel? Und wirkt nicht die
Valutastörung Oestreichs uns gegenüber wie ein Schutzzoll und eine Ausfuhr-
Prämie zugleich? Und wo bleiben unsere Zollrevenüen, die unser Staats¬
budget nicht entbehren kann? "Oestreich wird uns unsere Zollrevenüen in ihrer
bisherigen Höhe garantiren!" Vortrefflich, -- aber'wer garantirt uns
Oestreich?

Ich sehe in dieser Richtung nichts als ein uferloses Chaos.

Die einzige Hoffnung ist: Sieg Preußens und baldiger Sieg Preußens.

Dann wird wohl der Zollverein erneuert, wenigstens provisorisch erneuert,
auf kürzeste Kündigungsfrist, damit durch Androhung oder Anwendung der Kün¬
digung die Reformen unweigerlich vollstreckt werben, welche bisher daran schei¬
terten, daß ein Einzelner den einstimmigen Beschluß aller Uebrigen durch seine
Einsprache vernichten konnte. Grade dieses Veto muß zuerst beseitigt, und die
Führung, welche Preußen bisher nur gleichsam bittweise und heimlich (öl, clam
et pieeg-rio) übte, muß ihm offen und ehrlich verfassungsmäßig übertragen
werden. Jeder Mißbrauch derselben wird durch eine nationale Vvlksrepräsen-
tation unmöglich gemacht werden. Neben der Reform der Verfassung steht
die des Tarifs und die der Art der VertHeilung der Revenüen. Bei der
letztgenannte" Reform werden Würtemberg, Bayern und Hessen-Darmstadt die
Züchtigung erhalten, die sie durch ihr illoyales Frvndiren seit 18S2 bis jetzt so
vollauf verdient haben, um so mehr, als das Verschulden nicht blos die austro-
Philen Regierungen, sondern -- wenigstens in den beiden erstgenannten Län¬
dern -- auch den größern Theil der zur tollsten Schutzzöllnerei aufgestachelter
Industriellen trifft.

Doch warten wir mit alledem, bis wir -- hoffentlich bald -- wieder Frie¬
den haben. Einstweilen haben wir Krieg.

Also sprechen wir von der Gegenwart, d.h. von dem Krieg!

Nach der Entscheidung, welche am 3. Juli in Böhmen gefallen, beginnt
der Schleier zu reißen, welcher sich bisher so geheimnißvoll über die Bundes¬
tagsarmee lagerte. Man fragt: "Was macht diese Armee?" Antwort: "Nichts."


Süden^wird aus der Kasse eben so viel bezahlt, wie aus den Kopf im Norden.
Daraus mag man abnehmen, was es heißen will, wenn die Redner der Volks-
vereine im Schwabenlande, welche gute Declamatoren und noch bessere Agita¬
toren, aber schlechte Politiker und noch schlechtere Volkswirthe sind, schreien:
„Der Norden kann den Süden so wenig entbehren, als der Süden den Norden."
Nur in Betreff der Eisenproduction hat das einige Berechtigung, im Uebrigen
aber ist es Schwindel. Wir wollen einmal sehen, wie es uns geht, wenn wir,
wo Gott sür sei, durch den Krieg definitiv aus dem Zollverein mit Preußen
hinausgeworfen werden. „Wir werden nach Oestreich exporliren!" Herrlich',
aber werden wir auch Geld dafür bekommen? Und werden wir, bei
dem ewigen Schwanken der Valuta, auch wissen wie viel? Und wirkt nicht die
Valutastörung Oestreichs uns gegenüber wie ein Schutzzoll und eine Ausfuhr-
Prämie zugleich? Und wo bleiben unsere Zollrevenüen, die unser Staats¬
budget nicht entbehren kann? „Oestreich wird uns unsere Zollrevenüen in ihrer
bisherigen Höhe garantiren!" Vortrefflich, — aber'wer garantirt uns
Oestreich?

Ich sehe in dieser Richtung nichts als ein uferloses Chaos.

Die einzige Hoffnung ist: Sieg Preußens und baldiger Sieg Preußens.

Dann wird wohl der Zollverein erneuert, wenigstens provisorisch erneuert,
auf kürzeste Kündigungsfrist, damit durch Androhung oder Anwendung der Kün¬
digung die Reformen unweigerlich vollstreckt werben, welche bisher daran schei¬
terten, daß ein Einzelner den einstimmigen Beschluß aller Uebrigen durch seine
Einsprache vernichten konnte. Grade dieses Veto muß zuerst beseitigt, und die
Führung, welche Preußen bisher nur gleichsam bittweise und heimlich (öl, clam
et pieeg-rio) übte, muß ihm offen und ehrlich verfassungsmäßig übertragen
werden. Jeder Mißbrauch derselben wird durch eine nationale Vvlksrepräsen-
tation unmöglich gemacht werden. Neben der Reform der Verfassung steht
die des Tarifs und die der Art der VertHeilung der Revenüen. Bei der
letztgenannte» Reform werden Würtemberg, Bayern und Hessen-Darmstadt die
Züchtigung erhalten, die sie durch ihr illoyales Frvndiren seit 18S2 bis jetzt so
vollauf verdient haben, um so mehr, als das Verschulden nicht blos die austro-
Philen Regierungen, sondern — wenigstens in den beiden erstgenannten Län¬
dern — auch den größern Theil der zur tollsten Schutzzöllnerei aufgestachelter
Industriellen trifft.

Doch warten wir mit alledem, bis wir — hoffentlich bald — wieder Frie¬
den haben. Einstweilen haben wir Krieg.

Also sprechen wir von der Gegenwart, d.h. von dem Krieg!

Nach der Entscheidung, welche am 3. Juli in Böhmen gefallen, beginnt
der Schleier zu reißen, welcher sich bisher so geheimnißvoll über die Bundes¬
tagsarmee lagerte. Man fragt: „Was macht diese Armee?" Antwort: „Nichts."


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[0529] Süden^wird aus der Kasse eben so viel bezahlt, wie aus den Kopf im Norden. Daraus mag man abnehmen, was es heißen will, wenn die Redner der Volks- vereine im Schwabenlande, welche gute Declamatoren und noch bessere Agita¬ toren, aber schlechte Politiker und noch schlechtere Volkswirthe sind, schreien: „Der Norden kann den Süden so wenig entbehren, als der Süden den Norden." Nur in Betreff der Eisenproduction hat das einige Berechtigung, im Uebrigen aber ist es Schwindel. Wir wollen einmal sehen, wie es uns geht, wenn wir, wo Gott sür sei, durch den Krieg definitiv aus dem Zollverein mit Preußen hinausgeworfen werden. „Wir werden nach Oestreich exporliren!" Herrlich', aber werden wir auch Geld dafür bekommen? Und werden wir, bei dem ewigen Schwanken der Valuta, auch wissen wie viel? Und wirkt nicht die Valutastörung Oestreichs uns gegenüber wie ein Schutzzoll und eine Ausfuhr- Prämie zugleich? Und wo bleiben unsere Zollrevenüen, die unser Staats¬ budget nicht entbehren kann? „Oestreich wird uns unsere Zollrevenüen in ihrer bisherigen Höhe garantiren!" Vortrefflich, — aber'wer garantirt uns Oestreich? Ich sehe in dieser Richtung nichts als ein uferloses Chaos. Die einzige Hoffnung ist: Sieg Preußens und baldiger Sieg Preußens. Dann wird wohl der Zollverein erneuert, wenigstens provisorisch erneuert, auf kürzeste Kündigungsfrist, damit durch Androhung oder Anwendung der Kün¬ digung die Reformen unweigerlich vollstreckt werben, welche bisher daran schei¬ terten, daß ein Einzelner den einstimmigen Beschluß aller Uebrigen durch seine Einsprache vernichten konnte. Grade dieses Veto muß zuerst beseitigt, und die Führung, welche Preußen bisher nur gleichsam bittweise und heimlich (öl, clam et pieeg-rio) übte, muß ihm offen und ehrlich verfassungsmäßig übertragen werden. Jeder Mißbrauch derselben wird durch eine nationale Vvlksrepräsen- tation unmöglich gemacht werden. Neben der Reform der Verfassung steht die des Tarifs und die der Art der VertHeilung der Revenüen. Bei der letztgenannte» Reform werden Würtemberg, Bayern und Hessen-Darmstadt die Züchtigung erhalten, die sie durch ihr illoyales Frvndiren seit 18S2 bis jetzt so vollauf verdient haben, um so mehr, als das Verschulden nicht blos die austro- Philen Regierungen, sondern — wenigstens in den beiden erstgenannten Län¬ dern — auch den größern Theil der zur tollsten Schutzzöllnerei aufgestachelter Industriellen trifft. Doch warten wir mit alledem, bis wir — hoffentlich bald — wieder Frie¬ den haben. Einstweilen haben wir Krieg. Also sprechen wir von der Gegenwart, d.h. von dem Krieg! Nach der Entscheidung, welche am 3. Juli in Böhmen gefallen, beginnt der Schleier zu reißen, welcher sich bisher so geheimnißvoll über die Bundes¬ tagsarmee lagerte. Man fragt: „Was macht diese Armee?" Antwort: „Nichts."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/529>, abgerufen am 22.07.2024.