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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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wollen, durch Umtriebe, die weit schlimmer sind, als die Leiden des Kriegs,
dafür will auch ich zu wirken versuchen, so viel die schwachen Kräfte eines Ein¬
zelnen vermögen. Ich schicke aus einem Lande, wo gegenwärtig die nationale
Presse schweigt, und die antinationale tobt, wo vielleicht, während ich diese
Zeilen schreibe, eine Schlacht geschlagen wird, die auch über unsere friedliche
Stadt Tod und Verderben sendet, den Grenzboten diese anspruchslosen Blätter,
in der Hoffnung, daß sie einen Beitrag zu dem Gesammtbilde liefern werden,
welches von dem Sommer 1866 zu entwerfen einer späteren Zeit vorbehalten
bleibt.




Wir wollen nicht klagen wegen der Opfer, die wir bringen müssen, vor¬
ausgesetzt, daß sie, wenn auch nur indirect, sür die Einheit Deutschlands ge¬
bracht werden.

Wir wollen nicht zürnen, wenn wir alten südlichen Volksstämmen Deutsch¬
lands auf eine Zeit lang -- und sei es auch auf eine lange Zeit -- zum
Wohle des Gesammtvaterlandes etwas zurücktreten müssen, um einem jüngeren
und frischeren nordischen Stamme Platz zu machen, der sich aus den gesundesten
Elementen der alten Stämme gebildet und rccrutirt hat, sei es auch mit Bei¬
mischung von etwas slavischem Blut; einem Stamm, d'essen Grundbestandlhcil
niedersächsisch ist, der sich aber der Einwanderung aus Franken, Bayern, West¬
falen und Thüringen stets offen gehalten und der sich seine Dynastie geholt
hat aus dem Schwabenlande, wo nicht nur der Hohenstaufen steht, sondern
auch in Burg Hohenzollern.

Wir Franken und Schwaben sind schon doppelt so lange Zeit auf der Bühne,
welche man die Weltgeschichte nennt, beschäftigt. Gönnen wir uns deshalb eine
kleine Erholungspause. Wir haben viel gelitten in den engen Kanzleien, Ka¬
sernen und Kirchen, in der weltlichen und geistlichen Kleinstaaterei; wir bedürfen
ein frisches und kräftiges Seebad. Wir hinters im Norden.

Die Kaiserkrone hat ja schon auf fränkischen, auf schwäbischen, auf säch¬
sischen, auf bayerischen, auf lothringischen und sogar auf luxemburgischen
Häuptern geruht, warum nicht auch einmal auf einem preußischen? Warum,
wenn die älteren Söhne nicht können oder wollen, warum soll die hehre Mutter
Germania nicht auch einmal ihren jüngsten Sohn zum Major domus ernennen?
Ist er doch ein schmucker, strammer, flinker und tapferer Junge, so recht was
man einen "hoffnungsvollen und alles für sich einnehmenden jungen Mann"
nennt!

Also "darum keine Feindschaft". Am lebendigen Börne der deutschen Nation
müssen die Eimer der einzelnen Stämme auf- und niedersteigen. Mag denn
meinetwegen der bayerisch.fränkisch-schwäbische Eimer sinken, während der prM-


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wollen, durch Umtriebe, die weit schlimmer sind, als die Leiden des Kriegs,
dafür will auch ich zu wirken versuchen, so viel die schwachen Kräfte eines Ein¬
zelnen vermögen. Ich schicke aus einem Lande, wo gegenwärtig die nationale
Presse schweigt, und die antinationale tobt, wo vielleicht, während ich diese
Zeilen schreibe, eine Schlacht geschlagen wird, die auch über unsere friedliche
Stadt Tod und Verderben sendet, den Grenzboten diese anspruchslosen Blätter,
in der Hoffnung, daß sie einen Beitrag zu dem Gesammtbilde liefern werden,
welches von dem Sommer 1866 zu entwerfen einer späteren Zeit vorbehalten
bleibt.




Wir wollen nicht klagen wegen der Opfer, die wir bringen müssen, vor¬
ausgesetzt, daß sie, wenn auch nur indirect, sür die Einheit Deutschlands ge¬
bracht werden.

Wir wollen nicht zürnen, wenn wir alten südlichen Volksstämmen Deutsch¬
lands auf eine Zeit lang — und sei es auch auf eine lange Zeit — zum
Wohle des Gesammtvaterlandes etwas zurücktreten müssen, um einem jüngeren
und frischeren nordischen Stamme Platz zu machen, der sich aus den gesundesten
Elementen der alten Stämme gebildet und rccrutirt hat, sei es auch mit Bei¬
mischung von etwas slavischem Blut; einem Stamm, d'essen Grundbestandlhcil
niedersächsisch ist, der sich aber der Einwanderung aus Franken, Bayern, West¬
falen und Thüringen stets offen gehalten und der sich seine Dynastie geholt
hat aus dem Schwabenlande, wo nicht nur der Hohenstaufen steht, sondern
auch in Burg Hohenzollern.

Wir Franken und Schwaben sind schon doppelt so lange Zeit auf der Bühne,
welche man die Weltgeschichte nennt, beschäftigt. Gönnen wir uns deshalb eine
kleine Erholungspause. Wir haben viel gelitten in den engen Kanzleien, Ka¬
sernen und Kirchen, in der weltlichen und geistlichen Kleinstaaterei; wir bedürfen
ein frisches und kräftiges Seebad. Wir hinters im Norden.

Die Kaiserkrone hat ja schon auf fränkischen, auf schwäbischen, auf säch¬
sischen, auf bayerischen, auf lothringischen und sogar auf luxemburgischen
Häuptern geruht, warum nicht auch einmal auf einem preußischen? Warum,
wenn die älteren Söhne nicht können oder wollen, warum soll die hehre Mutter
Germania nicht auch einmal ihren jüngsten Sohn zum Major domus ernennen?
Ist er doch ein schmucker, strammer, flinker und tapferer Junge, so recht was
man einen „hoffnungsvollen und alles für sich einnehmenden jungen Mann"
nennt!

Also „darum keine Feindschaft". Am lebendigen Börne der deutschen Nation
müssen die Eimer der einzelnen Stämme auf- und niedersteigen. Mag denn
meinetwegen der bayerisch.fränkisch-schwäbische Eimer sinken, während der prM-


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[0525] wollen, durch Umtriebe, die weit schlimmer sind, als die Leiden des Kriegs, dafür will auch ich zu wirken versuchen, so viel die schwachen Kräfte eines Ein¬ zelnen vermögen. Ich schicke aus einem Lande, wo gegenwärtig die nationale Presse schweigt, und die antinationale tobt, wo vielleicht, während ich diese Zeilen schreibe, eine Schlacht geschlagen wird, die auch über unsere friedliche Stadt Tod und Verderben sendet, den Grenzboten diese anspruchslosen Blätter, in der Hoffnung, daß sie einen Beitrag zu dem Gesammtbilde liefern werden, welches von dem Sommer 1866 zu entwerfen einer späteren Zeit vorbehalten bleibt. Wir wollen nicht klagen wegen der Opfer, die wir bringen müssen, vor¬ ausgesetzt, daß sie, wenn auch nur indirect, sür die Einheit Deutschlands ge¬ bracht werden. Wir wollen nicht zürnen, wenn wir alten südlichen Volksstämmen Deutsch¬ lands auf eine Zeit lang — und sei es auch auf eine lange Zeit — zum Wohle des Gesammtvaterlandes etwas zurücktreten müssen, um einem jüngeren und frischeren nordischen Stamme Platz zu machen, der sich aus den gesundesten Elementen der alten Stämme gebildet und rccrutirt hat, sei es auch mit Bei¬ mischung von etwas slavischem Blut; einem Stamm, d'essen Grundbestandlhcil niedersächsisch ist, der sich aber der Einwanderung aus Franken, Bayern, West¬ falen und Thüringen stets offen gehalten und der sich seine Dynastie geholt hat aus dem Schwabenlande, wo nicht nur der Hohenstaufen steht, sondern auch in Burg Hohenzollern. Wir Franken und Schwaben sind schon doppelt so lange Zeit auf der Bühne, welche man die Weltgeschichte nennt, beschäftigt. Gönnen wir uns deshalb eine kleine Erholungspause. Wir haben viel gelitten in den engen Kanzleien, Ka¬ sernen und Kirchen, in der weltlichen und geistlichen Kleinstaaterei; wir bedürfen ein frisches und kräftiges Seebad. Wir hinters im Norden. Die Kaiserkrone hat ja schon auf fränkischen, auf schwäbischen, auf säch¬ sischen, auf bayerischen, auf lothringischen und sogar auf luxemburgischen Häuptern geruht, warum nicht auch einmal auf einem preußischen? Warum, wenn die älteren Söhne nicht können oder wollen, warum soll die hehre Mutter Germania nicht auch einmal ihren jüngsten Sohn zum Major domus ernennen? Ist er doch ein schmucker, strammer, flinker und tapferer Junge, so recht was man einen „hoffnungsvollen und alles für sich einnehmenden jungen Mann" nennt! Also „darum keine Feindschaft". Am lebendigen Börne der deutschen Nation müssen die Eimer der einzelnen Stämme auf- und niedersteigen. Mag denn meinetwegen der bayerisch.fränkisch-schwäbische Eimer sinken, während der prM- 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/525>, abgerufen am 22.07.2024.