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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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ständlich gegen jede Beschränkung der Souveränetät, die ihm durch den neuen
Bundesvertrag aufgelegt werden soll, ebenso reogiren, wie jetzt bei den Friedens¬
verhandlungen mit Preußen. Durch den Zutritt Sachsens wird der Separatis¬
mus der Dynastien eine Verstärkung erhalten, welche nicht nur die ohnedies
schwere Aufgabe verwickeln, sondern in Wahrheit den Bundesstaat auf eine
ganz neue Basis stellen wird. Nicht als wenn der König von Sachsen weniger
Geneigtheit dafür mitbrachte, als andere der regierenden Herren, im Gegentheil,
wir sind überzeugt, daß er das Unvermeidliche mit besserem Verständniß und
reinerem Willen thun wird, als.mancher seiner erlangten Verbündeten. Der
untilgbare Grund des Widerstandes liegt in den Verhältnissen und der Stellung,
welche man ihm restituirt hat. Er ist fortan der bedeutendste der Bundesherren,
durch ihn haben sie ein Haupt und einen bereits bewährten Führer erhalten,
das dynastische und das Souveränetcitsinteresse werden sich fortan bei der neuen
Organisation gebieterisch geltend machen. Und Graf Bismarck wird auch, wenn
er den Willen hat, die Selbständigkeit der einzelnen Bundesgenossen zum Vor¬
theil des Ganzen einzuschränken, in seiner Stellung zwischen Parlament und
den konservativen Einflüssen am preußischen Hofe es sehr schwer finden, den wider¬
strebenden Hoheilsstolz der Bundeshäupter zu dämpfen.

Wenn ferner Sachsen den neuen Bund berathen hilft und daneben in selt¬
samer Doppelstellung Darmstadt, warum nicht auch Baden, Würtemberg und
Bayern? Der feste Zusammenschluß der norddeutschen Staaten, den wir bei
den Friedensverhandlungen mit Oestreich noch hoffen durften, Einheit des Heeres
und der Diplomatie, Einheit und Leitung der großen Verkehrsanstalten durch
Preußen, ist doch aufgegeben, die große Idee, kaum geboren, bei Seite gelegt,
was hindert jetzt noch, daß auch der Süden zutrete? In der That, für Baden
wünschen wir dies aufs innigste und auch der Anschluß von Würtemberg und
Bayern wäre kaum noch eine Lockerung des Bundes, der mit einem souveränen
Sachsen vereinbart wird. Preußen hat sich durch diese Concession auf ein ganz
neues Princip gestellt, was es jetzt noch schaffen kann, wird eine neue Födera¬
tion souveräner Staaten, ohne Zweifel viel besser als der alte Bundestag,
immer noch ein großer Fortschritt. Aber wieder werden die Interessen der Re¬
gierungen es sein, mit denen Preußen zunächst verhandeln muß, und der schöne
Traum eines einheitlich fest organisirten Staatswesens schwindet dahin. Jetzt
erscheint es wie Zufall und Willkür, daß Nassau, Kurhessen und Hannover
annectirt sind, die deposscdirten Fürsten, ihre Anhänger und das Ausland wer¬
den neuen Grund haben, zu fragen, warum uns nicht conserviren, wenn andere
bleiben? War das Bedürfniß Preußens, Dresden und Leipzig zu beherrschen,
nicht größer, als Nassau und Frankfurt zu besetzen?

Wenn also wahr ist, was wir hören, daß die Verhandlungen zwischen
Preußen und Sachsen dem Abschluß nahe sind, so ist diese Eile befremdend.


ständlich gegen jede Beschränkung der Souveränetät, die ihm durch den neuen
Bundesvertrag aufgelegt werden soll, ebenso reogiren, wie jetzt bei den Friedens¬
verhandlungen mit Preußen. Durch den Zutritt Sachsens wird der Separatis¬
mus der Dynastien eine Verstärkung erhalten, welche nicht nur die ohnedies
schwere Aufgabe verwickeln, sondern in Wahrheit den Bundesstaat auf eine
ganz neue Basis stellen wird. Nicht als wenn der König von Sachsen weniger
Geneigtheit dafür mitbrachte, als andere der regierenden Herren, im Gegentheil,
wir sind überzeugt, daß er das Unvermeidliche mit besserem Verständniß und
reinerem Willen thun wird, als.mancher seiner erlangten Verbündeten. Der
untilgbare Grund des Widerstandes liegt in den Verhältnissen und der Stellung,
welche man ihm restituirt hat. Er ist fortan der bedeutendste der Bundesherren,
durch ihn haben sie ein Haupt und einen bereits bewährten Führer erhalten,
das dynastische und das Souveränetcitsinteresse werden sich fortan bei der neuen
Organisation gebieterisch geltend machen. Und Graf Bismarck wird auch, wenn
er den Willen hat, die Selbständigkeit der einzelnen Bundesgenossen zum Vor¬
theil des Ganzen einzuschränken, in seiner Stellung zwischen Parlament und
den konservativen Einflüssen am preußischen Hofe es sehr schwer finden, den wider¬
strebenden Hoheilsstolz der Bundeshäupter zu dämpfen.

Wenn ferner Sachsen den neuen Bund berathen hilft und daneben in selt¬
samer Doppelstellung Darmstadt, warum nicht auch Baden, Würtemberg und
Bayern? Der feste Zusammenschluß der norddeutschen Staaten, den wir bei
den Friedensverhandlungen mit Oestreich noch hoffen durften, Einheit des Heeres
und der Diplomatie, Einheit und Leitung der großen Verkehrsanstalten durch
Preußen, ist doch aufgegeben, die große Idee, kaum geboren, bei Seite gelegt,
was hindert jetzt noch, daß auch der Süden zutrete? In der That, für Baden
wünschen wir dies aufs innigste und auch der Anschluß von Würtemberg und
Bayern wäre kaum noch eine Lockerung des Bundes, der mit einem souveränen
Sachsen vereinbart wird. Preußen hat sich durch diese Concession auf ein ganz
neues Princip gestellt, was es jetzt noch schaffen kann, wird eine neue Födera¬
tion souveräner Staaten, ohne Zweifel viel besser als der alte Bundestag,
immer noch ein großer Fortschritt. Aber wieder werden die Interessen der Re¬
gierungen es sein, mit denen Preußen zunächst verhandeln muß, und der schöne
Traum eines einheitlich fest organisirten Staatswesens schwindet dahin. Jetzt
erscheint es wie Zufall und Willkür, daß Nassau, Kurhessen und Hannover
annectirt sind, die deposscdirten Fürsten, ihre Anhänger und das Ausland wer¬
den neuen Grund haben, zu fragen, warum uns nicht conserviren, wenn andere
bleiben? War das Bedürfniß Preußens, Dresden und Leipzig zu beherrschen,
nicht größer, als Nassau und Frankfurt zu besetzen?

Wenn also wahr ist, was wir hören, daß die Verhandlungen zwischen
Preußen und Sachsen dem Abschluß nahe sind, so ist diese Eile befremdend.


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[0519] ständlich gegen jede Beschränkung der Souveränetät, die ihm durch den neuen Bundesvertrag aufgelegt werden soll, ebenso reogiren, wie jetzt bei den Friedens¬ verhandlungen mit Preußen. Durch den Zutritt Sachsens wird der Separatis¬ mus der Dynastien eine Verstärkung erhalten, welche nicht nur die ohnedies schwere Aufgabe verwickeln, sondern in Wahrheit den Bundesstaat auf eine ganz neue Basis stellen wird. Nicht als wenn der König von Sachsen weniger Geneigtheit dafür mitbrachte, als andere der regierenden Herren, im Gegentheil, wir sind überzeugt, daß er das Unvermeidliche mit besserem Verständniß und reinerem Willen thun wird, als.mancher seiner erlangten Verbündeten. Der untilgbare Grund des Widerstandes liegt in den Verhältnissen und der Stellung, welche man ihm restituirt hat. Er ist fortan der bedeutendste der Bundesherren, durch ihn haben sie ein Haupt und einen bereits bewährten Führer erhalten, das dynastische und das Souveränetcitsinteresse werden sich fortan bei der neuen Organisation gebieterisch geltend machen. Und Graf Bismarck wird auch, wenn er den Willen hat, die Selbständigkeit der einzelnen Bundesgenossen zum Vor¬ theil des Ganzen einzuschränken, in seiner Stellung zwischen Parlament und den konservativen Einflüssen am preußischen Hofe es sehr schwer finden, den wider¬ strebenden Hoheilsstolz der Bundeshäupter zu dämpfen. Wenn ferner Sachsen den neuen Bund berathen hilft und daneben in selt¬ samer Doppelstellung Darmstadt, warum nicht auch Baden, Würtemberg und Bayern? Der feste Zusammenschluß der norddeutschen Staaten, den wir bei den Friedensverhandlungen mit Oestreich noch hoffen durften, Einheit des Heeres und der Diplomatie, Einheit und Leitung der großen Verkehrsanstalten durch Preußen, ist doch aufgegeben, die große Idee, kaum geboren, bei Seite gelegt, was hindert jetzt noch, daß auch der Süden zutrete? In der That, für Baden wünschen wir dies aufs innigste und auch der Anschluß von Würtemberg und Bayern wäre kaum noch eine Lockerung des Bundes, der mit einem souveränen Sachsen vereinbart wird. Preußen hat sich durch diese Concession auf ein ganz neues Princip gestellt, was es jetzt noch schaffen kann, wird eine neue Födera¬ tion souveräner Staaten, ohne Zweifel viel besser als der alte Bundestag, immer noch ein großer Fortschritt. Aber wieder werden die Interessen der Re¬ gierungen es sein, mit denen Preußen zunächst verhandeln muß, und der schöne Traum eines einheitlich fest organisirten Staatswesens schwindet dahin. Jetzt erscheint es wie Zufall und Willkür, daß Nassau, Kurhessen und Hannover annectirt sind, die deposscdirten Fürsten, ihre Anhänger und das Ausland wer¬ den neuen Grund haben, zu fragen, warum uns nicht conserviren, wenn andere bleiben? War das Bedürfniß Preußens, Dresden und Leipzig zu beherrschen, nicht größer, als Nassau und Frankfurt zu besetzen? Wenn also wahr ist, was wir hören, daß die Verhandlungen zwischen Preußen und Sachsen dem Abschluß nahe sind, so ist diese Eile befremdend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/519>, abgerufen am 22.07.2024.