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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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müßten, ist natürlich unmöglich; oder rücksichtloseste Unterordnung des Lehrers,
sei derselbe Ordens" oder Weltgcistlicher, Kleriker oder Weltlicher, unter das
Staatsgesetz und unter die Disciplin der Regierung ist eine unaufschiebbare
Maßregel. Die Beschlagnahme der Studien- und Rcligionsfonds, die Verwal¬
tung derselben durch den Staat, eine gewissenhafte Controle und eine eiserne
Disciplin werden nach und nach dem Staate die Möglichkeit eröffnen, immer
mehr Geistliche zur Disposition und immer mehr neue weltliche Lehrer anzu¬
stellen, und es werden gewiß binnen kurzem die Summen gespart werden
können, die aus dem Staatsseckel für Cultus und Unterricht verwendet werden,
während sicher zugleich der bei weitem größere unschätzbare Vortheil eintritt,
daß eine kräftig, frei und praktisch denkende Jugend, losgelöst von der müssigen
Beschaulichkeit, heranwächst.

Darf man glauben, daß die östreichische Negierung den Entschluß finden
werde, die Kirchengüter dem Staate unterzustellen, so ist auch die Hoffnung auf
eine neue Richtung des politischen Lebens des Kaiserstaats gegeben und der
politischen Entwickelung der Provinzen ein Weg gebahnt.

Die allgemeinen Umrisse, in denen wir die Ausnutzung der Kirchen-
güter durch den Staat andeuten, sind bei weitem milder als die Form, in der
die italienische Regierung sie eingezogen hat, eine Form, die schon deshalb für
Oestreich unanwendbar, weil Italien dabei noch große Summen herauszubezahlen
genöthigt war. Ungeachtet aller Nachtheile ist die Einziehung der Kirchengüter
der erste Schritt der italienischen Regierung im neu erworbenen Venetien, wäh¬
rend die kaiserliche Regierung immer noch ruhig deren täglicher Verringerung
und Abnahme zusieht. Und bei alledem ist auch in Oestreich die Einziehung
der Kirchengüter nur noch Frage der Zeit. Wir hoffen, sie möge bald auf
dem Wege der Ordnung und des Gesetzes gelöst werden, sonst wird es durch
die Völker selbst geschehen, und dann in einer Weise, die jeder Form der Billig¬
keit spottet. Was die Säcuiarpfründen betrifft, so erscheint es am besten, sie
zur Aufbesserung der Gehalte der niederen Geistlichkeit zu benutzen, während
ihre Verwaltung ganz in die Hände des Staats übergeht und eine Ausgleichung
der übermäßigen Pfründen gegen die kleinen, eine feste Normirung jeder Ein¬
nahme und eine Einziehung der Ueberschüsse zu Gunsten des Staats festgestellt
wird. Dadurch hätte die Negierung den gewaltigen Vortheil, sich die niedere
Geistlichkeit zu verbinden, die bei ihrer Abhängigkeit von den Bischöfen eine
Veränderung der Lage wünscht, und deren Einfluß auf das Volk vor allem
maßgebend ist.

Die Unterrichts- und Erziehungsanstalten ebenso wie die Wohlthätigkeits-
institute müßten dem Staate anheimgegeben und unter Controle des Untcr-
richtsraths gehalten, die gesammte Finanzverwaltung vom Staate übernommen


müßten, ist natürlich unmöglich; oder rücksichtloseste Unterordnung des Lehrers,
sei derselbe Ordens« oder Weltgcistlicher, Kleriker oder Weltlicher, unter das
Staatsgesetz und unter die Disciplin der Regierung ist eine unaufschiebbare
Maßregel. Die Beschlagnahme der Studien- und Rcligionsfonds, die Verwal¬
tung derselben durch den Staat, eine gewissenhafte Controle und eine eiserne
Disciplin werden nach und nach dem Staate die Möglichkeit eröffnen, immer
mehr Geistliche zur Disposition und immer mehr neue weltliche Lehrer anzu¬
stellen, und es werden gewiß binnen kurzem die Summen gespart werden
können, die aus dem Staatsseckel für Cultus und Unterricht verwendet werden,
während sicher zugleich der bei weitem größere unschätzbare Vortheil eintritt,
daß eine kräftig, frei und praktisch denkende Jugend, losgelöst von der müssigen
Beschaulichkeit, heranwächst.

Darf man glauben, daß die östreichische Negierung den Entschluß finden
werde, die Kirchengüter dem Staate unterzustellen, so ist auch die Hoffnung auf
eine neue Richtung des politischen Lebens des Kaiserstaats gegeben und der
politischen Entwickelung der Provinzen ein Weg gebahnt.

Die allgemeinen Umrisse, in denen wir die Ausnutzung der Kirchen-
güter durch den Staat andeuten, sind bei weitem milder als die Form, in der
die italienische Regierung sie eingezogen hat, eine Form, die schon deshalb für
Oestreich unanwendbar, weil Italien dabei noch große Summen herauszubezahlen
genöthigt war. Ungeachtet aller Nachtheile ist die Einziehung der Kirchengüter
der erste Schritt der italienischen Regierung im neu erworbenen Venetien, wäh¬
rend die kaiserliche Regierung immer noch ruhig deren täglicher Verringerung
und Abnahme zusieht. Und bei alledem ist auch in Oestreich die Einziehung
der Kirchengüter nur noch Frage der Zeit. Wir hoffen, sie möge bald auf
dem Wege der Ordnung und des Gesetzes gelöst werden, sonst wird es durch
die Völker selbst geschehen, und dann in einer Weise, die jeder Form der Billig¬
keit spottet. Was die Säcuiarpfründen betrifft, so erscheint es am besten, sie
zur Aufbesserung der Gehalte der niederen Geistlichkeit zu benutzen, während
ihre Verwaltung ganz in die Hände des Staats übergeht und eine Ausgleichung
der übermäßigen Pfründen gegen die kleinen, eine feste Normirung jeder Ein¬
nahme und eine Einziehung der Ueberschüsse zu Gunsten des Staats festgestellt
wird. Dadurch hätte die Negierung den gewaltigen Vortheil, sich die niedere
Geistlichkeit zu verbinden, die bei ihrer Abhängigkeit von den Bischöfen eine
Veränderung der Lage wünscht, und deren Einfluß auf das Volk vor allem
maßgebend ist.

Die Unterrichts- und Erziehungsanstalten ebenso wie die Wohlthätigkeits-
institute müßten dem Staate anheimgegeben und unter Controle des Untcr-
richtsraths gehalten, die gesammte Finanzverwaltung vom Staate übernommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/510>, abgerufen am 22.07.2024.