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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Einnahme, die er mit zur Zinszahlung der Staatsschuld verwenden kann. aus
den Pachtgeldern und Steuern, ohne einen Kreuzer Spesen davon zu haben,
empfangen. Wollte der Staat diese Herrschaften verkaufen, so würde er sie bei
dem massenhaften Angebot, bei der sehr beschränkten Anzahl großer Kapitalisten
verschleudern müssen. und nur den Werth des Grundbesitzes drücken, wahrend
er auf die angegebene Art eine sichere jährliche Revenue empfängt, die er jeder¬
zeit beliebig verwenden kann, während er jetzt bei der fast völligen Steuerfrei¬
heit des Klerus nicht die geringste Einnahme von den geistlichen Gütern hat.

Die pünktliche Verzinsung der Staatsschuld ist eine Ehrensache für die
östreichische Regierung und die östreichischen Völker. Die viel bedeutendere
englische Staatsschuld, die bei der ungeheueren Steucrfäbigkeit des Volkes mit
Leichtigkeit verzinst wird, ist eine Quelle des Wohlstandes für das englische
Volt-, die viel kleinere östreichische Staatsschuld, deren Verzinsung nur mit der
ans Unglaubliche streifenden Steueranspannung der Nation möglich ist, die
täglich in weiteren Kreisen Verarmung und Stockung hervorbringt, ist der
fressende Krebsschaden der Monarchie, der die Industrie ruinirt, Handel und
Gewerbe des unentbehrlichen Credits beraubt, den Grundbesitz entweichet, die
solide Speculation entfernt und an ihre Stelle ein unsolides Spiel mit den
Papieren des Staates setzt. Und doch wie leicht könnte es der kaiserlichen Re¬
gierung fallen, die Staatsschuld zu verzinsen und zugleich den Völkern die
bedeutendsten Steuernachlässe zu gewähren.

Das Vertrauen zu Oestreich kann nur hergestellt werden durch eine ener¬
gische Initiative gegen die Geistlichkeit, denn jedes andere Mittel zur Regulirung
der Finanzen ist eine Täuschung, die man sich selbst und anderen bereitet. Es
liegt aber eine so hohe Garantie der Fortentwickelung des Kaiserstaats in dem
Bruche mit dem vornehmen Klerus, daß man auch diese Uebergangsperiode mit
Sicherheit überdauern wird, während bei der jetzigen Finanzwirthschaft mit dem
ehrlichsten Willen des Finanzministers. bei den ausgezeichnetsten Einrichtungen
zuletzt immer nur das Chaos, in dem sich die Finanzen befinden, vermehrt und
verwirrt wird. Es liegt aber auch die Lösung der inneren Fragen in der Re¬
gulirung des Staatshaushalts; noch nie haben sich Völker geweigert, an guten
materiellen Verhältnissen Mit mäßigen Steuern theilzunehmen, wohl aber an
solchen, wo die Finanznoth jede Unternehmung ruinirt. Was will man in
Oestreich noch besteuern? Directe und indirecte Abgaben, Couponssteuern und
extraordinäre Zuschlage lasten heute bereits erdrückend auf der Volkswirthschaft,
und in einer solchen Zeit scheut man sich noch immer, gegen einen Klerus vor¬
zugehen, der es bedauert in dem Augenblick, wo die Monarchie von zwei Seiten
angegriffen wird, wo ihre Existenz auf dem Spiele steht, wo die Noth bereits
furchtbar in der Hütte des Armen arbeitet, mit nichts als mit Gebeten die


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Einnahme, die er mit zur Zinszahlung der Staatsschuld verwenden kann. aus
den Pachtgeldern und Steuern, ohne einen Kreuzer Spesen davon zu haben,
empfangen. Wollte der Staat diese Herrschaften verkaufen, so würde er sie bei
dem massenhaften Angebot, bei der sehr beschränkten Anzahl großer Kapitalisten
verschleudern müssen. und nur den Werth des Grundbesitzes drücken, wahrend
er auf die angegebene Art eine sichere jährliche Revenue empfängt, die er jeder¬
zeit beliebig verwenden kann, während er jetzt bei der fast völligen Steuerfrei¬
heit des Klerus nicht die geringste Einnahme von den geistlichen Gütern hat.

Die pünktliche Verzinsung der Staatsschuld ist eine Ehrensache für die
östreichische Regierung und die östreichischen Völker. Die viel bedeutendere
englische Staatsschuld, die bei der ungeheueren Steucrfäbigkeit des Volkes mit
Leichtigkeit verzinst wird, ist eine Quelle des Wohlstandes für das englische
Volt-, die viel kleinere östreichische Staatsschuld, deren Verzinsung nur mit der
ans Unglaubliche streifenden Steueranspannung der Nation möglich ist, die
täglich in weiteren Kreisen Verarmung und Stockung hervorbringt, ist der
fressende Krebsschaden der Monarchie, der die Industrie ruinirt, Handel und
Gewerbe des unentbehrlichen Credits beraubt, den Grundbesitz entweichet, die
solide Speculation entfernt und an ihre Stelle ein unsolides Spiel mit den
Papieren des Staates setzt. Und doch wie leicht könnte es der kaiserlichen Re¬
gierung fallen, die Staatsschuld zu verzinsen und zugleich den Völkern die
bedeutendsten Steuernachlässe zu gewähren.

Das Vertrauen zu Oestreich kann nur hergestellt werden durch eine ener¬
gische Initiative gegen die Geistlichkeit, denn jedes andere Mittel zur Regulirung
der Finanzen ist eine Täuschung, die man sich selbst und anderen bereitet. Es
liegt aber eine so hohe Garantie der Fortentwickelung des Kaiserstaats in dem
Bruche mit dem vornehmen Klerus, daß man auch diese Uebergangsperiode mit
Sicherheit überdauern wird, während bei der jetzigen Finanzwirthschaft mit dem
ehrlichsten Willen des Finanzministers. bei den ausgezeichnetsten Einrichtungen
zuletzt immer nur das Chaos, in dem sich die Finanzen befinden, vermehrt und
verwirrt wird. Es liegt aber auch die Lösung der inneren Fragen in der Re¬
gulirung des Staatshaushalts; noch nie haben sich Völker geweigert, an guten
materiellen Verhältnissen Mit mäßigen Steuern theilzunehmen, wohl aber an
solchen, wo die Finanznoth jede Unternehmung ruinirt. Was will man in
Oestreich noch besteuern? Directe und indirecte Abgaben, Couponssteuern und
extraordinäre Zuschlage lasten heute bereits erdrückend auf der Volkswirthschaft,
und in einer solchen Zeit scheut man sich noch immer, gegen einen Klerus vor¬
zugehen, der es bedauert in dem Augenblick, wo die Monarchie von zwei Seiten
angegriffen wird, wo ihre Existenz auf dem Spiele steht, wo die Noth bereits
furchtbar in der Hütte des Armen arbeitet, mit nichts als mit Gebeten die


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[0505] Einnahme, die er mit zur Zinszahlung der Staatsschuld verwenden kann. aus den Pachtgeldern und Steuern, ohne einen Kreuzer Spesen davon zu haben, empfangen. Wollte der Staat diese Herrschaften verkaufen, so würde er sie bei dem massenhaften Angebot, bei der sehr beschränkten Anzahl großer Kapitalisten verschleudern müssen. und nur den Werth des Grundbesitzes drücken, wahrend er auf die angegebene Art eine sichere jährliche Revenue empfängt, die er jeder¬ zeit beliebig verwenden kann, während er jetzt bei der fast völligen Steuerfrei¬ heit des Klerus nicht die geringste Einnahme von den geistlichen Gütern hat. Die pünktliche Verzinsung der Staatsschuld ist eine Ehrensache für die östreichische Regierung und die östreichischen Völker. Die viel bedeutendere englische Staatsschuld, die bei der ungeheueren Steucrfäbigkeit des Volkes mit Leichtigkeit verzinst wird, ist eine Quelle des Wohlstandes für das englische Volt-, die viel kleinere östreichische Staatsschuld, deren Verzinsung nur mit der ans Unglaubliche streifenden Steueranspannung der Nation möglich ist, die täglich in weiteren Kreisen Verarmung und Stockung hervorbringt, ist der fressende Krebsschaden der Monarchie, der die Industrie ruinirt, Handel und Gewerbe des unentbehrlichen Credits beraubt, den Grundbesitz entweichet, die solide Speculation entfernt und an ihre Stelle ein unsolides Spiel mit den Papieren des Staates setzt. Und doch wie leicht könnte es der kaiserlichen Re¬ gierung fallen, die Staatsschuld zu verzinsen und zugleich den Völkern die bedeutendsten Steuernachlässe zu gewähren. Das Vertrauen zu Oestreich kann nur hergestellt werden durch eine ener¬ gische Initiative gegen die Geistlichkeit, denn jedes andere Mittel zur Regulirung der Finanzen ist eine Täuschung, die man sich selbst und anderen bereitet. Es liegt aber eine so hohe Garantie der Fortentwickelung des Kaiserstaats in dem Bruche mit dem vornehmen Klerus, daß man auch diese Uebergangsperiode mit Sicherheit überdauern wird, während bei der jetzigen Finanzwirthschaft mit dem ehrlichsten Willen des Finanzministers. bei den ausgezeichnetsten Einrichtungen zuletzt immer nur das Chaos, in dem sich die Finanzen befinden, vermehrt und verwirrt wird. Es liegt aber auch die Lösung der inneren Fragen in der Re¬ gulirung des Staatshaushalts; noch nie haben sich Völker geweigert, an guten materiellen Verhältnissen Mit mäßigen Steuern theilzunehmen, wohl aber an solchen, wo die Finanznoth jede Unternehmung ruinirt. Was will man in Oestreich noch besteuern? Directe und indirecte Abgaben, Couponssteuern und extraordinäre Zuschlage lasten heute bereits erdrückend auf der Volkswirthschaft, und in einer solchen Zeit scheut man sich noch immer, gegen einen Klerus vor¬ zugehen, der es bedauert in dem Augenblick, wo die Monarchie von zwei Seiten angegriffen wird, wo ihre Existenz auf dem Spiele steht, wo die Noth bereits furchtbar in der Hütte des Armen arbeitet, mit nichts als mit Gebeten die Grenjboten III. itikk. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/505>, abgerufen am 22.07.2024.