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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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wissen von einem Kaplan in Blottendorf, der 80 Fi. Gehalt jährlich hatte und
finden eine sehr große Zahl ähnlicher Stellen mit 120 und 1ö0 Fi. Einkünften.
Die Stellung der niederen Geistlichkeit ist erst seit dem Concordat. das deshalb
auch vielfach von ihr angefeindet wird, gänzlich vom hohen Klerus abhängig
geworden.

Der 18. August 1856, der Geburtstag des Kaisers, brachte dies Concordat,
ein Danaergeschenk, das des Kaiserstaates beste Kraft zu Grunde richtete, das
freie Denken in Fesseln legte. Demoralisation und Korruption verbreitete, die
Armuth vermehrte, die Länder, die durch die Toleranz sich entwickelt hätten, in
ihrem Fortschritt zurückwarf und eine Herrschaft des Pnesterlhums einführte,
wie man sie sich in Rom in den kühnsten Träumen nie schöner vorgespiegelt
halte. Möchte doch der 18. August 1866 der Abschluß eines in Oestreichs Ge-
schichte unauslöschlichen Decenniums gewesen sein und die Aufhebung des Con-
cvrbats, die Einziehung der Kirchengüter und deren Nutzbarmachung durch den
Staat als wahres kaiserliches Geschenk gebracht haben!

Was die allgemeine Schätzung des Kirchenvermögens anlangt, so giebt
man sich wohl in den Summen, die dasselbe repräsentirt, zu großen Erwartungen
hin. Es fragt sich jetzt überhaupt schon, ist es besser, daß der Staat das Ver¬
mögen der todten Hand als sein Eigenthum betrachtet oder soll er nur die
Verwaltung desselben in die Hand nehmen? Fast eischeint das Letztere als das
für den Augenblick Praktischere und jedenfalls am leichtesten Durchführbare,
allerdings mit Ausnahme des Ordens der Jesuiten, gegen den jede auch die
energischste Maßregel nothwendig genannt werden muß.

Die Jesuiten waren beim besten Wille" seit der kurzen Zeit ihrer Wieder¬
einführung nach Oestreich nicht im Stande, ihre Güter so mit Schulden zu be-
lasten, wie andere Orden; das Laarcapital war bereits zu theuer, der Credit
der Gesellschaft Jesu in allem, was Recht und Gesetz anlangte, ein schlechter,
und die Hoffnung auf eine einstige Ve> bannung aus Oestreich eine so starke,
daß sich das Capital zurückhielt, und die Aufstellung von Hypotheken auf dritte
Namen aus belgischen und sianzösischem Gelde erschwert wurde. Wenn ein
kaiserliches Decret die J.Suiten aus Oestreich verweist, und ihre Güter dem
Staate übergiebt, so spart sich derselbe am besten die kostspielige und in den
Händen der Regierung immer schlecht rentirende Regie, wenn er die zum Theil
sehr ausgedehnten Herrschaften parcellirt und für dieselben tüchtige Pachter mit
einem Kaution bietenden Capital sucht, die er nicht nur in Oestreich, sondern auch
vor allem in dem capitalreichen, aber an leicht zu acquirirendem Grundbesitz
armen Mittel- und Norddeutschland finden wird. Bewilligt der Staat diesen
Pächtern auf eine bestimmte Reihe von Jahren gewisse Steuernachlässe, so wird
er nicht nur intelligente und tüchtige Landwirthe. sondern auch auf die billigste
und beste Weise ausländisches Baarcapital erhalten, zugleich aber eine sichere


wissen von einem Kaplan in Blottendorf, der 80 Fi. Gehalt jährlich hatte und
finden eine sehr große Zahl ähnlicher Stellen mit 120 und 1ö0 Fi. Einkünften.
Die Stellung der niederen Geistlichkeit ist erst seit dem Concordat. das deshalb
auch vielfach von ihr angefeindet wird, gänzlich vom hohen Klerus abhängig
geworden.

Der 18. August 1856, der Geburtstag des Kaisers, brachte dies Concordat,
ein Danaergeschenk, das des Kaiserstaates beste Kraft zu Grunde richtete, das
freie Denken in Fesseln legte. Demoralisation und Korruption verbreitete, die
Armuth vermehrte, die Länder, die durch die Toleranz sich entwickelt hätten, in
ihrem Fortschritt zurückwarf und eine Herrschaft des Pnesterlhums einführte,
wie man sie sich in Rom in den kühnsten Träumen nie schöner vorgespiegelt
halte. Möchte doch der 18. August 1866 der Abschluß eines in Oestreichs Ge-
schichte unauslöschlichen Decenniums gewesen sein und die Aufhebung des Con-
cvrbats, die Einziehung der Kirchengüter und deren Nutzbarmachung durch den
Staat als wahres kaiserliches Geschenk gebracht haben!

Was die allgemeine Schätzung des Kirchenvermögens anlangt, so giebt
man sich wohl in den Summen, die dasselbe repräsentirt, zu großen Erwartungen
hin. Es fragt sich jetzt überhaupt schon, ist es besser, daß der Staat das Ver¬
mögen der todten Hand als sein Eigenthum betrachtet oder soll er nur die
Verwaltung desselben in die Hand nehmen? Fast eischeint das Letztere als das
für den Augenblick Praktischere und jedenfalls am leichtesten Durchführbare,
allerdings mit Ausnahme des Ordens der Jesuiten, gegen den jede auch die
energischste Maßregel nothwendig genannt werden muß.

Die Jesuiten waren beim besten Wille» seit der kurzen Zeit ihrer Wieder¬
einführung nach Oestreich nicht im Stande, ihre Güter so mit Schulden zu be-
lasten, wie andere Orden; das Laarcapital war bereits zu theuer, der Credit
der Gesellschaft Jesu in allem, was Recht und Gesetz anlangte, ein schlechter,
und die Hoffnung auf eine einstige Ve> bannung aus Oestreich eine so starke,
daß sich das Capital zurückhielt, und die Aufstellung von Hypotheken auf dritte
Namen aus belgischen und sianzösischem Gelde erschwert wurde. Wenn ein
kaiserliches Decret die J.Suiten aus Oestreich verweist, und ihre Güter dem
Staate übergiebt, so spart sich derselbe am besten die kostspielige und in den
Händen der Regierung immer schlecht rentirende Regie, wenn er die zum Theil
sehr ausgedehnten Herrschaften parcellirt und für dieselben tüchtige Pachter mit
einem Kaution bietenden Capital sucht, die er nicht nur in Oestreich, sondern auch
vor allem in dem capitalreichen, aber an leicht zu acquirirendem Grundbesitz
armen Mittel- und Norddeutschland finden wird. Bewilligt der Staat diesen
Pächtern auf eine bestimmte Reihe von Jahren gewisse Steuernachlässe, so wird
er nicht nur intelligente und tüchtige Landwirthe. sondern auch auf die billigste
und beste Weise ausländisches Baarcapital erhalten, zugleich aber eine sichere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/504>, abgerufen am 22.07.2024.