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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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weichen die Süddeutschen überhaupt von den Nordischen merklich ab. Es artet
dieses nicht selten ins Lotterige aus, was man, aber sehr irrthümlich, mehr
seldgemäß finden will. Das Legöre findet sich im Felde allerdings von
selbst, man merkt aber sofort recht wohl, ob vorher ein anderer Grund ge¬
legt ist. --

Zum Schluß wurde der Roheit und Gewaltthat noch die Krone aufgesetzt,
als die in Mainz garnisonirenden bayerischen Truppen abzogen. Schon da
suchte man die einziehenden Preußen auf alle Weise zu insultiren. Schlimmer
wurde es unterwegs. Bor Aschaffenburg schoß bekanntlich ein bayerischer Soldat
aus dem Waggon heraus einen preußischen Offizier zusammen, der bisher mit¬
gefahren war, und, voraussehend was kommen konnte, ans dem letzten An¬
haltepunkt vor der Hauptstation Aschaffenburg ausgestiegen war. Ließ man
nach diesem öffentlichen Morde den Zug nicht sofort wieder halten, den Uebel¬
thäter ergreifen? Nein, der Zug setzte sich wieder in Bewegung, als wenn
nichts vorgekommen wäre. -- So erzählt wenigstens die "Augsburger Allgemeine
Zeitung", sonst eine gute Bayerin und macht selbst ihre Glossen darüber. Aber
noch nicht genug: gleich darauf läßt man in Aschaffenburg, wo Preußen
standen, längere Zeit halten, die Soldaten mit Seitengewehren aussteigen und
sich in die Stadt verlaufen, um von neuem Scandale zu beginnen, auf die einzel¬
nen Preußen förmliche Jagd zu machen. Sieht das nicht grade so aus, als wenn
man das von Seiten der Offiziere noch unterstützt, wenigstens gar nichts gethan
hätte, um es zu verhüten?

Wie konnte es denn überhaupt nur geschehen, daß Mannschaften auf einer
weiteren Tour, nach v em Fried ensa dö es luß, geladene Gewehre oder Muni¬
tion mit in die Waggons nahmen? Oder, wenn die Gewehre entladen gewesen,
wie konnte einer oder einige sie in Gegenwart mehrer. die in einem Coup6 zu-
sammensitzen, wieder laden und feuern, ohne von den Vernünftigeren oder weniger
Angetrunkenen abgehalten zu werden? Wie kams, daß nicht sofort Hilfe kam,
als der schwer verwundete Offizier sich am Boden wand, nicht ein allgemeiner
Schrei der Entrüstung sich hören ließ? Dieser einzige Fall schadet dem Rufe
bayerischer Truppen auf lange Zeit hinaus mehr als alles Vorhergegangene.
Und das geschah von Truppen, die von den besten Regimentern waren, längere
Zeit mit anderen zusammengestanden hatten und sich etwas abgeschliffen haben
konnten. Die Offiziere hatten dabei auch die beste Gelegenheit, die Disciplin
besser als anderwärts, namentlich im eigenen Lande, zu handhaben.

Was soll das In- und Ausland zu solchen Borgängen sagen?

Mancherlei Factoren wirkten zu dem mancherlei Mangelhaften gleich Von
vornherein wesentlich ein: die große Jugend eines unerfahrenen und dein Armee-
wesen ziemlich fremden Kriegsherrn, das Gieisenalier eines im Funden ergrauten
Fühlers, der sich des allgemeinen Bertrauens nicht erfreute und die in Zweifel


weichen die Süddeutschen überhaupt von den Nordischen merklich ab. Es artet
dieses nicht selten ins Lotterige aus, was man, aber sehr irrthümlich, mehr
seldgemäß finden will. Das Legöre findet sich im Felde allerdings von
selbst, man merkt aber sofort recht wohl, ob vorher ein anderer Grund ge¬
legt ist. —

Zum Schluß wurde der Roheit und Gewaltthat noch die Krone aufgesetzt,
als die in Mainz garnisonirenden bayerischen Truppen abzogen. Schon da
suchte man die einziehenden Preußen auf alle Weise zu insultiren. Schlimmer
wurde es unterwegs. Bor Aschaffenburg schoß bekanntlich ein bayerischer Soldat
aus dem Waggon heraus einen preußischen Offizier zusammen, der bisher mit¬
gefahren war, und, voraussehend was kommen konnte, ans dem letzten An¬
haltepunkt vor der Hauptstation Aschaffenburg ausgestiegen war. Ließ man
nach diesem öffentlichen Morde den Zug nicht sofort wieder halten, den Uebel¬
thäter ergreifen? Nein, der Zug setzte sich wieder in Bewegung, als wenn
nichts vorgekommen wäre. — So erzählt wenigstens die „Augsburger Allgemeine
Zeitung", sonst eine gute Bayerin und macht selbst ihre Glossen darüber. Aber
noch nicht genug: gleich darauf läßt man in Aschaffenburg, wo Preußen
standen, längere Zeit halten, die Soldaten mit Seitengewehren aussteigen und
sich in die Stadt verlaufen, um von neuem Scandale zu beginnen, auf die einzel¬
nen Preußen förmliche Jagd zu machen. Sieht das nicht grade so aus, als wenn
man das von Seiten der Offiziere noch unterstützt, wenigstens gar nichts gethan
hätte, um es zu verhüten?

Wie konnte es denn überhaupt nur geschehen, daß Mannschaften auf einer
weiteren Tour, nach v em Fried ensa dö es luß, geladene Gewehre oder Muni¬
tion mit in die Waggons nahmen? Oder, wenn die Gewehre entladen gewesen,
wie konnte einer oder einige sie in Gegenwart mehrer. die in einem Coup6 zu-
sammensitzen, wieder laden und feuern, ohne von den Vernünftigeren oder weniger
Angetrunkenen abgehalten zu werden? Wie kams, daß nicht sofort Hilfe kam,
als der schwer verwundete Offizier sich am Boden wand, nicht ein allgemeiner
Schrei der Entrüstung sich hören ließ? Dieser einzige Fall schadet dem Rufe
bayerischer Truppen auf lange Zeit hinaus mehr als alles Vorhergegangene.
Und das geschah von Truppen, die von den besten Regimentern waren, längere
Zeit mit anderen zusammengestanden hatten und sich etwas abgeschliffen haben
konnten. Die Offiziere hatten dabei auch die beste Gelegenheit, die Disciplin
besser als anderwärts, namentlich im eigenen Lande, zu handhaben.

Was soll das In- und Ausland zu solchen Borgängen sagen?

Mancherlei Factoren wirkten zu dem mancherlei Mangelhaften gleich Von
vornherein wesentlich ein: die große Jugend eines unerfahrenen und dein Armee-
wesen ziemlich fremden Kriegsherrn, das Gieisenalier eines im Funden ergrauten
Fühlers, der sich des allgemeinen Bertrauens nicht erfreute und die in Zweifel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/500>, abgerufen am 22.07.2024.