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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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bereits die um Dermbach gelegenen Dörfer Neidhardsbausen, Wiesenthal und
die Domäne Zell, westlich von Noßdorf, besetzt. Es waren bei Annäherung
der Preußen die im Gebirge mehr zerstreuten Truppen in aller Hast einiger¬
maßen zusammengezogen worden.

Das bayerische Hauptquartier war unterdeß von Meiningen abgegangen
und hatte sich nach dem ehemaligen Kloster Sievershausen, eine jetzt dem Herzog
von Meiningen'gehörende Besitzung mit Schloß, begeben, das etwa eine Meile
südlich von Noßdorf entfernt liegt.

Am Morgen des 4. Juli wurde der Kampf ernstlicher aufgenommen. Etwa
gegen 7 Uhr stießen die beiden Avantgarden bei Wiesenthal zusammen. D>e
preußische kam von Satzungen und Tiefenort her; die der Bayern wurde durch
die ungestümen Preußen bald so gedrängt, daß sie sich zunächst nach Wiesenthal,
von da aber weiter nach dem bei Noßdorf stehenden Gros zurückzog. Den
Preußen war es indeß gelungen, auf einer bei Wiesenthal günstig gelegenen
Anhöhe eine Batterie zu etabliren, um von da aus die von Roßdorf heran¬
rückenden Bayern wirksam zu beschießen. Die Artillerie der Utzteien war noch
zurück, eilte aber nun rasch vor und es gelang mit vieler Mühe einige Ge¬
schütze an die Seite des zwischen Wiesenthal'und Roßdorf gelegenen Nebeldergs
zu bringen, den die Bayern nun ebenfalls besetzten. Diese außerordentlich
günstig gelegene Höhe (über 1,400 Fuß überm Meer) beherrschte das ganze
Terrain. namentlich aber die von Roßdorf nach Wiesenthal und Dermbcrcb füh¬
rende Straße. Die Bayern besetzten die Höhe deshalb auch stark mit Infanterie,
die hier insofern noch eine äußerst günstige Position hatte, als die Kuppe des
sonst ganz kahlen und steilen Berges mit Holz bewachsen war, in dem die
Schützen ganz gedeckt standen. Die Geschütze eröffneten von hier aus Morgens
gegen 9 Uhr das Feuer auf die vorrückenden Preußen, das von diesen erst gegen
11 Uhr erwiedert werden konnte. Nun rückten sie von Wiesenthal her, das sie
bereits besitzt hatten, rasch gegen die furchtbare Anhöhe vor. Nur langsam konnten
die Tapfern die steile Anhöhe ersteigen, fortwährend von oben mit Gewehrfeuer,
in der Flanke aus den Geschützen mit Kartätschen beschossen und an der nackten
Wand nicht die mindeste Deckung. Dabei waren sie bedeutend in der Minder¬
zahl; aber dennoch geschah das fast Unglaubliche -- die Bayern verließen die
treffliche, dem Gegner so furchtbare Position und zogen sich nach Roßdorf zurück.
Auch hier gab es noch ein heißes Gefecht, denn eine bayrische Abtheilung hatte
den ummauerten Friedhof besetzt, von wo aus sie die vorrückenden Preußen
mit Erfolg beschoß. ,

Da die Preußen ihren strategischen Zweck erreicht hatten, so wurde Nach¬
mittags gegen 4 Uhr das Gefecht abgebrochen. Die Preußen concentrirten sich
bei Wiesenthal, während die Bayern sich mehr nach dem Katzgrund, nach Kalten-
nordheim hin, zurückzogen, und so fanden die Preußen am nächsten Morgen,


bereits die um Dermbach gelegenen Dörfer Neidhardsbausen, Wiesenthal und
die Domäne Zell, westlich von Noßdorf, besetzt. Es waren bei Annäherung
der Preußen die im Gebirge mehr zerstreuten Truppen in aller Hast einiger¬
maßen zusammengezogen worden.

Das bayerische Hauptquartier war unterdeß von Meiningen abgegangen
und hatte sich nach dem ehemaligen Kloster Sievershausen, eine jetzt dem Herzog
von Meiningen'gehörende Besitzung mit Schloß, begeben, das etwa eine Meile
südlich von Noßdorf entfernt liegt.

Am Morgen des 4. Juli wurde der Kampf ernstlicher aufgenommen. Etwa
gegen 7 Uhr stießen die beiden Avantgarden bei Wiesenthal zusammen. D>e
preußische kam von Satzungen und Tiefenort her; die der Bayern wurde durch
die ungestümen Preußen bald so gedrängt, daß sie sich zunächst nach Wiesenthal,
von da aber weiter nach dem bei Noßdorf stehenden Gros zurückzog. Den
Preußen war es indeß gelungen, auf einer bei Wiesenthal günstig gelegenen
Anhöhe eine Batterie zu etabliren, um von da aus die von Roßdorf heran¬
rückenden Bayern wirksam zu beschießen. Die Artillerie der Utzteien war noch
zurück, eilte aber nun rasch vor und es gelang mit vieler Mühe einige Ge¬
schütze an die Seite des zwischen Wiesenthal'und Roßdorf gelegenen Nebeldergs
zu bringen, den die Bayern nun ebenfalls besetzten. Diese außerordentlich
günstig gelegene Höhe (über 1,400 Fuß überm Meer) beherrschte das ganze
Terrain. namentlich aber die von Roßdorf nach Wiesenthal und Dermbcrcb füh¬
rende Straße. Die Bayern besetzten die Höhe deshalb auch stark mit Infanterie,
die hier insofern noch eine äußerst günstige Position hatte, als die Kuppe des
sonst ganz kahlen und steilen Berges mit Holz bewachsen war, in dem die
Schützen ganz gedeckt standen. Die Geschütze eröffneten von hier aus Morgens
gegen 9 Uhr das Feuer auf die vorrückenden Preußen, das von diesen erst gegen
11 Uhr erwiedert werden konnte. Nun rückten sie von Wiesenthal her, das sie
bereits besitzt hatten, rasch gegen die furchtbare Anhöhe vor. Nur langsam konnten
die Tapfern die steile Anhöhe ersteigen, fortwährend von oben mit Gewehrfeuer,
in der Flanke aus den Geschützen mit Kartätschen beschossen und an der nackten
Wand nicht die mindeste Deckung. Dabei waren sie bedeutend in der Minder¬
zahl; aber dennoch geschah das fast Unglaubliche — die Bayern verließen die
treffliche, dem Gegner so furchtbare Position und zogen sich nach Roßdorf zurück.
Auch hier gab es noch ein heißes Gefecht, denn eine bayrische Abtheilung hatte
den ummauerten Friedhof besetzt, von wo aus sie die vorrückenden Preußen
mit Erfolg beschoß. ,

Da die Preußen ihren strategischen Zweck erreicht hatten, so wurde Nach¬
mittags gegen 4 Uhr das Gefecht abgebrochen. Die Preußen concentrirten sich
bei Wiesenthal, während die Bayern sich mehr nach dem Katzgrund, nach Kalten-
nordheim hin, zurückzogen, und so fanden die Preußen am nächsten Morgen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/495>, abgerufen am 25.08.2024.