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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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und schien froh zu sein, schließlich in die gewöhnliche Schrittart zurückkehren zu
können.

Bald indeß sollte ein mehr zum Tragischen neigender Wendepunkt ein¬
treten und den nach Kampf lechzender Bayern nunmehr Gelegenheit geboten
werden, ihr Müthchen an den Preußen zu kühlen. Nachdem nämlich die
Armee des Generals Vogel v. Falkenstein mit den Hannoveranern fertig war,
concentrirte sie sich am 1. Juli in der Gegend bei Eisenach bis nach Satzungen
hin und die Borposten wurden eine kleine halbe Stunde südlich von der Stadt
bei den Dörfern Ettmarshausen und Jmmelborn ausgestellt. Die bayerische
von Meiningen aus vorgeschobene Vorhut stand bei dem Dorfe Wernshausen
am linken Werraufer. das so ziemlich in der Mitte zwischen beiden Stadien
liegt. Diese führte der Obeist Aldosser, der das 9. Regiment commandirte, ein
Mann, dessen Name bereits einen Klang hatte, denn bekanntlich zählte er zu
den sechs bayerischen Offizieren, die sich 1848 zuerst freiwillig erboten hatten,
für die Sache der bedrängten Schleswig-Holsteiner einzutreten. Aldossers Name
wurde zunächst mit dem von der Tann's genannt, als es zu Gefechten kam. Er
war damals Oberlieutenant bei der Artillerie und galt bald allgemein als ein
tüchtiger und unerschrockener Führer. So hegte man auch jetzt in dem bevor¬
stehenden Kampfe die glänzendsten Erwartungen von ihm.

Von Wernshausen aus waren zwar einige Patrouillen auf der Chaussee
längs des rechten Werraufers bis zum hessischen Markiflecken Barchfeld vor¬
gegangen, hatten aber den Fluß nicht überschritten und waren so bis etwa eine
kleine halbe Stunde an die preußischen Vorposten herangekommen. Der un¬
gestüme Aldosser wollte selbst etwas versuchen und forderte am Abend des 2. Juli
Freiwillige auf, einen Ueberfall zu machen. Da sich nun der größere Theil dazu
meldete, so traf er unter den Offizieren seine Auswahl und bestimmte zu dem
Unternehmen iVs Compagnie Infanterie vom 9. Regiment und eine Schwadron
Cheveauxlegers. Er soll sich auch die Offiziere unter der Cavalerie ausgewählt
haben. Nach eingetretener Dunkelheit marschirte er ab, stieß aber schon, kaum
aus Barchfeld hinaus', aus eine preußische Husarenpatrvuille, die sofort Feuer
gab und sich dann zurückzog, wodurch die bei JmMelborn ausgestellten Vor¬
posten schon allarmirt wurde". Das Unternehmen war somit bereits verrathen
und von einem eigentlichen Ueberfall konnte keine Rede mehr sein. Aber
Aldosser ging trotzdem und wie es scheint ohne gehörige Sicherheitsmaßregeln vor.
Von Barchfeld an ging die Infanterie voran, die sämmtlichen Offiziere an der
Spitze, die Cavalerie folgte als Nachhut.

So war es Mitternacht geworden, als die Bayern an die Preußen heran¬
kamen, die längst auf ihrer Hut waren. Unbegreiflicherweise hatte der Oberst
die Hütchen von den Gewehren abnehmen lassen, vielleicht weil er der Disciplin
seiner Leute nicht vertraute und ein, zu frühzeitiges Schießen befürchtete. Das


und schien froh zu sein, schließlich in die gewöhnliche Schrittart zurückkehren zu
können.

Bald indeß sollte ein mehr zum Tragischen neigender Wendepunkt ein¬
treten und den nach Kampf lechzender Bayern nunmehr Gelegenheit geboten
werden, ihr Müthchen an den Preußen zu kühlen. Nachdem nämlich die
Armee des Generals Vogel v. Falkenstein mit den Hannoveranern fertig war,
concentrirte sie sich am 1. Juli in der Gegend bei Eisenach bis nach Satzungen
hin und die Borposten wurden eine kleine halbe Stunde südlich von der Stadt
bei den Dörfern Ettmarshausen und Jmmelborn ausgestellt. Die bayerische
von Meiningen aus vorgeschobene Vorhut stand bei dem Dorfe Wernshausen
am linken Werraufer. das so ziemlich in der Mitte zwischen beiden Stadien
liegt. Diese führte der Obeist Aldosser, der das 9. Regiment commandirte, ein
Mann, dessen Name bereits einen Klang hatte, denn bekanntlich zählte er zu
den sechs bayerischen Offizieren, die sich 1848 zuerst freiwillig erboten hatten,
für die Sache der bedrängten Schleswig-Holsteiner einzutreten. Aldossers Name
wurde zunächst mit dem von der Tann's genannt, als es zu Gefechten kam. Er
war damals Oberlieutenant bei der Artillerie und galt bald allgemein als ein
tüchtiger und unerschrockener Führer. So hegte man auch jetzt in dem bevor¬
stehenden Kampfe die glänzendsten Erwartungen von ihm.

Von Wernshausen aus waren zwar einige Patrouillen auf der Chaussee
längs des rechten Werraufers bis zum hessischen Markiflecken Barchfeld vor¬
gegangen, hatten aber den Fluß nicht überschritten und waren so bis etwa eine
kleine halbe Stunde an die preußischen Vorposten herangekommen. Der un¬
gestüme Aldosser wollte selbst etwas versuchen und forderte am Abend des 2. Juli
Freiwillige auf, einen Ueberfall zu machen. Da sich nun der größere Theil dazu
meldete, so traf er unter den Offizieren seine Auswahl und bestimmte zu dem
Unternehmen iVs Compagnie Infanterie vom 9. Regiment und eine Schwadron
Cheveauxlegers. Er soll sich auch die Offiziere unter der Cavalerie ausgewählt
haben. Nach eingetretener Dunkelheit marschirte er ab, stieß aber schon, kaum
aus Barchfeld hinaus', aus eine preußische Husarenpatrvuille, die sofort Feuer
gab und sich dann zurückzog, wodurch die bei JmMelborn ausgestellten Vor¬
posten schon allarmirt wurde». Das Unternehmen war somit bereits verrathen
und von einem eigentlichen Ueberfall konnte keine Rede mehr sein. Aber
Aldosser ging trotzdem und wie es scheint ohne gehörige Sicherheitsmaßregeln vor.
Von Barchfeld an ging die Infanterie voran, die sämmtlichen Offiziere an der
Spitze, die Cavalerie folgte als Nachhut.

So war es Mitternacht geworden, als die Bayern an die Preußen heran¬
kamen, die längst auf ihrer Hut waren. Unbegreiflicherweise hatte der Oberst
die Hütchen von den Gewehren abnehmen lassen, vielleicht weil er der Disciplin
seiner Leute nicht vertraute und ein, zu frühzeitiges Schießen befürchtete. Das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/493>, abgerufen am 25.08.2024.